MAK: „1000 Euro Reisespesen pro Tag?“

Austrian director of MAK, museum of applied arts, Noever listens during a news conference in Vienna
Austrian director of MAK, museum of applied arts, Noever listens during a news conference in ViennaREUTERS
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Der RH-Rohbericht über Ex-Chef Peter Noever schlägt hohe Wellen. Grünen-Sprecher Zinggl ortet Sittenbild der Kulturpolitik. MAK-Direktor Thun: „Das Museum ist nicht Not leidend!“

Ein kleines Detail, aber bezeichnend: Der 2011 entlassene Direktor des Museums für angewandte Kunst (MAK) PeterNoever weilte durchschnittlich 79Tage pro Jahr auf Dienstreisen, wobei 81.000 Euro Spesen anfielen, was ca. 1000 Euro pro Tag entspricht. Ein Rechnungshof-Rohbericht zerpflückt nun Noevers Museumsführung – der heute 71-jährige Designer wurde 1986 vom damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer bestellt.

Der Rechnungshof prüfte die Periode von 2001 bis 2010. Er kritisierte u.a. exorbitant gestiegene Kosten der Direktion, diese beanspruchte 2010 um 58 Prozent mehr Geld, die Wissenschaft erhielt um 14 Prozent mehr, die Restaurierung um 2,3 Prozent. Lieferanten und Mitarbeiter seien als Besucher gezählt worden – das MAK gab 185.602 Besucher an, der RH erkennt aber nur knapp 100.000 an. Asiatika seien verschwunden. Für ein Sponsoring-Konzept seien 10.000 Euro an eine Mitarbeiterin bezahlt worden, ohne dass darin konkrete Vorschläge enthalten sind. Keiner Wiederbestellung Noevers ging eine öffentliche Ausschreibung voraus, für den RH: „Rechtswidrig“.

„Alle wussten, was los ist“

Noever ließ in einer schriftlichen Stellungnahme ausrichten, er könne die Vorwürfe jederzeit entkräften. Laut RH fordert er 482.700Euro für entgangene Leistungen, insgesamt aber bis zu 7,3Mio. Euro. Der Rechtsstreit beim Arbeitsgericht wird voraussichtlich wieder aufgenommen, sobald der Endbericht im Jänner vorliegt. Erst dann will Kulturministerin Claudia Schmied dazu Stellung nehmen.

„Ein Sittenbild“, meinte Freitag Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl und erinnerte an Kontroversen um den früheren KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel. Der Kontrollamtsbericht über den ehemaligen Kunsthallen-Chef Gerald Matt ist fast fertig und kommt im Dezember in den Kontrollausschuss des Gemeinderates. In einem Jahr hat das Ministerium laut RH dem MAK nicht einmal die „Entlastung“ erteilt, das heißt, die Bilanz akzeptiert: „Das bedeutet, dass allen klar war, was im MAK los ist, aber es wurde nichts unternommen“, meint Zinggl. Hat das MAK nicht ein strukturelles Besucherproblem? „Keineswegs“, widerspricht er. „Das MAK könnte einen Blockbuster nach dem anderen haben: Werbung, Mode, Internet, alles, was die Menschen täglich interessiert, ist angewandte Kunst!“

Die Kulturpolitik sei auf einem falschen Weg, erklärt Zinggl, sie fördere vor allem Bundestheater und Bundesmuseen: „Bei staatsnahen Einrichtungen ist die Misswirtschaft trotz Ausgliederung am größten.“ Eben bekommen bei den Budgetverhandlungen für 2013 die Bundestheater 4,5 Millionen Euro mehr: „Obwohl eine Evaluierung ein Einsparungspotenzial von 13 Millionen Euro erbracht hat. Das ist doch absurd!“

Verwundert über die Aufregung ist MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein: „Vieles im Rohbericht war bereits bekannt.“ Zu den Vorwürfen im Einzelnen will er sich nicht äußern, obwohl er die Stellungnahmen des Museums, die in den Rohbericht eingearbeitet werden, formulieren muss.

Dass Personal und Lieferanten als Besucher gezählt werden, sei seit 1.1.2012 abgestellt. Thun ist seit 1.9.2011 im Amt. Am Montag hat er eine Bilanz- und Vorschaupressekonferenz. Das Museum werde in vielen Bereichen neu aufgestellt, er führe regelmäßige Gespräche mit den 25 Führungskräften: „Diese Sache müssen wir durchstehen. Ich bin nicht besorgt über die Zukunft. Dies ist auch kein Not leidendes Museum“, betont Thun. Wie konnte es passieren, dass Noevers Vertrag immerfort verlängert wurde – zuletzt richtete er sogar Ministerin Schmieds Büro ein? „Er war fantasievoll, er hat dieses schwierige Museum ganz gut geführt. Er war talentiert, allerdings auch darin, sich der Kontrolle zu entziehen“, meint der ehemalige Wissenschaftsminister Erhard Busek. Kann man als Politiker überprüfen, ob ein Museumsdirektor ordentlich wirtschaftet? „Wenn der Beamtenapparat funktioniert, ja“, sagt Busek. Museen werden heute von Kuratorien beaufsichtigt, im MAK ist sogar Erste-Bank-Generaldirektor Andreas Treichl Kuratoriumsvorsitzender: „Ich habe mit Treichl lange gesprochen. Er hat sich sehr engagiert, aber Noever hat sich Klarstellungen immer wieder entzogen und Entscheidungen nicht akzeptiert“, meint Busek. Die MAK-Dependance in Los Angeles sei „wichtig und gut“, Noever habe dem MAK eben genützt und geschadet: „Eine gewisse Maßlosigkeit ist Teil seines Charakters.“

MAK von Gerichtskosten entlastet

Museumsdirektoren, die mit der Zeit immer „imperialer und selbstherrlicher agieren“, mögen passé sein, allerdings sei zu hoffen, dass stattdessen nicht nur mehr Bürokraten regieren, sagt Busek. Für die Kultur sei die Optik, Kunstmanager agierten wenig sparsam mit Steuergeld, auf jeden Fall fatal.

Wie wird sich Noevers Arbeitsgerichtsprozess entwickeln? Darüber wollte und konnte Freitag – auch aufgrund des Fenstertages – niemand Auskunft geben. MAK-Chef Thun rechnet nicht damit, dass das Museum mit den Gerichtskosten belastet wird. So wird wohl das Ministerium bzw. der Steuerzahler dafür aufkommen.

Zur Person

Peter Noever, 1941 in Innsbruck geboren, war Designer und Kurator. 1986 wurde er zum Direktor des Museums für angewandte Kunst bestellt. 2011 wurde Noever wegen falscher Rechnungen und Feiern für seine Mutter im MAK entlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

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