Italiens Rettung: Die Schönheit und das Essen

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Italien steckt in einer Krise? Vielleicht. Aber nicht auf allen Gebieten. In Rom wurde jedenfalls kürzlich auf 17.000 Quadratmetern das weltweit größte Lebensmittelcenter eröffnet, das ausschließlich Slow-Food-Produkte bietet.

Rom. Oscar Farinetti hat viele Talente. Vor allem aber zeichnet er sich durch einen ausgeprägten Spürsinn für erfolgversprechende Geschäfte und ein kompromissloses Durchsetzungsvermögen aus. Und seit ein paar Jahren auch durch seine Liebe zu Slow Food. Bis 2004 ging der heute 58-jährige Unternehmer aus dem Piemont einem ganz anderen Geschäft nach: Er machte den Haushaltsgerätehandel seines Vaters zu einer Vertriebskette mit zuletzt 120 Filialen. Mit dem Geld aus dem Verkauf der UniEuro, 2002, gründete er die Holding „Eatinveast“.

Farinetti erwarb zunächst 19 Beteiligungen von Firmen, die Pasta, Fleisch, Käse, Mineralwasser, Wein, Grappa und Backwaren herstellen. Sein Ziel war, ein gastronomisches Imperium aufzubauen, bei dem der parasitäre Zwischenhandel ausgeschaltet wird – und somit hochwertige Produkte preisgünstiger verkaufen zu können.

Die Branche sagte seinem Vorhaben eine kurze Lebensdauer voraus. Trotzdem kaufte Farinetti in Turin die leer stehende Fabrik der ältesten Wermutmarke der Welt, Carpano, und eröffnete 2007 sein erstes „Eataly“-Kaufhaus. Das Unternehmen florierte schon bald. So folgten weitere, schnell aufeinander, vorerst alle in Norditalien. Inzwischen sind es insgesamt 19, davon neun in Tokio und eines in New York. Seit ein paar Wochen hat auch Rom seinen Megastore für Gourmets – in einem postmodernen Bau mit lichtdurchfluteten gläsernen Arkaden, abseits vom chaotischen Verkehr der antiken Via Ostiense. Das gigantische Gebäude hat man 1990 anlässlich der Fußballweltmeisterschaften als Air Terminal mit Direktverbindung zum Flugplatz Fiumicino errichtet.

Jahrelang stand das Bauwerk vergeblich zum Verkauf – und verkam. Ferretti ergriff die Gelegenheit. „Es hat uns nicht behagt“, sagt der Unternehmersohn Nicola, „dass unser größter Laden in New York und nicht in Rom steht.“ So wurde Eataly Roma gleich vier Mal so groß wie der Feinschmeckertempel im Big Apple. „Es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt“, sagt Farinetti mit Stolz.

Das Unterfangen ist ein unternehmerisches Risiko – in einer von der Krise geschüttelten Stadt. Denn der Mann aus dem Piemont, einer Region, die für ihre exzellente Küche bekannt ist, hat sich ein hochgestecktes Ziel gesetzt: 35.000 Tagesbesucher und mindestens 6000 Mahlzeiten – und das 365 Tage im Jahr. Mit dem ambitiösen 80-Millionen-Euro-Projekt wurden über 500 Arbeitsplätze geschaffen. Als Rezept gegen die Krise. Doch während in New York der Bürgermeister Michael Bloomberg zur Eröffnung kam, blieb die Präsidentin der Region Latium, Renata Polverini, der Vorabbesichtigung fern. Farinetti nahm es mit Gelassenheit, Rom tickt eben anders als andere Städte.

17.000 Quadratmeter mit Essen

Der Standort des Slow-Food-Megamarkts in der Piazzale XII Ottobre 1492 im mittleren Süden der Stadt ist ideal, mit einem Parkplatz für 600 Autos direkt davor. Dazu die Metrostation „Piramide“ unweit der berühmten Cestius-Pyramide, die Kulturreisende auch wegen des benachbarten protestantischen Friedhofs kennen. Ein Besuch bei Eataly müsse, so Farinetti, für die jährlich an die zwölf Millionen Touristen in Rom zum Pflichtprogramm werden – wie das Forum Romanum, der Vatikan und das Kolosseum.

17.000 Quadratmeter fast nur mit Essen und Trinken der Schönheit gewidmet, wie Schilder auf allen Stockwerken verkünden. Der Schönheit der Kunst, der Musik und der Ironie. Vor allem aber der Schönheit der Nahrung – mit dem Motto: La Bellezza salverá l'Italia, die Schönheit wird Italien retten. Um sich auf den großzügig angelegten Verkaufsflächen zu orientieren, kann sich der Besucher beim Info-Point Prospekte und einen Handzettel als Wegweiser holen.

Die einzelnen Stockwerke sind nach Kategorien eingeteilt. Gleich im Parterre befindet sich neben einem Buchladen, einem Reisebüro, einer Drogerie und einer Bäckerei der Bereich Obst und Gemüse, der besonders das Prinzip von Eataly ausdrückt: Kilometer null. Was bedeutet, dass die Ware, soweit wie möglich, täglich frisch aus Latium kommt – nebenbei ein enorm kostensparender Faktor.

Culatello-Salami, Büffelmozzarella, Qualitätsschokolade, Garnelen, erlesene Öle und Weine – alles, wirklich alles ist da, insgesamt 14.000 italienische Produkte. Und ausnahmslos nur solche, die den „Slow-Food-Kriterien“ entsprechen, landen in den Regalen und auf den Speisekarten. Eataly Roma beherbergt 23 Restaurants, Bars, Wein- und Bierlokale, acht Seminarräume, zwei Kongresssäle, 40Laboratorien und zahlreiche Showküchen. Vier Etagen Verführung und Didaktik. Denn je besser man die Nahrung kennt, sagt Farinetti, desto intensiver sei das Vergnügen.

Einkaufen, essen, lernen. Der Eataly-Chef hält weiterhin stur an seiner Theorie fest, dass man auch einem breiten Publikum hochwertige Lebensmittel zu vernünftigen Preisen anbieten kann. Die Praxis gab ihm recht. Seinen 2300 Mitarbeitern gewährt er 15 Monatsgehälter. Das Umsatzziel für Eataly legte Farinetti in diesem Jahr auf ca. 300 Millionen Euro fest. 13 weitere Neueröffnungen sind in Italien, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Japan geplant.

Auf einen Blick

Eataly – alti cibiRoma

Air Terminal Ostiense, Piazzale XII Ottobre 1492, +39/06/90 27 92 01, täglich von zehn bis 24 Uhr geöffnet, Öffnungszeiten der Restaurants: meist 12–23.30h.
Erreichbar
mit der Metro (Station Piramide), dem Zug (Station Odiense) oder den Autobussen l'80, 83, 280,175, 719, 30 express (ebenfalls Station Odiense). www.roma.eataly.it/index.php

Eataly New York: 200 5thAvenue, www.newyork.eataly.it

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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