Migration

Wie die EU die Asylregeln verschärfen will

Eine Migrantenunterkunft auf der italienischen Insel Lampedusa.
Eine Migrantenunterkunft auf der italienischen Insel Lampedusa.VINCENZO PINTO
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Die EU-Staaten einigen sich auf Asyl-Vorprüfungen an den EU-Außengrenzen und auf einen verpflichtenden
Solidaritätsmechanismus - nicht alle Länder sind damit einverstanden. Fragen und Antworten darüber, was künftig mit Migranten an den EU-Außengrenzen geschehen soll.

Nach jahrelangem Ringen haben sich die EU-Staaten auf eine Verschärfung der EU-Asylregeln verständigt. Konkret ging es bei den EU-Innenministern am Donnerstag in Luxemburg um die Verteilung von Asylsuchenden in der Europäischen Union sowie um Vorprüfungen von Asylanträgen für Menschen an der europäischen Außengrenze mit geringen Chancen auf Bleiberecht. Die Pläne sollen nach Angaben der EU-Kommission auch weitreichende Kooperationsprojekte mit Nicht-EU-Ländern ermöglichen.

Der Kompromiss sieht vor allem einen deutlich rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von sechs Monaten geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Worum geht es?

Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 ist klar, dass die geltenden EU-Asylregeln überarbeitet werden müssen. Damals waren Länder wie Griechenland mit einem Massenzustrom an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig.

Wie wird mit Migranten an der EU-Außengrenze künftig umgegangen?

Kern der Reformvorschläge sind Maßnahmen, die zu einem deutlichen Rückgang des Zustroms von Menschen ohne Anrecht auf Schutz führen sollen. Wer aus einem Staat einreist, der als relativ sicher gilt, könnte künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in eine streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtung kommen. Dort würde dann im Idealfall innerhalb von sechs Monaten geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat - wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Zudem soll die Überwachung und Abschiebung abgelehnter Asylsuchender erleichtert werden, zum Beispiel, in dem mehr Daten über sie gesammelt und zentral gespeichert werden.

Können Menschen in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden?

Nach Angaben der zuständigen Kommissarin Ylva Johansson können abgelehnte Asylbewerber künftig grundsätzlich auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden. Einzige Voraussetzung soll sein, dass sie eine Verbindung zu diesem Land haben. Wie diese aussehen muss, soll im Ermessen der EU-Staaten liegen, die für das jeweilige Asylverfahren zuständig sind. Sollte die Regelung beschlossen werden, könnte damit zum Beispiel Italien über das Mittelmeer kommende Menschen nach Tunesien zurückschicken, wenn sich die Regierung in Tunis einverstanden damit erklärt. Um sie zu einer Zustimmung zu bewegen, könnte etwa finanzielle Unterstützung geleistet werden. Für den finalen Gesetzestext müssen die EU-Staaten nun in Verhandlungen mit dem EU-Parlament treten.

Um wie viele Menschen geht es?

Die Zahl der Asylanträge in der EU stieg nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie zuletzt wieder deutlich an. Im vergangenen Jahr wurden in den 27 Mitgliedstaaten nach offiziellen Zahlen 881.200 Erstanträge gestellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies ein Plus von 64 Prozent. Stattgegeben wird im EU-Schnitt nicht einmal jedem zweiten Antrag.

Wo kommen derzeit die meisten Migranten an?

Besonders betroffen ist Italien. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR wurden dort in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und haben damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.

Was soll künftig mit Schutzsuchenden passieren, denen beim Grenzübertritt Chancen auf Asyl eingeräumt werden?

Sie würden nach den derzeitigen Plänen wie bisher ein normales Verfahren durchlaufen, also in der Regel in den Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen. Wenn Länder mit einem sehr großen Zustrom an Menschen konfrontiert sind, sollen sie allerdings über einen Solidaritätsmechanismus Unterstützung von anderen Mitgliedstaaten beantragen können. Eine bestimmte Anzahl an Schutzsuchenden würde dann über einen Verteilungsschlüssel in andere Länder kommen. Staaten, die sich daran nicht beteiligen wollen, müssten für jeden nicht aufgenommenen Menschen eine Kompensationszahlungen leisten.

Muss Österreich künftig Ausgleichszahlungen leisten?

Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan. Auf die Frage, ob Österreich davon ausgenommen ist, antwortete Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): „Wir haben im letzten Jahr über 110.000 Asylanträge gehabt, wir haben beispielsweise Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze.“ Man habe auch andere solidarische Maßnahmen ergriffen, man erwarte sich auch zunehmend Solidarität von anderen, so Karner. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser äußerte sich dazu auf Nachfrage ebenfalls: „Österreich ist dabei, insofern haben sie sich zu dieser Solidarität verpflichtet.“

Von der Pflicht zur Solidarität könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.

Warum gestalteten sich die Verhandlungen so schwierig?

Grund waren unterschiedliche Interessen und Einstellungen zur Migration in den EU-Staaten. Derzeit besonders stark von Migration betroffene Länder wie Italien wollten nur dann mehr Verantwortung bei den Verfahren im eigenen Land übernehmen, wenn sie im Gegenzug deutlich mehr Solidarität anderer Länder garantiert bekommen. Ihr Druckmittel war die derzeitige Situation, in der viele Migranten nach ihrer Ankunft aus Ländern wie Tunesien einfach in andere Länder wie Österreich, Deutschland oder Frankreich weiterreisen können. Länder wie Ungarn wollen hingegen die EU-Außengrenzen am liebsten ganz dichtmachen und sich nicht an der Umverteilung von Flüchtlingen beteiligen.

Nicht unterstützt wurde die Reform bei dem Treffen von den Ländern Polen, Ungarn, Malta, der Slowakei und Bulgarien. Tschechien machte nach der Einigung deutlich, dass es sich nicht an dem Solidaritätsmechanismus beteiligen will. Polen und Ungarn hatten sich bereits in der Vergangenheit ähnlich geäußert.

Wie geht es jetzt weiter?

Der nächste Schritt sind Verhandlungen mit dem Europaparlament, das bei dem Thema ein Mitspracherecht hat. Die Gespräche sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.

(APA/dpa)

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