Anomalie mit unklaren Folgen

Die Ozeane sind heißer als jemals zuvor

Die Reduktion des Schwefelgehalts in den Schiffstreibstoffen könnte den sprunghaften Anstieg der Meerestemperaturen begünstigen.
Die Reduktion des Schwefelgehalts in den Schiffstreibstoffen könnte den sprunghaften Anstieg der Meerestemperaturen begünstigen. via REUTERS
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Seit Tagen ist die internationale Klimaforschung in Alarmbereitschaft: Die Temperatur im Atlantik ist sprunghaft in einer Weise angestiegen, die alle Extrem-Rekorde übertrifft. Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung bei GeoSphere Austria, nennt drei unterschiedliche Prozesse als mögliche Ursachen.

Der nördliche Atlantik erhitzt sich schneller als jemals zuvor. Seit April beobachtet die internationale Klimaforschung die steigende Temperatur mit Sorge, wie das englische Nachrichtenmagazin „Nature“ schon im Mai berichtet hat. Die globale Ozeantemperatur hat im April einen neuen Rekord von 21,1 Grad Celsius erreicht. Derzeit liegt die Temperatur bereits 0,2 Grad höher als im Rekordjahr 2022.

Seit vergangener Woche wird jedoch im Atlantik ein Ausschlag nach oben gemessen, der Beobachter buchstäblich sprachlos macht. Derzeit liegt die Abweichung bei knapp 1,1 Grad Celsius.

Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung bei GeoSphere Austria, vermutet auf Nachfrage der „Presse“ drei unabhängige Prozesse hinter dem sprunghaften Anstieg. Einerseits gebe es auf der südlichen Hemisphäre derzeit einen Negativrekord an Meereis. Je weniger Eis es gibt, desto mehr Wärme müssten die Meere absorbieren. Daneben befinde sich der Pazifik derzeit in einer Übergangsphase des Wetterphänomens ENSO (El Niño Southern Oscillation, Anm.). Die vergangenen drei Jahre transportierte der Meeresstrom „La Niña“ kühleres Wasser an die Oberfläche des Pazifiks. Für heuer aber wird damit gerechnet, dass das umgekehrte Phänomen, der „El Niño“, zurückkommt. Dieser bringt warmes Wasser an die Meeroberfläche. Der Pazifik gibt damit mehr Wärme in die Luft ab. Mit dem Höhepunkt des Phänomens gerechnet wird im Herbst 2023.

Maßnahme gegen Luftverschmutzung als Treiber?

Dazu kommt eine dritte Komponente, die eigentlich aus Gründen der Luftverschmutzung getroffen wurde: Seit Jänner 2020 reguliert die Weltschifffahrtsbehörde den Anteil an Schwefel in Schiffstreibstoffen. Dieser sank damit von 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent. Seither wird ein rapider Anstieg von Sonneneinstrahlung, die genau in dieser Region absorbiert wird, beobachtet. Die Aerosole in der Luft, die durch die Treibstoffe ausgestoßen wurden, hemmten die Sonneneinstrahlung und reflektierten sie Richtung Weltraum. Der „kühlende Effekt“ sei nun weniger gegeben, sagt Olefs.

Der verstärkte Treibhauseffekt - dafür verantwortlich ist die hohe Konzentration an CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre - komme nun „so richtig zu tragen“. Es sei „plausibel“, dass sich damit die Erwärmung noch rapider verstärke. Deshalb sei es so dringend notwendig, dass die globale CO2-Emission „auf Null“ gesenkt werde.

>> Zum Artikel in „Nature“

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