175 Jahre „Die Presse“

Wie man eine Zeitung über Wasser hält

Journalismus 1848. „Die Presse“ musste auch Gewinne abwerfen, sonst wäre sie für ihren Gründer uninteressant geworden.

Eine konsequente und anständige politische Linie zu haben, bedeutete für eine Zeitung noch lange nicht, dass sie finanziell Oberwasser behielt. All die Tricks, die man brauchte, um eine Zeitung zu etablieren, beherrschte man in August Zangs „Presse“ in kürzester Zeit auf vollendete Weise. Kontakte zu politisch Mächtigen waren da trotz aller Kritik an den verbohrten Konservativen zumindest nicht schädlich, auch wenn die Konkurrenz darüber schäumte und die Zeitung als „schwarz-gelbe“ Falle für die Bürger der Mitte ortete.

Ein niedriger Verkaufspreis musste sein, das hatte ja Zangs Vorbild Émile de Girardin in Paris vorgemacht. Ein Folio-Bogen (vier Seiten) um einen Kreuzer, also 30 Kreuzer monatlich und sechs Gulden jährlich, das war sensationell, zumal die Abonnementbedingungen eine Zustellung in das Haus ohne Erhöhung des Preises garantierten. Eine solche kühne, aber doch fein durchdachte Spekulation hatte in Wien noch kein anderer Herausgeber angedacht, jeder andere empfand das als Idee eines Wahnsinnigen. Der Verdacht, dass die „Presse“ über geheime Finanzquellen verfügte, die sie nicht offenlegte, war schnell da.

Auf die Unterstellung, das Blatt würde aus Regierungskreisen heimlich finanziert, reagierte man in der Zeitung sehr erbost und legte prompt eine exakte Budgetaufstellung über Papier-, Druck-, Verbreitungs- und Personalkosten vor. Die Bilanz demonstrierte, dass Österreich seine erste Massenzeitung, mit 15.000 Lesern, vorweisen konnte. Ihre Zahl war nicht abhängig von tagesaktuellen Aufregern wie bei den übrigen Druckschriften. Mag die Angabe über die Leserschaft auch etwas übertrieben gewesen sein, die Zeitung warf jedenfalls Gewinne ab.

Es war klar: Der niedrige Preis war hilfreich beim Einstieg in den Markt, man könnte ja später, wenn die Abonnenten gewonnen waren, immer noch erhöhen. Die Hauszustellung musste klaglos funktionieren, die kaiserlich-königliche Postverwaltung war da nicht immer hilfreich. Alle Verleger beschwerten sich über sie. Die Leser, waren sie erst einmal interessiert, mussten dann an die Zeitung gebunden werden, in Paris hatte man mit Fortsetzungsromanen im Feuilletonteil Erfolg gehabt. Das galt es zu übernehmen, man wählte praktischerweise gleich französische Romane in deutscher Übersetzung.

Aber auch der Verkauf auf der Straße musste funktionieren, und sei es, dass der Chef am Wiener Stephansplatz zu seinem eigenen Kolporteur mutierte. Doch er musste auch das Geschehen in der Redaktion und Druckerei kontrollieren, viele Arbeitsstunden, auch in der Nacht, fallen da an. Doch für einen, der mit der Zeitung zum reichen Mann werden wollte wie Zang, war das alles nicht zu viel. Die Personalkosten hielt er niedrig, es reichten zunächst zwei fix angestellte Redakteure, ansonsten wurde die Zeitung – es waren ja täglich nur vier Seiten im Folioformat – mit eingesandten Beiträgen freier Mitarbeiter gefüllt. Die Zeiten waren zügellos geworden, also waren alte Vorrechte und Privilegien gefallen, zum Beispiel das Inseratenmonopol der kaiserlich privilegierten „Wiener Zeitung“. Das wurde von Zang in seiner ganzen Tragweite erfasst: Wie sein französisches Vorbild wollte er den Inseratenteil ausbauen, wollte er nicht ständig mit einer negativen Bilanz kämpfen. Wegen des großen Leserkreises in den wohlhabenden konsumierenden Gesellschaftsschichten erschien die „Presse“ natürlich besonders attraktiv für Inserenten.

Sie brachte auch schnell ein Beispiel von besonders elastischer Anzeigenpolitik: Wie sehr sei doch, so ein redaktioneller Artikel, die Brennholzkalamität und die Holzverteuerung in der Wienerstadt zu beklagen. Es sei viel zu wenig bekannt, dass die städtische Gasanstalt zu billigem Preis mit Koks Abhilfe leisten könne. Die zweispaltigen Koksinserate in der Folge waren schwer zu übersehen. Man merkt: Der Herausgeber sah seine Zeitung allmählich als modernen Industriebetrieb, als geschäftliches Unternehmen, in dem kein überflüssiger Aufwand das Budget belasten sollte. Sätze wie „Meine Zeitung ist ein Kramladen, ich verkaufe Publicität!“ schadeten seinem Image enorm.

August Zang: „Ich verkaufe Publicität!

Das alles führte dazu, dass „Die Presse“ im Lauf des Jahres 1848 Gewinne abwarf. Das half ihr auch über die kritischen Oktobertage hinweg, als die Revolution militärisch niedergeschlagen wurde und ein neuer alter Restaurationskurs begann. Mit den Wochen, die ins Land gezogen waren, war der Ton der „Presse“ kühner, ironischer, selbstbewusster geworden, sie war politisch nach links geschwenkt und zog sich nun durch die liberale, antiklerikale Haltung die Feindschaft der gesamten katholischen Presse zu.

Doch die Leserschaft blieb der Zeitung treu und so wurde sie in den 1850er-Jahren trotz der geistigen Repression durch den Neoabsolutismus zum größten und einflussreichsten Journal der Monarchie. Es ging jetzt darum, eine der wichtigsten Errungenschaften der Revolution, die Pressefreiheit, gegen einen Wust von Zivilprozessen, Zensurbestimmungen, Konfiskationsdrohungen und bürokratischen Schikanen zu behaupten.

Unter diesen Begleitumständen konnte sich der Berufsjournalismus, ein Kind der Revolution von 1848, etablieren und entwickeln. In den 1860er-Jahren kam es durch gesetzliche Lockerungen zu einer richtiggehenden Gründungsmanie im österreichischen Zeitungswesen.

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

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