175 Jahre „Die Presse“

Die Anfänge der Sozialpartnerschaft

Austrian Archives / picturedesk.com
  • Drucken

Kammern. Die Sozialpartner prägten den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs bedeutend mit. Mittlerweile widmen sie sich Themenfeldern, die weit über die Gründungsidee hinausgehen.

Das Jahr 1848 war nicht nur das Geburtsjahr dieser Zeitung, auch die erste Kammer erblickte am 15. Dezember 1848 das Licht der Welt: Die erste Handelskammer wurde in Wien gegründet und unter dem Handelskammerpräsidenten Theodor Hornbostel geführt. Das Handelsministerium verfügte über die Errichtung dieser, sie sollte Unterstützung für die Regierung sein und „die Behörden über die wirtschaftlichen Entwicklungen informieren“. Aber erst als 1850 ein Gesetz für die Errichtung der Handelskammern eingeführt wurde, schwemmte eine Gründerwelle über Österreich und 60 Handelskammern wurden gebildet. Auch wenn die Kammern zum Teil aus Vereinsstrukturen entstanden, waren sie von Beginn an keine privaten, sondern gesetzliche Interessenvertretungen und damit Teil der Hoheitsverwaltung. Bis in das Jahr 1934 waren staatsunabhängige Gewerkschaften erlaubt. Fachorganisationen innerhalb einer Branche waren nicht in die Kammern integriert – sie waren regional aufgestellt, im Allgemeinen sehr zersplittert und konnten das Gesamtinteresse der betreffenden Branchen nicht wirkungsvoll vertreten. Diese selbstständigen Vereine bestanden auch damals schon aus parteinahen Richtungsgewerkschaften und zogen nur in Ausnahmefällen an einem Strang.

Deshalb wurden diese 1945 durch die Gründung des überparteilichen Österreichischen Gewerkschaftsbunds ersetzt. Passend dazu wurde 1920 mit dem Arbeiterkammergesetz auch die Kammer für Arbeiter und Angestellte ins Leben gerufen. 1946 wurde dann die Grundlage für die heutige Wirtschaftskammerorganisation geschaffen.

Die Herausforderungen durch die EU

Die Sozialpartnerschaft unterstützte massiv den Beitritt zur Europäischen Union und förderte die Wirtschafts- und Währungsunion. Aber durch die Globalisierung verloren die Sozialpartner teilweise ihre Geschäftsgrundlage. Die klassischen Forderungen nach einer sechsten Urlaubswoche oder flexiblen Arbeitszeiten ließen sich nicht mehr mit dem globalen Wettbewerb – in dem die Unternehmen durch den EU-Beitritt standen – vereinbaren. Zudem veränderte sich die Welt der Unternehmer: Digitale Start-ups, neue Selbstständige und befristete Arbeitskräfte ließen die Arbeitnehmer immer heterogener werden. So konzentrierten sich die Sozialpartner auch auf neue Themengebiete: Denn während zu Beginn vor allem die klassische Interessenvertretung im Vordergrund stand – die Verhandlung von Löhnen und Gehältern – hatte sich die Rolle gewandelt und es gesellten sich auch weitläufigere Themenfelder hinzu. So sind auch Preisfestsetzung, Konsumentenschutz und Bildungsthemen von den Kammern geprägt. So finanziert etwa die Wirtschaftskammer das Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) und die Arbeiterkammer das Berufsförderungsinstitut (BFI).

Ein Grund für die Themenverbreiterung ist, dass sich die österreichischen Sozialpartner in gewissen Punkten vom Rest Europas unterscheiden: Einerseits betrifft das die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft, die im Grunde alle Arbeitnehmer, Unternehmer und Landwirte umfasst. Die Pflichtmitgliedschaft in den Interessenvertretungen wurde 2007 in der Verfassung verankert. Jörg Haider war der erste Politiker, der sich öffentlichkeitswirksam gegen die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundenen Pflichtgebühren positioniert hatte.

Ein weiterer Punkt ist die enge Verbindung zwischen Sozialpartner und Regierungsparteien: Nicht ohne Grund werden die Sozialpartner oft Schattenregierung genannt. Denn wer parteipolitische Angelegenheiten im Fokus hat, trifft teilweise schlechte Entscheidungen für den Wirtschaftsstandort. Bei den beiden langjährigen Regierungsparteien in Österreich betrifft das im Fall der ÖVP den Wirtschaftsbund und die Landwirtschaftskammer, bei der SPÖ den Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer.

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

>> Hier geht es zu den Geschichten der Jubiläumsausgabe
>> Bestellen Sie ein Exemplar der Jubiläumsausgabe im Presse-Shop

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.