Grüne Gentrifizierung

Hitze in der Stadt: Wer kann es sich leisten, hier zu leben?

Wassersprüher in der Kärntnerstraße in Wien am Montag bei Temperaturen um die 34 Grad.
Wassersprüher in der Kärntnerstraße in Wien am Montag bei Temperaturen um die 34 Grad.Alex Halada / picturedesk.com
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Die Städte stehen durch die Anpassung an den Klimawandel vor einer riesigen Transformation. Was bedeutet das für ihre Bewohner? Wer kann sich noch leisten, in den „grünen“ Städten und Grätzeln zu leben?

Will man in Wien einen Blick in die Zukunft werfen, man muss nur in den Siebenten gehen. Neubaugasse, Zollergasse, eine Straße und Gasse nach der anderen wurde hier schon umgebaut, helle Pflaster, Pflanzen, Bäume, die zwar noch wachsen müssen, aber dank des komplexen Schwammstadtprinzips zur natürlichen Bewässerung große Kronen bilden sollen. Dazu diverse Wasserstellen, Nützlingsweiden, Nistkästen, und mit einem Projekt nach dem anderen will der Bezirk zu einem Parade-Ort des Lebens in einer dicht bewohnten, aber an die Folgen des Klimawandels angepassten Stadt werden.

Aber wer kann sich leisten, hier zu leben? Attraktive, neu gemietet oder gekaufte Wohnungen zählen zu den teuersten der Stadt. Und nicht nur hier sind es gerade die attraktiven, teuren Viertel, in denen Maßnahmen zur Klimawandel-Anpassung getroffen werden (bzw. bereits wurden). Schließlich herrscht seit Jahren Konsens, wie Städte in Zeiten der Klimakrise zu gestalten sind: Mehr Begrünung, Bäume, mehr Schatten, Wasser, helle Straßenbeläge, weniger Parkraum, usw. Aber während an vielen Orten derart umgebaut wird, stellt sich zunehmend die Frage: Gibt es so etwas wie eine Grüne Gentrifizierung? Werden Stadtquartiere durch Maßnahmen gegen Hitze so aufgewertet, dass es zu Verdrängungseffekten kommt? Bleiben Ärmere in heißen, zugepflasterten, von Verkehr betroffenen Gegenden in unsanierten, ungekühlten Wohnhäusern der Hitze ausgesetzt, während Reichere am grünen Stadtrand oder in den luftig-durchgrünten Innenstadt-Grätzeln leben?

Thomas Thaler, Wissenschaftler am Institut für Landschaftsplanung der Boku, im Josef Strauß Park in Wien-Neubau.
Thomas Thaler, Wissenschaftler am Institut für Landschaftsplanung der Boku, im Josef Strauß Park in Wien-Neubau.Jana Madzigon

Diese Frage, jene nach den sozialen Folgen der Klimakrise, stellt sich Thomas Thaler – hier am Bild im Josef-Strauß-Park zu sehen, seit Jahren. Er ist Wissenschaftler am Institut für Landschaftsplanung der Boku, aktuell leitet er das Forschungsprojekt Sensus (The social equality of Nature-based Solutions to urban heat stress), das vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds gefördert wird, und an dem auch GeoSphere Austria oder die TU beteiligt sind. Worum geht es?

„Wir haben zwei große Probleme: In der Stadt bilden sich Hitzeinseln, in diesen leben überproportional sozial schwächere und ärmere Gruppen. Seit Jahren lautet die Antwort auf dieses Problem: ,Man muss Grünraum schaffen, weil sich diese Menschen keine Klimaanlagen leisten können.‘ Jetzt sehen wir: Das kann zu einem Trade-off, einem Zielkonflikt, führen. Die Mieten und Immobilienpreise steigen, die betroffenen Gruppen ziehen weg, in eine neue Hitzeinsel“, sagt Thaler.

Nur so viel Grün, wie sein muss

In den USA etwa seien diese Effekte deutlich zu sehen. In Österreich, so Thaler, sehe man das bisher vor allem im Bereich der energetischen Sanierung. Wird ein Haus saniert, steigen die Mieten, frühere Bewohner ziehen aus, obwohl Betriebs- und Energiekosten geringer würden.

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