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Die letzte Käufergeneration?

Chateau de la Roche: Sogar in New Jersey kein Understatement-Bau.
Chateau de la Roche: Sogar in New Jersey kein Understatement-Bau. christiesrealestate.com
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Luxusimmobilien. In den USA suchen die Babyboomer nach Wow!-Anwesen – nicht nur für sich.

Beschäftigt man sich mit dem US-Immobilienmarkt, findet man nicht nur andere Maße und englische Vokabeln vor – sondern auch Phänomene, die der österreichische Markt nicht kennt. Etwa das „Starter Home“: Das erste Haus für junge Menschen, um sieben oder acht Jahre darin zu leben, um dann auf ein schöneres, größeres „upzugraden“ – das manchmal „Forever Home“ genannt wird. Oder auch nicht. Denn „Living in America“ beinhaltet traditionell weder besondere Standorttreue noch die Devise „Man baut nur einmal im Leben“.

Noch für 2022 wies die US-Maklervereinigung NAR (National Association of Realtors) eine durchschnittliche Wohndauer von zehn Jahren pro Haus aus – für Eigentum. Danach zog man entweder in ein besseres Haus, dem Job hinterher, näher an die Familie – oder im High-End-Segment in das noch luxuriösere Anwesen, das neben dem Tennisplatz auch noch den Heli-Pad hatte.

„Forever Home“ boomt

Mittlerweile ist die Karawane von Haus zu Haus allerdings doch ein wenig ins Stocken geraten, weiß Paul Benson, Mitbegründer und CEO der Engel & Völkers Gestalt Group mit 40 Standorten in Utah, Kalifornien, Nevada, Arizona, Colorado, Washington und Idaho. „Zum allerersten Mal sind Häuser gefragt, die sich an die nächste Generation und vielleicht sogar die Enkelkinder weitervererben lassen“, berichtet er.

Was unter anderem mit einer statistischen Veränderung auf dem US-Immobilienmarkt zu tun hat. Denn hier haben plötzlich die Babyboomer wieder die Lufthoheit, „und die wollen mehr Häuser akquirieren, weil sie das Gefühl haben, dass sie die letzte Generation sind, die sich noch Eigentum leisten kann“.

Auch die Zahlen der NAR zeigen einen drastischen Wechsel: Hatten die Millennials den Markt seit 2014 dominiert, sank ihr Anteil von 43 Prozent im Jahr 2021 auf 28 Prozent 2022. Die Boomer – Käufer zwischen 58 und 76 Jahren – legten in der Zeit von 29 auf 39 Prozent zu. Und sind diejenigen, die am längsten bleiben: Sie planen, rund 20 Jahre in einem Haus zu wohnen, während Millennials sich dort eher für zehn Jahre sehen; die Generation Z, die den Millennials nachfolgt, dagegen für 19 Jahre.

„Die Babyboomer haben wieder die Oberhand im Häusermarkt“, sagt Jessica Lautz, Vizepräsidentin der Forschungssektion in der NAR. „Die große Mehrheit unter ihnen kauft nicht zum ersten Mal ein Haus und hat daher Kapital für ein Traumhaus als jenen Ort, an dem sie ihre Pension verbringt, näher bei der Familie lebt.“ Oder gleich mit dieser. Denn der Luxus dieser Schicht liege weniger in goldenen Wasserhähnen und Ähnlichem, sondern in einer gewissen Autarkie, mit der man sich und der Familie einen sicheren Zufluchtsort schaffe – komme, was da wolle.

Entertainment-Landschaften

„Die Menschen sind immer noch angeschlagen von den Lockdowns“, ist Benson überzeugt. „Und diejenigen, die das entsprechende Geld haben, wollen einen schönen Ort für alle Eventualitäten.“ Was bereits mit der Wahl der Location anfängt. Ähnlich wie in Kitzbühel können sich die Makler in den Hotspots der Rocky Mountains kaum vor Anfragen retten. „Unser Inventar ist auf einem Rekordtiefstand“, verrät der Makler, der selbst in Park City lebt – das sich mit dem Arlberg vergleichen lässt, wenn Aspen das Kitzbühel der Rockies ist. „Viele Menschen verlassen die Städte, und wollen in den Bergen ein absolut spektakuläres Zuhause errichten“, erzählt er.

Wobei spektakulär wirklich spektakulär in jeder Hinsicht meint. Nicht nur, was Architektur und Materialien angeht, auch Aussicht und Privatsphäre müssen atemberaubend sein. Und die Möglichkeiten, sich mit der ganzen Familie prächtig die Zeit zu vertreiben auch. „Das beginnt mit gleich mehreren Game-Rooms auf der unteren Ebene – die wir natürlich niemals Keller nennen dürfen“, berichtet Benson mit einem Lachen. „Geht weiter über ein Heimkino, einen Weinkeller, der alle Stückchen spielt, bis zur Bowlingbahn“, fährt der Makler fort, der vergangene Woche ein Anwesen für 42 Mio. Dollar (gut 38 Mio. Euro) verkauft hat – mit Bowlingbahn sowie Indoor-Basketballfeld. Auch die Wellnessbereiche gehen bei den neuen lockdowntauglichen Familiensitzen weit über Pool, Sauna, Fitness hinaus. „Die sollen möglichst einen Salzraum haben, ein Tauchbecken und natürlich alles, was man vom Hotel-Spa kennt.“

Selbiges gilt auch für die Küchen, die nun die Anforderungen echter Profiköche erfüllen müssen. „Die Celebrities und Milliardäre wollen zwar so gut essen wie im besten Restaurant, aber dafür lieber einen Koch anheuern, der für sie und ihre Familien und Freunde bei ihnen zu Hause kocht“, weiß der Makler. „Da reden wir von Küchen auf einem ganz neuen Level, in Kombination mit Weinkeller, Kräutergarten und natürlich den allerneuesten Küchengeräten.“

Anforderungen, die die Luxushäuser immer öfter nicht nur in den Bergen, sondern auch an den Stränden und am Land erfüllen müssen, wie ein Blick in die Portfolios der Luxusmakler zeigt. So bietet etwa Christie‘s International Realty in New Jersey das „Chateau de la Roche“ an. Das zwar gerade einmal sechs Jahre alt ist, aber mit seiner geschwungenen Auffahrt, Türmchen und Säulen das verströmt, was man sich in New Jersey – das nicht gerade für seine Liebe zum Understatement bekannt ist – unter einem noblen Familiensitz vorstellt. Auf einem Hektar innerhalb einer gesicherten Anlage gelegen, sorgen hier um umgerechnet gut 20 Millionen Euro hohe Decken, Kristallluster und Freitreppen für ein Ambiente zwischen Großbürgertum und Adel, das durch vergoldete Stuckleisten, Parkettböden und eine Mahagonibibliothek unterstrichen wird.

Im Speisesaal finden auch große Gesellschaften Platz, und die Butler-Pantry gleich nebenan erleichtert dem Personal das Servieren der daheim gekochten Speisen. Im „Boden Level“ – wir erinnern uns: „Sage niemals Keller zu ihm!“ – wirbt das Exposé dann mit dem gefragten „Entertainment-Bereich“: Dazu gehören Gym, Pool und Sauna, warme und kalte Tauchbecken, ein Billardbereich, ein Pub mit Bieren vom Fass, ein Heimkino mit 15 maßgefertigten Ledersesseln, ein temperierter Weinkeller für 2000 Flaschen, die Personalunterkünfte und ein Panikraum.

Nachhaltigkeit im US-Stil

Ein ähnlich großes Thema beim Forever Home für die ganze Familie spielen neben der Versorgung mit Annehmlichkeiten und der Zerstreuung auch die Umweltbedingungen. Allerdings in etwas anderen Zugängen als in Mitteleuropa, denn beim Bau spielen diese derzeit noch keine besondere Rolle. „Es bauen zwar immer mehr Entwickler nachhaltig“, weiß Benson, „aber auf den Kunden, der mich fragt, was für eine Isolierung verwendet wurde, warte ich noch.“

Entsprechend bewegt sich vieles in eher sehr kleinen Schritten: So gibt es zwar mittlerweile bei jedem Parkplatz – auch denen für die Gäste natürlich – eine Ladestation für E-Autos, „der Heli-Landeplatz ist trotzdem niemandem peinlich, schließlich dient der ja dazu, dass man schneller in die bessere Luft kommt“, erzählt der Makler und lächelt dabei. Gefragt sind dagegen Hightechsysteme, die dafür sorgen, dass diese gute Luft auch im Haus zu atmen ist: Begeistert wird für alles gezahlt, was die Luft- und Wasserqualität erhöht, besonders gefragt sind Systeme, die durch künstliche Intelligenz „lernen“, welche Körpertemperaturen die Bewohner haben, wer es gern warm oder kühler mag.

Mit Angeboten wie diesen lassen sich die neuen Wünsche auch der sehr Reichen erfüllen – allerdings nicht so leicht, wie man bei deren Budgets vermuten könnte. „Inzwischen reicht es für diese Immobilen nicht mehr, einfach nur ein Fernsehstar zu sein“, berichtet Benson, vielmehr müsse man für die echten Traumimmobilien schon eine „Super Celebrity“ sein. Und selbst dann ist man vor Konkurrenz nicht gefeit: „Vor drei bis vier Jahren hatten wir noch viele Kunden, die Schauspieler oder Sportler waren. Aber inzwischen werden die Prominenten von den Milliardären überboten.“

US-Luxusimmobilien

Der Markt für amerikanische Traumhäuser ändert sich: Gefragt sind neben autarken Rückzugsorten – mit Heli-Platz, Pool und Koch – auch nachhaltige Technik und – zaghaft – Baumaterialien. Fotos: www.diepresse.com/immobilien

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

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