Leitartikel

Das ewige Märchen von der schützenden Neutralität

In der Neutralitätsdebatte wimmelt es noch immer vor Halbwahrheiten und unbelegten Glaubenssätzen. Das wird schön langsam zum Sicherheitsproblem.

Nach Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine stellten einige wenige Österreichs Bündnispolitik infrage. Sie sagten: Die Neutralität schützt nicht mehr. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Neutralität hat nie geschützt. Sobald der Kalte Krieg heiß geworden wäre, wäre das freundlich-neutrale Österreich nicht respektvoll umkurvt, sondern schamlos überrannt worden. Die Pläne dafür lagen schon in der Schublade. Im Bundesheer wussten sie das zwar immer. Aber im kollektiven Gedächtnis der Nation ist für solche historische Fakten kein Platz. Dort hält sich der Irrglaube, dass die Neutralität alles Unfriedliche auf wundersame Weise abgehalten hat.

Dass sich die Österreicher bald mit wehenden Fahnen in die Nato begeben, ist so wahrscheinlich wie der Aufbau einer schlagkräftigen EU-Armee: Es wird nicht passieren. Auch deshalb nicht, weil es hierzulande nie eine Debatte über Vor- und Nachteile der Neutralität gab, wie sie andere Staaten vorexerziert haben. Aber vor allem, weil in Österreich noch immer die alten Kräfte wirken, die das Land in neutralen Bahnen halten - vom latenten Antiamerikanismus in fast allen politischen Lagern bis zur Ablehnung von allem Militärischen, die sich historisch nachvollziehen lässt und auch sympathisch erscheinen mag, aber in diesen Zeiten auch gefährlich naiv ist.

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