Warten auf „Peak Oil“

Die Welt kauft Öl wie nie zuvor

Die wichtigsten Treiber der Entwicklung sind die Schwellenländer, allen voran China. Im Bild eine Ölplattform 200 Kilometer südlich von Shenzhen.
Die wichtigsten Treiber der Entwicklung sind die Schwellenländer, allen voran China. Im Bild eine Ölplattform 200 Kilometer südlich von Shenzhen.Mao Siqian Xinhua
  • Drucken

Trotz Wirtschaftsflaute und hoher Zinsen steigt die globale Nachfrage nach Öl auf einen neuen Rekord.

Wien. Rapide steigende Zinsen, ein holpriges Comeback der chinesischen Wirtschaft und breite Rezessionsangst in den westlichen Industrienationen. An sich wäre das der klassische Cocktail für einen Rückgang der globalen Ölnachfrage – zumal der Abschied von dem klimaschädlichen Brennstoff ja in weiten Kreisen ohnedies als beschlossene Sache gilt. Doch 2023 ist das Gegenteil der Fall. Obwohl sich die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusehends verschlechtern, wird die Welt heuer so viel Erdöl kaufen wie nie zuvor, erwartet die Internationale Energieagentur (IEA). Nach drei Jahren pandemiebedingtem Rückgang dürfte der Verbrauch demnach auf 102,1 Millionen Fass Erdöl (159 Liter) am Tag klettern. Das sind zwar um 220.000 Fass am Tag weniger als zuletzt erwartet, aber immer noch deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Das zeigt die Trägheit des fossilen Wirtschaftssystems deutlich: Das Erdölzeitalter mag zwar dem Ende zugehen, vorbei ist es definitiv noch nicht.

Die wichtigsten Treiber dieser Entwicklung sind die Schwellenländer, allen voran China, der weltgrößte Importeur des schwarzen Goldes und der zweitgrößte Ölverbraucher nach den Vereinigten Staaten von Amerika. 70 Prozent des gesamten heurigen Wachstums der Ölnachfrage entfallen auf die Volksrepublik, deren Wirtschaft sich immer noch müht, nach der Corona-Zwangspause wieder auf die Beine zu kommen. Im vergangenen Monat hat Peking dennoch so viel Öl importiert wie seit drei Jahren nicht. Auch Staaten wie Indien kaufen derzeit zu wie lang nicht. In den reichen Industrienationen des Westens nimmt die Nachfrage hingegen eher ab. Europa braucht heuer etwa weniger Erdöl als vor drei Jahren.

Global gesehen dürfte die Nachfrage aber noch ein paar Jahre steigen, wobei sich das Tempo schon 2024 halbieren dürfte, erwartet die IEA. Spätestens ab 2028 soll „peak oil demand“ erreicht sein. Im klassischen Straßenverkehr sollen die Fossilen jedoch bereits 2026 ihren Höhepunkt überschritten haben.

Saudis verlieren ihren Thron

Für Rohstoffhändler an den Börsen sind diese Zeitspannen freilich viel zu lang. Sie reagieren mit Erleichterung auf die weiter stabile Nachfrage im heurigen Jahr. Die Rohöl-Futures der Marke Brent waren am Mittwoch in London erstmals seit zwei Monaten über die Marke von 80 US-Dollar pro Fass geklettert. Für Beruhigung sorgte auch die Abkühlung der Inflation, die Druck von den Notenbanken nimmt, weitere Zinserhöhungen durchzuführen.

Die Fördermenge ist zuletzt um 480.000 Fass auf 101,8 Millionen Fass Öl am Tag gestiegen. Das könnte sich jedoch bald ändern, wenn Saudiarabien in diesem Monat seine Produktion wie angekündigt um eine Million Fass am Tag drosselt. Dieser Schritt dürfte das Königreich seine Rolle als größter Ölproduzent in der Opec+-Allianz kosten, erwarten Analysten. Der Golfstaat fährt seine Produktion seit Monaten zurück, um die niedrigen Ölpreise anzukurbeln. Erst ein Ölpreis von 80 Dollar je Fass ist genug, um den saudischen Staatshaushalt auszugleichen und aufwendige Infrastrukturprojekte zu finanzieren, schätzen Beobachter. Die Rolle als größter Ölproduzent bei Opec+ könnte damit just Russland zufallen. Auch Moskau hatte sich ursprünglich verpflichtet, seine Ölproduktion zu drosseln, die Kürzungen bisher aber stets hinausgezögert.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.