Forschungsfrage

Wie sind Familiennamen entstanden?

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Archivbild.Karl Thomas
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Gruber, Huber, Wagner, Müller: Namen leiten sich oft von Orten, Berufen oder anderen Eigenschaften ab.

Familiennamen sind nicht zuletzt eine Folge des Bevölkerungswachstums. Bis zum Mittelalter ließen sich die Menschen noch mittels Rufnamen identifizieren, also dem Vornamen, mit dem jemand angeredet wird. Um Verwechslungen zu vermeiden, kam es zu Beinamen: Giselher, der Gruber, könnte jemanden bezeichnet haben, der in einer Grube oder in einem Ort namens Grub wohnte. Hardt, der Huber, einen Bauern, der eine Hube und damit ein Erblehen besaß.

„Sobald Beinamen vererbt werden, erfüllen sie die Funktion eines Familiennamens“, erklärt Ilse Reiter-Zatloukal, Rechtshistorikerin am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien. „Sie wurden auch eingeführt, um Rechtssicherheit bei Geschäften zu ermöglichen.“ Die Beinamen wurden entweder vom Rufnamen abgeleitet oder etwa vom Herkunftsort (Wiener), dem Beruf (Fleischhacker), der Wohnstätte, etwa an einem Bach (Bachler), speziellen Eigenschaften (Lang) oder dem Amt (Richter) gebildet.

„Bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging man recht flexibel mit den Namen um und veränderte die Namen und deren Schreibweise immer wieder“, sagt Reiter-Zatloukal. Unter Joseph II. sei jedoch die obrigkeitliche Bevölkerungserfassung vorangetrieben worden, um effizient Steuerlisten führen und Soldaten rekrutieren zu können.

Einheitliche Regelung ab 1786

1776 wurde die willkürliche Namensänderung verboten und 1786 die erste einheitliche Regelung für Familiennamen getroffen. Seit 1787 musste beispielsweise auch die jüdische Bevölkerung in Galizien einen Familiennamen annehmen. „Wer noch keinen hatte, durfte ihn selbst wählen“, erklärt die Forscherin. Nur wenn dies nicht geschah, wurde amtlicherseits ein Familienname zugewiesen.

»„Bis 1975 waren Ehefrauen gezwungen, den eigenen Namen aufzugeben.“«

 Ilse Reiter-Zatloukal

Uni Wien

„Frauen hatten unter Kaiserin Maria Theresia noch das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie mit der Eheschließung den Namen ihres Mannes annehmen wollten,“ sagt Reiter-Zatloukal. „Das änderte sich 1812 mit der Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, das den Namen des Mannes als Familiennamen festlegte. Bis 1975 waren Ehefrauen daher gezwungen, den eigenen Namen zugunsten des Namens des Ehemannes aufzugeben,“ so Reiter-Zatloukal. „Seit der Broda‘schen Familienrechtsreform durften sie ihren Geburtsnamen wenigstens mit Bindestrich anfügen.“ Inzwischen hat sich das Namensrecht in Österreich schrittweise liberalisiert. 1995 endete zwar der Zwang, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen, allerdings blieben gemeinsame Doppelnamen verboten.

Seit 2013 frei wählbar

Seit 2013 dürfen Familien ihre (Doppel-)Namen frei wählen und selbst entscheiden, welchen Familiennamen die Kinder führen. Bei den seit 2010 möglichen Verpartnerungen musste der Verfassungsgerichtshof einschreiten, um die Diskriminierung zu beenden, die sich daraus ergab, dass bei Doppelnamen von Verpartnerten kein Bindestrich gesetzt werden durfte. „Das kam einem Zwangsouting gleich und war reine Schikane“, urteilt Reiter-Zatloukal. Das aktuelle Namensrecht hält sie im Wesentlichen für diskriminierungsfrei.

Trotz aller Freiheiten: Gruber, Huber, Wagner, Müller sind die häufigsten Familiennamen in Österreich.

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