Die US-Investmentbank Goldman Sachs hatte seit 2009 dutzende Treffen mit deutschen Regierungsvertretern. An Regierungsbeschlüssen sei die Bank aber nicht beteiligt gewesen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat einer Aufstellung des deutschen Finanzministeriums zufolge in dieser Wahlperiode so viele Gesprächskontakte mit der Berliner Regierung gehabt wie kein anderes Geldinstitut. Aus der am Mittwoch bekannt gewordenen Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke geht hervor, dass seit Ende Oktober 2009 alleine der Goldman Sachs-Partner Christoph Brand 48 Termine mit Regierungsvertretern hatte.
Dagegen kam Commerzbank-Chef Martin Blessing, an dessen Institut der Bund mit 25 Prozent beteiligt ist, lediglich auf 17 Gesprächskontakte. Intensive Kontakte in die Regierung pflegten auch die Deutsche Bank und andere Großinstitute wie die Schweizer Credit Suisse.
"Nicht an Beschlüssen beteiligt"
In der Antwort der Regierung heißt es, an Beschlüssen der Regierung seien die Banker "nicht beteiligt gewesen". Auch in Entscheidungen der Bankenaufsichtsbehörde BaFin seien sie nicht eingebunden worden. Die Kontakte von Ministern, Parlamentarischen Staatssekretären oder beamteten Staatssekretären mit Bankern seien "aufgabenbedingt" erfolgt.
Das Hauptquartier von Goldman Sachs ist in einem bräunlichen Betonblock aus den 1980er Jahren untergebracht. Touristen übersehen das Gebäude auf dem Weg zur New Yorker Börse leicht. Nicht einmal ein Firmenlogo prangt an der Fassade.Doch der Schein trügt: Von der 85 Broad Street aus zieht die Bank ihre Fäden. Sie ist DER Profiteur der Finanzkrise, ihre Verbindungen reichen bis zur hohen Politik. Goldman Sachs ist ein Machtfaktor, an dem niemand vorbeikommt.Im folgenden ein Porträt des "vampirartigen Tintenfischs", wie das US-Magazin "Rolling Stone" die Bank bezeichnet. (c) Reuters (Joshua Lott)
Goldman Sachs wird an der Wall Street gern auch als Goldmine Sachs bezeichnet."Was ist der Unterschied zwischen Goldman Sachs und Tansania (im Bild)?", fragte das britische Blatt "The Guardian" vor Jahren. "Das eine ist ein afrikanisches Land, in dem sich 25 Millionen Menschen 2,2 Milliarden Dollar teilen, das andere ist eine Investmentbank, in der sich 161 Menschen 2,6 Milliarden Dollar teilen." (c) EPA (Sarah Elliott)
In den Vereinigten Staaten kursieren hartnäckige Verschwörungstheorien, wonach Goldman Sachs wegen der politischen Ämter ehemaliger Mitarbeiter Vorteile erhält - in diesem Zusammenhang ist von "Government Sachs" die Rede.Der 2008 bei der Rettungsaktion für AIG involvierte damalige Finanzminister Henry Paulson etwa war lange Jahre Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs. (c) EPA (Shawn Thew)
Vermittelt wurde die Nominierung von Paulson zum Finanzminister von Josh Bolten, Stabschef im Weißen Haus. Auch er ist ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs. (c) AP (J. Scott Applewhite)
Es war Finanzminister Paulson, der den Goldman-Konkurrenten Lehman Brothers am 15. September 2008 in die Pleite schlittern ließ und die Finanzwelt damit an den Rand des Abgrunds brachte.Goldman profitierte vom Tod des Konkurrenten: In Folge konnte die Kundenbasis deutlich verbreitert werden. (c) EPA (Peter Foley)
Kurz nach der Lehman-Pleite entschied Paulson, den Versicherungsriesen und wichtigen Goldman-Geschäftspartner AIG aufzufangen. (c) AP (Mark Lennihan)
Als neuer AIG-Chef wurde von der Regierung Edward Liddy eingesetzt, der davor im Verwaltungsrat von Goldman saß.Dank der staatlichen Milliardenhilfen konnte AIG die Ansprüche seiner Geschäftspartner wieder befriedigen. Nach monatelanger Weigerung wurde bekannt: Goldman Sachs hatte mit 12,9 Milliarden Dollar den Hauptanteil erhalten. (c) Reuters (Jason Reed)
Der ehemalige US-Finanzminister Timothy Geithner (Jänner 2009 bis Jänner 2013) kam zwar nicht von Goldman, begann seine Karriere aber als Schützling von Robert Rubin, der unter US-Präsident Bill Clinton als Finanzminister diente. Auch Rubin ist ein ehemaliger Goldman-Vorstand. (c) AP (Susan Walsh)
Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz nennt das die Politik der "amerikanischen Drehtür"."Die Leute gehen von der Wall Street ins Finanzministerium und dann zurück an die Wall Street", kritisiert er. Eine wirkliche Reform der Finanzwelt sei da praktisch unmöglich. (c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
Doch auch in der Euro-Krise beeinflusse Goldman Sachs die Politik, sagen Kritiker. Der Grund: EZB-Chef Mario Draghi war von 2002 bis 2005 Vizechef der Investmentbank. Italiens ehemaliger Regierungschef Mario Monti wurde 2005 zum internationalen Berater der Bank. (AP Photo / Yves Logghe)
Der Erfolg zieht auch Neid nach sich. "Goldman gewinnt immer", klagt der Manager einer Wall Street-Bank auf "Spiegel Online": "Wir hassen Goldman". (c) AP (Manuel Balce Ceneta)
Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman wirft der Bank vor, erst Geld mit dem Verkauf der verbrieften Subprime-Hypotheken gemacht zu haben, um dann auf fallende Kurse dieser Ramschpapiere zu setzen."Im Endeffekt hat Goldman Gewinne gemacht, indem die Bank uns alle für dumm verkauft hat", schreibt Krugman in der "New York Times". (c) Reuters (Chip East)
Das "Wall Street Journal" kritisiert, dass Goldman "das beste beider Welten" genieße: Die hohen Profite und den Steuerzahler als Rückhalt.Das US-Magazin "Forbes" forderte daher eine Aufspaltung der zu groß und mächtig gewordenen Bank. (c) AP (Mark Lennihan)
Goldman-Chef Lloyd Blankfein hatte daher eine Image-Kampagne gestartet, die ihn als reuigen Sünder zeigen sollte. Nachdem er kurz vorher noch geprahlt hatte, "das Werk Gottes" zu verrichten, räumte er im Jahr 2010 eine Mitschuld an der Krise ein.Bloß glaubte ihm das niemand. (c) Reuters (Chip East)
Zeitweise schien es, als werde es für Goldman Sachs immer enger. Ein 639 Seiten langer Senatsbericht aus dem April 2011 war gespickt mit Vorwürfen, die Bank habe sich in der Finanzkrise auf Kosten seiner eigenen Kunden bereichert und "dreckige Geschäfte" gemacht. Doch die Justiz fand "keine brauchbare Basis", um strafrechtlich gegen Goldman vorgehen zu können. "Wir sind glücklich, dass diese Sache hinter uns liegt", erklärte die Investmentbank. Sie muss wegen ihrer Geschäfte zu Zeiten der Finanzkrise keine Strafverfolgung mehr fürchten. EPA/JUSTIN LANE
Der ''vampirartige Tintenfisch''
Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, hat nach Bekanntwerden der zahlreichen Kontakte Kritik geübt. Sie fordert mehr Informationen, um die Bedeutung der Gesprächstermine besser einschätzen zu können, berichtete das "Handelsblatt" am Mittwoch vorab.
Laut der Aufstellung, die nach der parlamentarischen Anfrage der Grünen erstellt wurde, pflegte vor allem der Staatsminister Eckart von Klaeden engen Kontakt mit Goldman-Sachs-Manager Brand. Zwischen dem 5. November 2009 und dem 31. Oktober 2012 fanden allein zwischen diesen beiden 23 Gespräche statt. Darüber hinaus hatte Brand aber auch Treffen mit Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Kapferer, zehn Termine mit dem früheren Finanzstaatssekretär und heutigen EZB-Direktor Jörg Asmussen und zwei Vier-Augen-Begegnungen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble. Darüber hinaus war Brand am 16. März 2011 bei einem Treffen von Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein mit Schäuble dabei.
Mit Merkel nach Afrika
Beste Kontakte in die Regierungsspitze pflegten auch die Chefs anderer großer Geldhäuser. So begleitete Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Juli 2011 auf eine Afrika-Reise und war ein Jahr später bei einem Besuch in Italien mit dabei, außerdem begleitete er Merkel im November 2012 nach Portugal. Zudem traf sich sein Co-Chef Anshu Jain zwei Mal mit Merkel, einmal alleine und einmal zusammen mit seinem Kollegen Fitschen.
Commerzbank-Vorstandvorsitzender Martin Blessing war im Juli 2010 mit Merkel in Russland und China, wohin er Merkel im Februar 2012 ein zweites Mal begleitete. Vermerkt sind außerdem sechs Gespräche mit Finanzminister Schäuble und mehrere weitere Treffen mit Schäuble, an denen auch Vertreter anderer Banken teilnahmen. Jain schaffte es dagegen bisher nur auf zwei Treffen mit Schäuble. Deutsche Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner sprach zwischen Juni 2012 und Januar 2013 vier Mal mit Schäuble.
Insgesamt listet die Regierung in der 34-seitigen Antwort noch Dutzende weitere Termine von Regierungsvertretern mit Banken auf, darunter Empfänge, Vorträge und Abendessen sowie Teilnahmen an Sommerfesten von Bankenverbänden.