Morgenglosse

Asylzahlen auf der schiefen Ebene

„Erfolgreiche Asylpolitik“: ÖVP-General Christian Stocker
„Erfolgreiche Asylpolitik“: ÖVP-General Christian StockerHelmut Fohringer
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Die ÖVP verkauft die neuen Asylzahlen als „Erfolg“. Das kann man so sehen – muss man aber nicht.

Man bekommt als Politiker in Zeiten wie diesen nicht alle Tage die Gelegenheit, das eigene Tun als langfristigen Erfolg darzustellen. Also sprach Christian Stocker, Generalsekretär der ÖVP: „Die Asylstatistik vom 1. Halbjahr ist ein stichhaltiger Beweis für die erfolgreiche Asylpolitik von Kanzler Karl Nehammer. Denn: Eine Reduktion der Anträge um knapp ein Drittel im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 ist ein Faktum, und kann nicht von Populisten und Extremisten ignoriert werden.“

Das mag durchaus sein; ignorieren kann man aber auch nicht, dass die Asylantragszahlen mit 22.990 immer noch weit über dem Schnitt „normaler“ Jahre sind, wie man in der Volkspartei neuerdings sagen würde. Im ersten Halbjahr 2021 waren es ungefähr halb so viele wie heuer; 2018 waren es knapp 14.000, ein Jahr später sogar noch weniger – jeweils im ganzen Jahr, wohlgemerkt.

Bei Stocker klingt das anders: „Der Erfolg ist ebenso sichtbar, wenn die Zahlen mit unseren europäischen Partnerstaaten verglichen werden“, richtete er aus, „in Deutschland reden wir sogar von einem Plus von 82 Prozent“. Nur: In Deutschland wurden laut Asylamt im ersten Halbjahr rund 160.000 Asylanträge gestellt, also pro Einwohner immer noch deutlich weniger als in Österreich, das im Verhältnis zur Einwohnerzahl im internationalen Vergleich immer noch weit vorne liegt. Dass Innenminister Gerhard Karner am Montag nachlegte, indem er auf eine Steigerung der freiwilligen und unfreiwilligen „Außerlandesbringungen“ – sprich: Abschiebungen – verwies, wird für Fans harter Migrationspolitik auch nur ein schwacher Trost sein. Ein Großteil der Abschiebungen hatte mit Asyl nämlich nichts zu tun, sondern betraf etwa Slowaken und Rumänen.

Zur Einordnung: In einem halben Jahr kommen in Österreich im Schnitt rund 40.000 Kinder auf die Welt, im selben Zeitraum wurden also hierzulande mehr als halb so viele Asylanträge gestellt, größtenteils von jüngeren Männern. Man muss noch kein Rechtsradikaler sein, um dieses Verhältnis auf Dauer nicht ganz ideal zu finden. Bleibt es, wie es ist, wird man sich als Partei, die vor mittlerweile sechs Jahren durch harte Asylansagen ins Kanzleramt eingezogen ist, wohl andere Themen für Erfolgsmeldungen suchen müssen. So rar sie auch sein mögen.

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