Wer wird es? Die fünf Favoriten auf den Stuhl Petri

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wird fuenf Favoriten Stuhl(c) EPA (DANIEL DAL ZENNARO)
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Wer als Papst ins Konklave hineingehe, so heißt es, komme als Kardinal wieder heraus. Unter den "Papabili" hat sich Mailands Kardinal Angelo Scola als aussichtsreichster Anwärter herauskristallisiert.

Der Kamin auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle ist installiert, in der in der nächsten Woche schwarzer und weißer Rauch aufsteigen wird – ein Blickfang für die Weltöffentlichkeit. Nach einem Gottesdienst zum Auftakt wird sich am Dienstagnachmittag das Kardinalskollegium in die prachtvolle, von Michelangelo-Fresken dekorierte Kapelle im Vatikan zurückziehen, um einen neuen Pontifex aus ihrer Mitte zu erwählen – und den Kurs der Weltkirche neu zu bestimmen.

Handy und andere technischen Hilfsmittel sind beim Konklave zwar untersagt, in Rom schwirren derweil seit Tagen die Gerüchte. Die „Vaticanisti“, die teils selbst ernannten Vatikan-Experten, haben Hochkonjunktur. Doch wer als Papst ins Konklave einzog, so ein geflügeltes Wort, sei noch stets als Kardinal wieder herausgekommen.
Und so versuchen alle Papabili, die Papst-Favoriten, ihre Chancen kleinzureden oder ins Ironische zu wenden. Als Topfavorit und als Kompromisskandidat der mächtigen, jedoch in sich gespaltenen italienischen Kardinalsfraktion kristallisierte sich der Mailänder Kardinal Angelo Scola heraus. Dass ihn Papst Benedikt XVI. für würdig erachtet, die Nachfolge Petri anzutreten, mag Unentschlossene womöglich überzeugen. Hinter den Kulissen brachen längst Intrigen aus, der einflussreiche Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gilt als Erzrivale Scolas. Die Sehnsucht, nach dreieinhalb Jahrzehnten den „Papa“ – den Heiligen Vater – wieder nach Italien zurückzuholen, könnte sie indes einen.

Indessen schmieden die amerikanischen Kardinäle an einer antiitalienischen Allianz. Sind die „Italiener“ an einem kurzen Konklave interessiert, so plädieren die Amerikaner für ein langes Wahlprozedere.

Die „Presse am Sonntag“ stellt fünf Anwärter vor.

Marc Ouellet, 68 (Kanada), Kosmopolit und Hardliner

Es wäre ein Albtraum“, beschied Marc Ouellet im Sommer 2011 Journalisten, die ihn fragten, ob er Nachfolger von Papst Benedikt XVI. werden könnte – und ließ ein Lächeln aufblitzen. Durch seine Nähe zu Benedikt und dessen Vorgänger Johannes Paul II. wusste er um die erdrückende Verantwortung, die mit dem Papstamt verbunden ist.
Natürlich habe er das nur im Scherz gesagt, erläutert er jetzt vor dem Konklave, in das er als einer der potenziellen Nachfolger Benedikts und nach Ansicht mancher Auguren gar als Favorit geht. „Ich muss bereit sein, selbst wenn ich denke, dass andere es wahrscheinlich besser machen würden“, sagt der 68-jährige Kardinal.
Marc Ouellet kommt aus der Landgemeinde La Motte, 500 Kilometer nordwestlich von Montreal. Seine 91 Jahre alte Mutter Graziella und die 500 Bewohner des Dorfes sehen dem Ansturm von Medien aus aller Welt entgegen, sollte Ouellet zum Pontifex gewählt werden.

Würde sich das Konklave auf ihn einigen, dann käme der nächste Papst aus einer Provinz Kanadas, die sich wie keine andere von der katholischen Kirche abgewendet hat. Das Leben der Familie von Pierre Ouellet, Direktor der Dorfschule, und seiner Frau Graziella und ihren acht Kindern wurde von der Kirche geprägt. Die Kirche Saint-Luc war der Mittelpunkt von La Motte. Hier wurde Marc Ouellet 1944 geboren, er begeisterte sich für Eishockey und die Montreal Canadiens, für Fischen und Jagd.
Im Mai 1968 in La Motte zum Priester geweiht, zog es ihn in den 1970er-Jahren als Professor und Leiter von Priesterseminaren ins kolumbianische Bogotá, nach Montreal und Edmonton sowie zu Studien nach Rom. Er studierte in Innsbruck, lernte dort auch Deutsch. 1983 promovierte er in Dogmatik. 2002 wurde er Erzbischof von Québec, 2003 Kardinal. Papst Benedikt holte Ouellet 2010 als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe und Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika nach Rom.

Täglicher Rosenkranz für den Sohn. Er gilt als Intellektueller und Kosmopolit – er spricht neben Englisch, Französisch und Deutsch auch Spanisch, Portugiesisch und Italienisch, beherrscht daneben noch Latein und Hebräisch –, seine Kritiker sehen ihn als konservativen Hardliner. Als angesehener Theologe steht er dem Intellektuellen Benedikt sehr nahe. Wie früher Ratzinger sucht auch er nicht das Rampenlicht, aber er scheut nicht den Konflikt. Er sprach sich vehement gegen die Homosexuellenehe aus. Scharfe Kritik zog er sich zu, als er Abtreibung selbst nach einer Vergewaltigung der Frau ablehnte.

Ouellet ist gegen die Priesterweihe für Frauen, will Frauen aber stärkere Mitwirkung in der Kirche einräumen. Er führte Kanadas Kirche auf einen klaren Kurs bei der Bewältigung von Missbrauchsskandalen, traf sich mit Missbrauchsopfern und ihren Familien. Er entschuldigte sich für Fehler der Kirche, für Rassismus auch gegenüber den Ureinwohnern, Antisemitismus und die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen.

Mutter Graziella steht treu zu ihrer Kirche und ihrem Sohn, sie betet für ihn jeden Morgen den Rosenkranz.

von Gerd Braune (ottAwa)

Angelo Scola, 71 (Italien), Favorit der Italiener

Aus Venedig sind schon namhafte Päpste gekommen: Johannes XXIII. und Johannes Paul I. zuletzt. Beide trugen sie den für die Lagunenstadt traditionellen Ehrentitel eines Patriarchen. Aber warum ist Angelo Scola als „papabile“ erst so recht ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, als Benedikt XVI. ihn vor eineinhalb Jahren von Venedig nach Mailand versetzte?

Zum einen, weil es einen solchen Wechsel zwischen diesen beiden bedeutenden, praktisch gleichrangigen Bischofssitzen nie zuvor gegeben hatte. Zum anderen, weil die Versetzung weniger eine Beförderung darstellte als eine Inszenierung. Die Absicht des Papstes war klar: Über Scola sollte in großem Format gesprochen werden. Und drittens ließ sich Scolas Aufwertung kirchenpolitisch lesen: als Benedikts Versuch, einen Befreiungsschlag gegenüber der römischen Kurie zu vollziehen. Dass sich Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der in Italien so viele persönliche Günstlinge auf „große“ Posten geschoben hat, mit Scola nicht versteht, weiß man  seit Langem.
So dreht sich auch eines der infamsten Dokumente, die aus den „VatiLeaks“ an die Öffentlichkeit gesickert sind, um Scolas Wechsel. Von einem anonymen deutschen Muttersprachler verfasst, steht darin, der Papst, „der Bertone hasst“, habe „nur noch ein Jahr zu leben“ – der Kontext legt eine kuriale Verschwörung mit Mordabsicht nahe. Bendikt habe Scola deshalb nach Mailand versetzt, „damit dieser sich dort in Ruhe auf das Papstamt vorbereiten kann“. Im Nachhinein stellt man mit gewisser Beunruhigung fest, dass dieser Text am 10. Februar 2012 publiziert worden ist: fast exakt ein Jahr später, am 11. Februar 2013, ist Benedikt XVI. zurückgetreten.
Dass Scola Papstqualitäten hat, bezweifelt niemand: Philosoph und Theologieprofessor von Gewicht, starker Prediger, Autor zahlreicher Bücher, in der Leitung seiner mittlerweile dritten Diözese auch ein talentierter Verwalter. Scola war zudem Rektor der Lateranuniversität in Rom – die einzig wirkliche Uni „des Papstes“ –, er kennt das römische Getriebe also durchaus. Aber er war nie Mitglied der vatikanischen Kurie. Im Gegenteil: Er stand ihr immer reserviert gegenüber. Davon könnte Scola im Konklave profitieren: In diverse Skandale war er offenbar nicht verwickelt. Auf Scola könnten sich die 28 – unter sich uneinigen – italienischen Kardinäle zumindest im zweiten Durchgang der Papstwahl verständigen. Das ist eine Hausmacht.

Wichtige Netzwerke. Und dann ist Scola auch noch eingebunden in eine äußerst starke Seilschaft. Er ist sowohl Mitglied als auch Vorzeigefigur von „Comunione e Liberazione“, einer fromm-politischen Bewegung, die sich von Italien aus mittlerweile über 70 Länder verbreitet hat und  100.000 Mitglieder zählen soll. Vor allem im Norden Italiens durchzieht das Netz von „Comunione e Liberazione“ alle Bereiche des kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Engagiert hat sich Scola auch als Brückenbauer zum Nahen Osten – nicht nur zu den christlichen Minderheiten, sondern vor allem zum Islam. Seine „Stiftung Oase“ unterhält von Venedig aus Kontakte in alle arabischen Länder.

von Paul Kreiner (RoM)

Odilo Scherer, 63 (Brasilien), Saarländer aus Sao Paolo

Vorigen Sonntag haben die Gläubigen in der Kathedrale von São Paulo ihren Erzbischof zum Konklave verabschiedet. Und weil sie Dom Odilo so gern mögen, hoffen sie, dass er nicht mehr zurückkommt. Er trägt die Hoffnungen seines Landes, seines Kontinents, der halben katholischen Christenheit. Der stattliche 63-Jährige, dem seine Eltern einst den Namen Otto gaben, könnte der erste Latino auf dem Stuhl Petri werden. Er kam 1949 als siebtes von elf Kindern einer Familie zur Welt, deren Vorfahren um 1880 aus dem Saarland in Brasiliens südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul ausgewandert waren.

„Es wäre anmaßend zu behaupten, ich sei bereit“, sagte Scherer nach dem Rücktritt Benedikts. „Niemand wird sagen: ,Ich bin Kandidat‘.“ Das sagen andere, etwa Marco Politi, der legendäre „Vaticanista“ – der Vatikan-Insider der Zeitung „La Repubblica“. Angeblich habe er die Unterstützung der einflussreichen italienischen Kardinäle Angelo Sodano und Giovanni Battista Re.
Scherer bringt viel mit. Er leitet die größte Diözese des größten katholischen Landes mit immer noch 137 Millionen Katholiken. Er hat in Brasilien und Rom studiert und gelehrt, war Seelsorger in der Heimat, aber auch – vertretungsweise – im hessischen Bad Vilbel. Von 1994 bis 2001 wirkte er in der Kurie in Rom und pflegt gute Kontakte aus jener Zeit.

Papst Benedikt XVI. kürte Scherer 2007 zum Kardinal, nachdem der den ersten Lateinamerika-Besuch des deutschen Papstes ausgezeichnet über die Bühnen brachte. So wurde Scherer mit 58 Jahren zu einem der jüngsten Purpurträger in der neueren Kirchengeschichte. Unter Benedikt wurde Scherer in zwei Gremien beordert, die besonderes Gewicht haben für die Kirche von morgen: Er ist Mitglied eines Rates, der die Evangelisierung vorantreiben soll – besonders wichtig in einem Zeitalter, wo Laizismus der Kirche ebenso zusetzt wie protestantische Sekten, insbesondere in Lateinamerika. Und Scherer sitzt in jenem Kontrollgremium, das die Funktion des „Instituts für religiöse Werke“ überwachen soll.

Mit U-Bahn in die Arbeit. Scherer, der via iPhone telefoniert und eifrig twittert, fährt wie viele seiner „Schäfchen“ mit der U-Bahn zur Arbeit, was in der 20-Millionen-Einwohner-Stadt ein atemraubendes Unterfangen mit vollem Körperkontakt ist. Er spricht sechs Sprachen: neben Portugiesisch auch perfekt Deutsch und Italienisch, überdies sehr gut Englisch, Französisch und Spanisch.

In Glaubensfragen ist er allerdings nur bedingt modern. Gleichgeschlechtliche Lebensformen lehnt er ebenso strikt ab wie Abtreibung. 2007 lobte er öffentlich die „nicht politischen Aspekte“ der Befreiungstheologie wie etwa das soziale Engagement der Kirche für Gerechtigkeit in Lateinamerika. Nicht gutheißen will er die Nähe der Befreiungstheologen zu marxistischen Theorien, was ihm deftige Kritik von Leonardo Boff eintrug, einem der prominentesten Verfechter der „Teología de liberación“. Diese Ohrfeigen könnten ihm womöglich jetzt helfen, denn im Kardinalskollegium gibt es heute keine Sympathisanten für die linke Linie der 1970er-Jahre.

Andreas Fink (Buenos Aires)

Péter Erdö, 60 (Ungarn), Peter für den Stuhl Petri

Péter Erdö scheint alle zu überragen. Nicht nur seine baumlange Statur, sondern auch seine geistigen Fähigkeiten nötigen denjenigen, die ihm begegnen, Respekt ab. Seine Menschlichkeit wird allseits gerühmt, gewürzt mit einer gesunden Portion Selbstironie und Humor. Kein Wunder, dass Erdö innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft in Ungarn größte Hochachtung genießt. In der nordungarischen Kleinstadt Dorog hat er sogar eine treue Fangemeinde, die ihm überallhin folgt – sei es zur Einweihung einer Kapelle oder zu seiner ersten Predigt als frisch ernanntem Kardinal im Jahr 2003.
In Dorog nahm die kometenhafte Karriere des Erzbischofs von Esztergom und Primas von Ungarn ihren Anfang. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1975 war Erdö Kaplan in Dorog. Mitglieder der dortigen Kirchengemeinde erzählen die Schnurre seines allerersten Gottesdienstes, als der hochgewachsene Kaplan das Messgewand seines vorgesetzten Priesters trug, eines kleinen, rundlichen Mannes. Es reichte nur bis zu den Knien.

Was ihm die Gläubigen in Dorog besonders hoch anrechnen, sind seine Umgänglichkeit und Bodenständigkeit. Bei seiner ersten Messe als Kardinal versicherte er: „Ich bin für euch der geblieben, der ich schon immer war, der Peter.“ Für seine Verehrer in Dorog gibt es jedenfalls keinen Zweifel: „Peter“ habe das Zeug dazu, den Stuhl Petri in Rom zu besteigen.
Kollegen und Freunde im Gymnasium und Priesterseminar beschreiben ihn als einen hochintelligenten, wissbegierigen und ambitiösen Schüler und Studenten, der seine Mitschüler allesamt in den Schatten stellte. Erdö habe seine intellektuelle Brillanz aber nie blasiert zur Schau gestellt. Er sei niemals abgehoben gewesen, vielmehr war er dank seiner Offenheit und Hilfsbereitschaft überaus beliebt, lautet das Resümee seiner Wegbegleiter. Gleichwohl sei er von einer würdevollen Aura umgeben gewesen. In seiner Gegenwart hätten es sich seine Freunde und Mitschüler verkniffen, schlüpfrige Witze zu erzählen.

Passion fürs Kirchenrecht. In Péter Erdö entbrannte schon früh eine Leidenschaft für die Wissenschaften, insbesondere fürs Kirchenrecht. Ehemalige Mitschüler erzählen, dass er Bücher über das kanonische Recht mit einer Hingabe gelesen habe, als seien es literarische Werke gewesen. Dank herausragender Studienerfolge kam er Ende der 1970er-Jahre sogar in den Genuss eines Studiums an der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom – ein seltenes Privileg für ungarische Priesterkandidaten zu Zeiten des Kommunismus.

Innerhalb der Weltkirche gehört Erdö heute zu den größten Autoritäten in Sachen Kirchenrecht, was seinem großen Wissen wie seinem Pragmatismus zugeschrieben wird. Sein Sprachtalent wird dabei wohl auch mitgespielt haben, neben Latein spricht er fünf Sprachen, darunter Deutsch.
Papst Johannes Paul II. hat ihn mit 50 Jahren zum Kardinal geweiht, zum zweiten Mal avancierte er bereits zum Vorsitzenden der europäischen Bischofskonferenz, Letzteres schon zum zweiten Mal. Nach seinen Zukunftsplänen befragt, witzelte er einst: „Weiter auf dem Wege Lenins, meine Freunde.“

von Peter Bognar (Budapest)

Luis Antonio Tagle, 55 (Philippinen), konservativer Hoffnungsträger

In den Philippinen werden in der kommenden Woche viele Menschen den Atem anhalten, wenn sich in Rom die Kardinäle zum Konklave versammeln. Denn Kardinal Luis Antonio Tagle, der Erzbischof von Manila, gilt als einer der Geheimfavoriten. Tagle ist im Vorjahr in Rom zum Kardinal befördert worden, mit Mitte 50 ist er somit der zweitjüngste Kardinal. Tagle ist in seiner Heimat sehr populär. Er stammt aus einer einfachen Familie, gilt als bescheiden und setzt sich für Sozialprojekte ein. Anders als viele der anderen Kirchenoberen sucht er den Kontakt zu den einfachen Gläubigen, etwa durch seine Facebook-Seite.

Mit Klappsesseln in die Messe. Die Kirche steht in den Philippinen hoch im Kurs. 80 Prozent der 94 Millionen Filipinos sind katholisch, sonntags sind die Kirchen gesteckt voll. An Feiertagen bringen Gläubige scharenweise Klappsessel zum Gottesdienst, weil die Plätze nicht ausreichen.

In letzter Zeit stören sich jedoch immer mehr Filipinos daran, dass die katholische Kirche offenbar selbstverständlich auf ein Mitspracherecht in der Politik pocht. Erst neulich haben hochrangige Kirchenvertreter versucht, gegen den äußerst populären Präsidenten Benigno Aquino III. Stimmung zu machen. Damit haben sie viele Menschen gegen sich aufgebracht. Aquino hat ein Gesetz unterschrieben, das es staatlichen Stellen ermöglichen soll, Filipinos bei der Familienplanung zu beraten, Aufklärungsmaterial und kostenlos Kondome zu verteilen. Der Privatsektor soll sich an der Finanzierung der Kampagne beteiligen.

Da sich die Kirche schon lang gegen das Gesetz stemmt, hat sich dessen Ratifizierung um ganze 14 Jahre verzögert. Kaum ein Politiker konnte es sich leisten, die mächtige Kirche gegen sich aufzubringen. Doch Aquino – dessen Mutter in den 1980er-Jahren unter anderem mit dem Kardinal Jaime Sin Massenproteste anzettelte, die zum Sturz des Diktators Ferdinand Marcos führten – ist auch deshalb ins Amt gewählt worden, weil sich viele Menschen einen Wandel wünschen.

Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Kirche ist mehr als angespannt. Einige Wortführer der philippinischen Bischofskonferenz haben dem Staatschef sogar mit der Exkommunikation gedroht. Kardinal Tagle gilt als sehr konservativ. Er hält an den traditionellen Werten der Kirche fest und lehnt beispielsweise Schwangerschaftsverhütung und Abtreibungen ab. Das wiederum könnte ihn in den Augen der übrigen Kardinäle erst recht zu einem geeigneten Kandidaten machen, obgleich er ein Benjamin unter ihnen ist.

von Sascha Zastiral

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2013)

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