Gerichtsverfahren

Verschwörung: Diese neue Anklage gegen Trump hat die größte Sprengkraft

Donald Trump am 4. April vor dem Gericht in Manhattan. Am Donnerstag muss er vor einem Bundesgericht in Washington, D.C. erscheinen.
Donald Trump am 4. April vor dem Gericht in Manhattan. Am Donnerstag muss er vor einem Bundesgericht in Washington, D.C. erscheinen.Steven Hirsch-Pool/Getty Images
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Die Anklage erfolgt in Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol und wegen Verschwörung zu versuchter Wahlverfälschung. Der Kernpunkt: Trump wusste, dass er log – und er heizte damit der Menge beim Sturm aufs Kapitol ein. Trumps Wahlkampfteam zieht Parallelen zu Vorgängen in Nazi-Deutschland.

Schweigegeldzahlung an Pornodarstellerin? Anklage! Geheime Regierungsdokumente in privatem Domizil aufbewahrt? Anklage! Verleumdung im Fall Jean Carroll? Neuer Prozess! Doch jene Anklage gegen Ex-US-Präsident Donald Trump, die der Sonderermittler Jack Smith am Dienstagabend vorlegte, hat politisch eine ganz andere Sprengkraft. Es geht um die Rolle Trumps nach der Präsidentschaftswahl 2020: versuchte Wahlfälschung. Der damals gegen Joe Biden unterlegene Trump soll mehrere Gesetze gebrochen haben und weiter davon gesprochen haben, dass ihm die Wahl „gestohlen“ worden sei, obwohl er gewusst habe, dass es sich um eine Lüge handelt. Trump sei entschlossen gewesen, an der Macht zu bleiben, hieß es vonseiten der Staatsanwälte. In einer ersten Reaktion wies sein Wahlkampfteam die Vorwürfe zurück und zog Parallelen zu Vorgängen in Nazi-Deutschland.

In der veröffentlichten Anklageschrift wird dem führenden Präsidentschaftsbewerber der Republikaner unter anderem vorgeworfen, sich mit sechs Personen verschworen zu haben, um das Ergebnis der Wahl 2020 abzuändern. Die Namen der anderen Personen wurden nicht genannt.

In den Stunden vor dem Angriff auf das Kapitol in Washington wiederholte Trump auch die falsche Behauptung, dass es in Pennsylvania mehr als 200.000 illegale Stimmabgaben gegeben habe, obwohl Beamte des Justizministeriums ihm mehrfach sagten, dass die Behauptung falsch sei. Trump habe den Mob in Washington somit bewusst aufgeheizt.

Trump muss also erneut vor Gericht. Er soll am Donnerstag um 16 Uhr (Ortszeit; 22 Uhr MESZ) vor einem Bundesgericht in Washington erscheinen. Womöglich könnte er dies dort auch virtuell tun, sagte sein Anwalt John Lauro dem Fernsehsender CNN. Dies hänge letztlich vom Gericht ab.

Vorwurf: Trump log bewusst

Trump habe gewusst, dass sein Vorwurf der Wahlfälschung unwahr gewesen sei, heißt es in der Anklageschrift. Er habe ihn trotzdem wiederholt, um eine intensive, landesweite, von Misstrauen und Wut geprägte Stimmung zu schaffen sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Ablauf der Wahl zu untergraben. „Diese Behauptungen waren falsch, und der Angeklagte wusste, dass sie falsch waren“, heißt es in dem 45-seitigen Dokument. Trump und seine Mitverschwörer hätten falsche Wahlleute in sieben Bundesstaaten rekrutiert, in denen der Republikaner 2020 die Abstimmung verloren hatte. Ihre Stimmen sollten vom Kongress als echt zertifiziert werden. Zudem habe Trump den Sturm auf das Kapitol „ausgenutzt“, um seine Pläne voranzutreiben, hieß es weiter.

Sonderermittler Smith erklärte, dass er einen schnellen Prozess anstrebe. „In diesem Fall wird sich mein Büro um ein zügiges Verfahren bemühen, damit unsere Beweise vor Gericht geprüft und für richtig befunden werden können“, sagte Smith nach der historischen Anklage. „Der Angriff auf die Hauptstadt unseres Landes am 6. Jänner 2021 war ein beispielloser Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie“, betonte der Ankläger weiter. Die Attacke sei auf die Lügen Trumps zurückzuführen. Ermittlungen gegen andere Personen in diesem Zusammenhang gingen weiter.

Sonderermittler Jack Smith.
Sonderermittler Jack Smith.Imago/Bonnie Cash

Trump attackiert Ankläger

Trump will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr erneut für die Republikaner antreten. Bisher liegt Trump Umfragen zufolge im Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber mit großem Abstand vorne. Er streitet alle Vorwürfe ab und wertet jedes juristische Vorgehen gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn von einem Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten.

Trump hatte auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social die Veröffentlichung der Anklageschrift durch den Sonderermittler angekündigt. „Ich habe gehört, dass der gestörte Jack Smith eine weitere gefälschte Anklageschrift gegen Ihren Lieblingspräsidenten herausgeben wird, um die Präsidentschaftswahlen 2024 zu behindern“, schrieb er. Das Wahlkampfteam des Republikaners wies die Vorwürfe zurück und erklärte, er habe immer das Gesetz befolgt. Die gesetzlose Art, wie der Ex-Präsident und seine Anhänger verfolgt würden, „erinnert an das Nazi-Deutschland der 1930er-Jahre, die ehemalige Sowjetunion und andere autoritäre, diktatorische Regime“, hieß es weiter.

Trump-Anhänger hatten am 6. Jänner 2021 den Sitz des Kongresses gestürmt, um den Wahlsieg von Amtsinhaber Joe Biden zu verhindern. Dabei griffen sie die Polizei an, Abgeordnete flüchteten in Todesangst. Fünf Menschen starben während oder kurz nach dem Vorfall, etwa 140 Beamte wurden verletzt. Mehr als 1000 Personen sind inzwischen im Zusammenhang mit der Erstürmung angeklagt worden. Über die Anklage gegen Trump entschieden die Geschworenen einer Anklagejury (Grand Jury). Sie hatte etwa Aussagen vom ehemaligen Anwalt im Präsidialamt Pat Cipollone und von Trumps Vizepräsidenten, Mike Pence, gehört.

Zweite Anklage auf Bundesebene

Die Anklage ist die zweite gegen Trump auf Bundesebene. Er wurde bereits im Zusammenhang mit der Einbehaltung von Geheimdokumenten als erster Ex-Präsident der Geschichte von einer Grand Jury angeklagt. Auch in diesem Fall geschah der Schritt auf Betreiben von Smith. Dieser wurde vom Justizministerium eingesetzt, das als Teil der Exekutive dem Demokraten Biden unterstellt ist. Neben diesen Verfahren auf Bundesebene sieht sich Trump auch mit Klagen auf Landesebene in Georgia und New York konfrontiert. Der 77-Jährige hat in allen Fällen wiederholt seine Unschuld beteuert.

Weder die Bundesanklage zu den Geheimdokumenten noch die neue zur Wahl 2020 hindern Trump daran, weiter Wahlkampf zu betreiben oder im Fall eines Sieges ins Weiße Haus zurückzukehren. Experten zufolge gäbe es selbst im Falle eines Schuldspruchs und einer Gefängnisstrafe wenig Handhabe, Trump daran zu hindern, den Amtseid abzulegen. Umfragen zufolge liegt der Geschäftsmann im Vorwahlkampf der Republikaner deutlich vorn. In diesem Rennen dürften die Anklagen weniger Gewicht haben. Trumps eingefleischte Anhänger folgen dessen Erzählung der politisch motivierten Justiz. In einem möglichen Duell mit Joe Biden könnten Trumps Querelen mit der Justiz eine größere Auswirkung haben. Denn mögliche Wechselwähler könnten zögern, einen verurteilten oder mehrfach angeklagten Trump zu wählen. In den USA finden Anfang November 2024 Präsidentschafts- und Kongresswahlen statt. Für die Demokraten dürfte Biden eine zweite Amtszeit anstreben. (APA/red.)

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