Gastkommentar

Kein Licht am Ende des Tunnels für das Mercosur-Abkommen

Österreich gehört zu den harten Gegnern eines Handelspakts mit Südamerika.

Wie lang dauern Verhandlungen von weltpolitischer Bedeutung? Über die Gründung der UNO, immerhin der Zusammenschluss fast aller Staaten, war man sich nach dreieinhalb Jahren einig. Für das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur, dem aus vier Ländern bestehenden Gemeinsamen Markt des Südens ist auch nach 23 Jahren noch kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.

Ein Grund dafür ist eine Einstellung auf unserer Seite des Atlantiks, die sich in einem unnachgiebigen Fordern von Maximalpositionen bis hin zum Einnehmen einer Trotzhaltung erschöpft, statt auf das unmittelbar Realisierbare zu zielen und gleichzeitig das Fundament für Verbesserungen zu legen.

Österreich, nicht der einzige deklarierte Gegner, zeigt anstelle konstruktiver Vorschläge pure Ablehnung. Das beginnt mit den beiden Stellungnahmen des Natio­nalrats 2019, die die Bundes­regierung auffordern, in den EU-Gremien gegen den Abschluss des Handelspakts aufzutreten beziehungsweise alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abschluss des Abkommens zu verhindern.

Da durfte das Regierungsprogramm drei Monate später nicht nachstehen. Es schiebt den Riegel gleich zweimal vor: einmal im Kapitel Landwirtschaft mit einem blanken Nein zu Mercosur, einige Seiten weiter im Kapitel „Österreich in Europa und der Welt“ wird etwas weltoffener lediglich die Ablehnung des Mercosur-Abkommens in der derzeitigen Form stipuliert. Der geneigte Beobachter fragt sich, wann das schallende Nein endlich in den Verfassungsrang erhoben wird.

Ein unvertretbares Risiko?

Ein Beispiel illustriert die schwer nachvollziehbare Position: Ein begünstigter Zollsatz für 99.000 Tonnen Rindfleisch aus dem Mercosur – diese Menge entspricht einem kleinen Steak pro Jahr pro EU-Bürger – stellt angeblich ein unvertretbar hohes Risiko für unsere Landwirtschaft dar. Eine vergleichbare Begünstigung für insgesamt 130.000 Tonnen Rind- und Schaffleisch, Milchpulver, Butter und Käse im kürzlich abgeschlossenen Abkommen mit Neuseeland ruft dagegen keinerlei Kritik hervor.

Neokoloniale Attitüde

Zusätzlich schießen die zahlreichen Interessenvertreter aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz sowie Arbeitnehmerrechte, zum Teil weit übers Ziel hinaus. Auch wenn ihre Anliegen lobenswert sein mögen, bleibt es Tatsache, dass Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay souveräne Staaten sind, die sich ihre Gesetze nicht von wohlstandsverwöhnten, selbst ernannten Heilsbringern diktieren lassen wollen. Gerade jene Kreise, die den Kolonialismus scharf verurteilen, neigen zuweilen zu einem Verhalten, das als neokolonialistische Attitude empfunden werden kann.

Die Europäische Kommission hat im Februar ein Zusatzabkommen vorgeschlagen, das die konträr verlaufenden Interessen bestmöglich verbindet. Der Verhandlungspartner unter Führung Brasiliens hat diesen bereits als inakzeptabel zurückgewiesen und wird einen Gegenvorschlag übermitteln. Es bedarf nicht viel Fantasie, wie dieser aussehen wird.

Lateinamerika spielen seine durch den Ukraine-Krieg stark gestiegene Bedeutung für die Weltwirtschaft sowie die Bemühungen Chinas um tiefere Beziehungen in die Hände. Andererseits hat Spanien noch fünf Monate den Vorsitz im Rat der EU inne. Erfahrungsgemäß erleichtern gemeinsame Sprache und kulturelle Wurzeln das Verhandeln. Nutzen wir dieses Fenster der Gelegenheit und kommen wir zu einem gewiss nicht idealen, vielleicht aber optimalen Abschluss!

Dr. Hatto Käfer war in den Europäischen Institutionen in unterschiedlichen Führungsfunktionen tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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