Investieren in das gute Gewissen

Investieren in das gute Gewissen
Investieren in das gute Gewissen(c) REUTERS (PHIL NOBLE)
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Darf man unethisch investieren? Und was bringen nachhaltige Veranlagungen überhaupt? Die Rendite ist annähernd die gleiche, doch die Ökologie oft Augenauswischerei.

Wien. Ökologisch, ethisch, sozial. Schlagworte wie diese sind nahezu überall zu finden. Sie können auf Kleidungsstücken prangen – oder sogar auf Bananen. Doch sie können auch andere Bereiche des Lebens betreffen. Die Geldanlage ist einer von ihnen.

Nachhaltige Geldanlage kann viel bedeuten. Unter anderem Wert darauf zu legen, die Finger von „schlechten“ Unternehmen zu lassen. Schlecht und miese Rendite – das ist freilich nicht dasselbe. „Schlecht“ heißt hier vielmehr moralisch verwerflich. Rüstungskonzerne fallen bei der ethischen Geldanlage zweifelsfrei in eine solche Ausschlusskategorie. Aber auch Kernenergie, Glücksspiel oder Korruption sind Dinge, mit denen nachhaltige Fonds auf den ersten Blick lieber nichts zu tun haben wollen.

Doch wer auf die bösen Buben dieser Welt verzichtet, der lässt ordentlich Rendite liegen. Zumindest ist das immer wieder zu hören. „Zu sagen, dass mit Ethik auf Rendite verzichtet werde, stimmt aber nicht“, sagt Wolfgang Pinner vom Forum Nachhaltige Geldanlage. Warum das dann in den Köpfen der Menschen verankert ist? „Vielleicht, weil man bei ethischen Investments nicht aus dem ganzen Anlageuniversum auswählen, sondern nur auf einen Teil zurückgreifen kann“, so Pinner. Je strenger freilich die Kriterien eines nachhaltigen Fonds sind, desto eher könnte die Rendite leiden. Schließlich bedarf es eigener Experten, die sich mit dem Thema befassen – und das kostet Geld.

Weltweit wurden im Vorjahr mindestens 13,6 Billionen Dollar nachhaltig veranlagt. Europa ist mit einem Anteil von 65 Prozent wesentlich grüner als andere Investmentregionen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz waren 2012 knapp 390 Fonds mit 35 Mrd. Euro in diesem Segment engagiert. Auch wenn das nach gewaltigen Summen klingen mag: Im Vergleich zu konventionellen Anlagen ist Green Money noch immer ein Minderheitenprogramm. Warum?

Weil die Angebote überschaubar sind – und wohl auch das Bewusstsein fehlt. „Niemand ist mit Kinderarbeit einverstanden. Aber bei der Geldanlage, da schaut niemand so genau hin“, sagt Gerlinde Wimmer von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (Ögut). Während es den Menschen immer wichtiger zu sein scheint, die Herkunft ihrer Produkte zu kennen, fehlt die ökologische Konsequenz beim Kapital. „Nachhaltigkeit allein reicht für Anleger als Anreiz nicht aus“, sagt Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler. „Aber Nachhaltigkeit gepaart mit Gewinnmöglichkeiten bestimmt zunehmend das Verhalten vieler Anleger.“ Besonders das institutioneller Investoren, wie Susanne Hasenhüttl von Ögut weiß.

Mehr Schein als Sein

Ethische Aktienfonds, die in der D-A-CH-Region zugelassen waren, legten 2012 eine zwiespältige Performance hin: Sie lagen zwischen plus29 und minus 13 Prozent. Wer zeitgleich in den weltweiten Luftfahrt- und Rüstungssektor investiert war, erzielte Kursgewinne von zwölf Prozent (in Euro).

Doch nachhaltige Fonds sind oft reine Augenauswischerei. Eine Studie, die im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion in Deutschland erstellt worden ist, zeichnet ein düsteres Bild: Von den damals zehn untersuchten und vermeintlich grünen Fonds waren alle in Firmen investiert, die sich im Bereich Atomenergie engagierten. Aber: Es gibt auch Fonds, die eine sogenannte „Best in class“-Strategie fahren. Das bedeutet: Es werden Konzerne ausgewählt, die im Branchenvergleich höhere Standards setzen als andere – und daher Teil eines ökologischen Anlageuniversums werden können.

Doch darf man in Zeiten wie diesen überhaupt noch unethisch investieren? Nein, findet Kirchler. Denn „unethisch zu investieren ist geschäftsschädigend, damit kurzsichtig und nie zu rechtfertigen“. Je mehr Anleger aber über die Auswirkungen ihres Anlageverhaltens nachdenken und sich entsprechend verhalten, desto eher könnten Nachhaltigkeit und Gewinn Hand in Hand gehen. Für Wirtschaftsprofessor Peter Berger ist nachhaltige Geldanlage vor allem eines: „Ein Wohlstandsproblem.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2013)

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