Leitartikel

Das Plus aufs Plus ist kein nachhaltiger Weg gegen Altersarmut

Statt über eine Pensionserhöhung über den Richtwert hinaus zu diskutieren, sollten strukturelle Reformen gegen Altersarmut angegangen werden.

Es ist August, ein Monat, in dem in Österreich traditionell über die Pensionsanpassung für das nächste Jahr debattiert, ach was, gestritten wird. Die Argumente sind dabei seit Jahren dieselben. Darum gleich vorab: Ja, die Pension ist eine Versicherungsleistung. Man muss sich darauf verlassen können, dass man, wenn man etwas einzahlt, auch etwas herausbekommt. Aber: Die Pensionen für alle stärker als um den Richtwert von 9,7 Prozent zu erhöhen ist kein nachhaltiger Weg. Auch wenn es inflationsbedingt wehtut, auch wenn politisch damit billige Punkte zu holen wären.

Kanzler Karl Nehammer hat im APA-Interview ja bereits erklärt, die Pensionen um exakt den von der Statistik Austria vorgegebenen Wert erhöhen zu wollen. Dieser errechnet sich aus der Inflationsrate von August 2022 bis Juli 2023 und wird, wie eingangs erwähnt, bei rund 9,7 Prozent liegen. Schon hier spreche man von Milliardenbeträgen, sagt Nehammer. Den Seniorenvertretern gefällt die Festlegung des Kanzlers gar nicht. Sie kritisieren, dass er damit den politischen Verhandlungen vorgegriffen habe. Sie hätten gern ein höheres Plus, wie in früheren Jahren, als die Regierung mitunter noch etwas auf den Richtwert draufgelegt hat.

Natürlich hat der aktuelle Vorsitzende des Seniorenrates, Peter Kostelka, recht, wenn er sagt, man müsse die Kaufkraft der Pensionisten erhalten. Das ist wirtschaftlich sinnvoll, und das haben sich Österreichs Senioren vor allem auch verdient. Doch daran, dass die Pensionen steigen werden, rüttelt ohnehin niemand.

Ein Klassiker in der jährlichen Pensionsdebatte ist an dieser Stelle der Blick aufs Budget. Also bitte: Schon 2023 entfällt mit mehr als 25 Milliarden Euro fast ein Viertel der Ausgaben des Bundes auf den Pensionsbereich. Bis 2026 wird dieser Betrag auf rund 33 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen – die Erhöhung für 2024 noch nicht mitgerechnet. Dabei würden schon allein durch die Anpassung um 9,7 Prozent dem Staat Mehrkosten von rund sechs Milliarden Euro entstehen. Das ist so viel, wie die türkis-grüne Koalition im Budget für das Jahr 2023 unter dem Titel „Wissenschaft und Forschung“ eingeplant hat.

Wer soll das alles bezahlen? In dieser Frage beruft man sich in Österreich gern auf den Generationenvertrag. Das wäre gut und richtig so, wenn sich nicht gerade jetzt durch die Pensionierung der sogenannten Babyboomer-Generation und die steigende Lebenserwartung die Last immer weiter in Richtung Jugend verschieben würde. Nicht zufällig war es ausgerechnet Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, die vergangenes Jahr Zurückhaltung bei der Erhöhung der Pensionen eingefordert hatte.

Politisch kann man mit solchen Aussagen bei einem großen Teil der Bevölkerung nichts gewinnen: Bei den Jüngeren nicht, weil „Pensionen“ oft wie ein Thema klingt, das in zu weiter Ferne liegt, um sich damit auseinanderzusetzen. (Ein Irrtum, der sich auch anhand der extrem geringen Anzahl an jungen Elternpaaren zeigt, die das freiwillige Pensionssplitting in Anspruch nehmen.) Und bei den den Älteren nicht, weil sie verständlicherweise gern so viel wie möglich bekommen würden. Hinzu kommt, dass die Generation über 60 eine riesige Wählergruppe ausmacht und der Gedanke an ihre Stimmen bei Verhandlungen rund um das Thema Pensionserhöhung mit am Tisch sitzt.

Was derweil eigentlich angebracht wäre, ist, endlich dauerhafte und vor allem nachhaltige Mechanismen gegen Altersarmut von Frauen zu schaffen. Die Argumentation gegen ein generelles Pensionsplus über den Richtwert hinaus soll nämlich nicht heißen, dass der Staat nicht dort hinschauen und helfen muss, wo es nötig ist. Dass jede fünfte Seniorin arm ist, ist in einem reichen Land wie Österreich unaushaltbar. Darum braucht es strukturelle Reformen. Auf ein automatisches Pensionssplitting scheint sich diese Regierung nicht einigen zu können, doch es gibt eine ganze Reihe anderer Vor­schläge: eine Anrechnung der Karenzzeiten, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz oder den Ausgleichszulagenrichtsatz (also praktisch die Mindestpensionen) über die Armutsgrenze zu heben. Auch darüber ließe sich im August einmal trefflich debattieren.

E-Mails an: elisabeth.hofer@diepresse.com

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