USA und Russland bleiben in Syrien-Frage uneins

Sind sich einig, dass sie sich nicht einig sind: US-Präsident Obama und Russlands Präsident Putin.
Sind sich einig, dass sie sich nicht einig sind: US-Präsident Obama und Russlands Präsident Putin.(c) REUTERS
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Der Syrien-Krieg überschattet den G-8-Gipfel. Putin nennt die Rebellen Kannibalen, die USA will ihnen Waffen liefern. Assad warnt indes in einem Interview vor "Terror in Europa".

Im Streit über die Lösung der Syrien-Krise ist weiter keine Verständigung zwischen US-Präsident Barack Obama und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sicht. "Was Syrien angeht, haben wir unterschiedliche Sichtweisen auf das Problem", sagte Obama am Montagabend nach einem gut zweistündigen Gespräch mit Putin am Rande des G-8-Gipfels in Nordirland. "Aber wir haben ein gemeinsames Interesse, die Gewalt zu mindern, chemische Waffen zu sichern und sicherzustellen, dass sie weder benutzt noch verbreitet werden." Das solle "nach Möglichkeit" mit einer politischen Lösung erreicht werden.

Auch Putin bekräftigte, das Blutvergießen in dem Bürgerkriegsland auf friedliche Weise beenden zu wollen. "Wir stimmten darüber überein, die Parteien an den Verhandlungstisch zu drängen", sagte er. Beide Seiten verfolgen seit längerem Pläne für eine weitere Friedenskonferenz in Genf - bisher erfolglos. Laut Obama hätten beide Länder ihre Teams angewiesen, an der Möglichkeit weiterzuarbeiten. Ein Datum für das international besetzte Treffen gibt es bisher allerdings ebenso wenig wie eine Teilnehmerliste. "Wir haben alle die Absicht, die Gewalt in Syrien zu beenden, die Zunahme von Opfern zu stoppen und die Situation friedlich zu lösen", sagte Putin.

Neues Hilfspaket für Flüchtlinge

Jedenfalls haben die USA ein neues Hilfspaket für syrische Flüchtlinge in Höhe von 300 Millionen Dollar (225 Millionen Euro) angekündigt. US-Präsident Barack Obama werde die übrigen Teilnehmer des G-8-Gipfels im nordirischen Enniskillen über diese geplanten Hilfen für Flüchtlinge in und außerhalb Syriens informieren, sagte Obamas stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Ben Rhodes am Montagabend vor Journalisten.

Mit der neuen Hilfszusage steigt der Umfang der US-Hilfen für syrische Flüchtlinge auf mehr als 800 Millionen Dollar. Die neuen Hilfszahlungen sollen laut Rhodes unter anderem für Lebensmittel, Trinkwasserversorgung und Notunterkünfte ausgegeben werden.

Putin sieht kein Problem in Waffenlieferung

Die russische Regierung kritisierte scharf Überlegungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die Aufständischen gegen Syriens Präsident Bashar al-Assad aufzurüsten. Russland liefert dem Machthaber Waffen und hält das für rechtens. Auslöser der westlichen Pläne ist, dass die USA und Frankreich Erkenntnisse haben, wonach der syrische Machthaber Assad tödliches Giftgas gegen die Aufständischen eingesetzt hat. Seit März 2011 hat der Bürgerkrieg mindestens 93.000 Tote gefordert.

Vor dem G-8-Gipfel hatte bereits der russische Außenamtsprecher Alexander Lukaschewitsch gemeint: "Russland wird die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien nicht zulassen", erklärte Lukaschewitsch. Schon die Forderungen nach einer Flugverbotszone zeigten mangelnden Respekt vor dem Völkerrecht.

Obama und Putin machten nach dem Gespräch aus der angespannten Beziehung beider Länder keinen Hehl. Der US-Präsident nannte die Diskussion "nützlich", der Kreml-Chef "ehrlich". Obama bekräftigte, dass beide Seiten "das Denken des Kalten Krieges" hinter sich lassen müssten. Vor allem von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit würden beide Nationen profitieren. Sie hätten ausführlich darüber beraten, den Handel und die Investitionen zwischen den USA und Russland auszuweiten. Auch bei der atomaren Abrüstung wollten sie weiter kooperieren. Hoffnungen hätten sie auch auf Verhandlungsfortschritte bei den Themen Iran und Nordkorea. Obama und Putin vereinbarten, sich am 3. und 4. September unmittelbar vor dem Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Moskau zu treffen.

Cameron und Merkel suchen Lösung

Auch Großbritanniens Premierminister David Cameron räumte "große Differenzen" zwischen Russland und dem Westen ein. Die acht reichsten Länder der Welt hätten aber viele Gemeinsamkeiten, um Konflikte zu lösen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach der ersten Beratungsrunde beim G-8-Gipfel: "Es wird sicher nicht gelingen, alle Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken. Dennoch wünsche ich mir, dass wir ein klares Bekenntnis bekommen zu einem politischen Prozess, der auch so schnell wie möglich in Gang gesetzt werden muss."

Assad warnt vor Hilfe für Rebellen

Der syrische Präsident Bashar al-Assad hat unterdessen westliche Staaten davor gewarnt, Waffen an die Rebellen in Syrien zu liefern. In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstagsausgabe) sagte er, diese Waffen würden in die Hände islamistischer Terroristen gelangen, die dann später kampferfahren und ideologisch aufgerüstet ihre Heimatländer und Europa heimsuchen würden. Zugleich wies Assad den Vorwurf der USA, Großbritanniens und Frankreichs zurück, die syrische Armee habe Giftgas eingesetzt. "Hätten Paris, London und Washington nur ein einziges Beweismittel für ihre Behauptungen, hätten sie dieses der Weltöffentlichkeit vorgelegt", sagte Assad.

Die US-Regierung hatte in der vergangenen Woche erklärt, sie sei inzwischen überzeugt, dass Assads Truppen im Kampf gegen die Rebellen Giftgas eingesetzt hätten. Damit sei eine "rote Linie" überschritten worden. Washington prüfe nun die Möglichkeit von Waffenlieferungen an die Rebellen. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) hat nach eigenen Angaben "keine glaubhaften Belege" für den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien. Das sagte eine IKRK-Sprecherin in Moskau der Nachrichtenagentur dpa. Die Organisation habe Zugang zu allen Regionen in dem Bürgerkriegsland, erklärte der Leiter der IKRK-Hilfsoperationen im Nahen und Mittleren Osten, Robert Mardini.

(APA/Reuters)

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