Auch Wissenschaftsjournalismus hat(te) Tücken, das zeigt die Sensationsmeldung.
Wenn irgendwo aus der weiten Welt der Wissenschaft eine unglaubliche Meldung kommt, die man als Journalist weder prüfen noch einschätzen kann, soll man darüber schreiben? Und wie, mit Posaunenstößen oder verhalten? Das ist heute die Frage bzw. das ist sie eben nicht, man kann nicht, man muss, die Konkurrenz schläft nicht, und der Chefredakteur wird auch schon nervös. Das war natürlich nicht anders, als einem Mitarbeiter der „Presse“ zugetragen wurde, ein „Professor Routgen in Würzburg“ habe etwas entdeckt. Der Kollege zog sich nach allen Regeln der Kunst aus der Affäre, er teilte seinen Artikel in einen Bericht, der so sachlich wie möglich gehalten war, und einen Kommentar, dessen Überschwang auch nicht von der Aussicht gebremst wurde, er, der Schreiber, könne in Verdacht geraten, „dem Irrenhause entgegenzureisen“. Dergleichen ginge heute nicht mehr durch, auch bloßes Hörensagen ist selten geworden – dafür sprudeln andere Quellen, die Wissenschaftsjournale –, aber eine Tradition hat sich erhalten: Bei Namen gibt es bisweilen Verschreiber. Röntgen hat das nicht gestört, ganz im Gegenteil, er begrüßte die „Reklametrompete“.
("Die Presse", 165 Jahre Jubiläumsausgabe, 29.06.2013)