Die Debatte über Haftbedingungen ist nicht vorbei.
Zumindest hat sie diesmal nicht zugewartet: Beatrix Karl machte den Suizid eines 18-Jährigen in der Jugendhaft selbst publik. Vielleicht deshalb, weil nicht mit großer Kritik zu rechnen war. Denn nach bisherigem Wissensstand handelte die Anstaltsleitung richtig. Der Jugendliche war psychiatrisch versorgt.
Trotzdem weist der Fall darauf hin, dass die Debatte über die Haftbedingungen mit Karls angekündigten 25 Maßnahmen nicht vorbei ist. Im Gegenteil: 25 weitere offene Fragen würden leicht zu finden sein, wenn man in diesem wespennestgleichen Thema stochert. Etwa erstens: Laut einer Haftstudie von 2008 waren 90 Prozent der untersuchten Jugendlichen psychisch krank. Aktuell gibt es in Gerasdorf einen Psychiater. Anstatt das als unabänderlich zu beklagen oder als „Luxusproblem“ abzutun, muss man sich ehrlich fragen, was Resozialisierung der Gesellschaft wert ist. Sicherheitsmäßig, volkswirtschaftlich. (Im Sinn der Transparenz sollte Karl auch die Kosten ihrer Maßnahmen vorrechnen.) Parallel zur psychologischen Unterversorgung hat übrigens die Zahl jener im Maßnahmenvollzug stark zugenommen: Immer mehr Menschen werden wegen psychischer Auffälligkeit nach Delikten wie Diebstahl jahrelang angehalten. Auch darüber sollte man reden. Ohne Zuwarten. Ohne Anlassfall.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2013)