Augmented Reality

Neues Theater: Das Handy als „Guckkasten“

Julia Pacher (l.) und Ece Anisoglu beim Start ihres digitalen Stationentheaters in der Griechengasse.
Julia Pacher (l.) und Ece Anisoglu beim Start ihres digitalen Stationentheaters in der Griechengasse.Jonas Höschl
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Ece Anisoglu und Julia Pacher wollen ein „anderes Theater“ machen. Ihr „Orlando Project“ nutzt Augmented Reality, die Wiener Innenstadt dient als Bühnenbild.

Wenn in den nächsten Tagen abends in der Wiener Innenstadt Menschen wie gebannt auf ihr Handy schauen, dann könnte es sein, dass sie weder Gebäude fotografieren noch Selfies machen oder sich verlaufen haben: Sie sind dann einfach im Theater.

Konkret in jener Art Theater, von der Ece Anisoglu und Julia Pacher schon geträumt haben, als sie noch gemeinsam an einem „großen, sehr klassischen Theaterhaus“ in Wien ge­ar­bei­tet haben, Anisoglu im Bereich Büh­nen­bild, Pacher in der Regie. In­ter­dis­zi­pli­när und interkulturell sollte dieses Theater sein, erzählt Pacher, „wo Leute aus verschiedenen Sparten und Bereichen zusammenkommen und gemeinsam etwas Großes schaffen, das möglichst zugänglich für alle ist.“

Letzteres sei ein wichtiger Punkt, sagt Anisoglu. „Theater ist sonst ja teilweise sehr elitär. Wir wollten auch das aufbrechen.“ Nicht zuletzt deshalb setzen die beiden auf Augmented-Reality-Technologie (und wohl auch, weil Anisoglu Dreidimensionalität liebt: Aus der Malerei kommend, studierte sie deshalb an der Angewandten Bühnenbild). In Zukunft, so der Plan, solle man das „Stück“ als App jedenfalls selbst herunterladen können: „Damit man quasi das Theaterhaus in der Tasche hat.“

Für Erste freilich funktioniert es so, dass man sich zu bestimmten Terminen für einen Slot anmeldet und für die Tour ein eigenes Handy samt Kopfhörer bekommt. In Vierergruppen geht es dann in Begleitung eines sogenannten Artwalk Operators auf die Tour; insgesamt stehen zwölf Handys als eine Art mobiler Guckkasten zur Verfügung.

Das Theater ist quasi am Handy mit dabei.
Das Theater ist quasi am Handy mit dabei. Jonas Höschl

Inhaltlich geht es um „Orlando“, jenen Roman Virginia Woolfs, in dem ein junger britischer Adliger durch die Zeit reist und dabei zur Frau wird. „Orlando“, erzählt Pacher, begleite sie als eines ihrer Lieblingsbücher schon seit zwei Jahrzehnten; auch von der Verfilmung mit Tilda Swinton sei sie Fan. „Es ist einfach ein wahnsinnig modernes Buch mit spannenden Themen.“ Anisoglu habe vor allem der Aspekt der Zeitreise „erwischt“. Mit Unterstützung des Austrian Cultural Forum konnten die beiden auch in London auf Virginia Woolfs Spuren recherchieren.

Von Tanz bis Stickerei

In Wien bilden nun fünf Orte in der Innenstadt quasi das Bühnenbild für die Zeitreise Orlandos. Start ist – mit Videos zu dessen frühen Kindheitserinnerungen – in der Griechengasse. „Damit“, so Pacher, „ein bisschen etwas anderes entsteht als sonst“, wurde jede Station, darunter Schweizerhof, Weltmuseum und Rosengarten, von Künstlern unterschiedlicher Disziplinen ge­stal­tet. Unter ihnen etwa die aus Syrien stammende Textilkünstlerin Nour Shantout, die mit Stickereien arbeitet, der Tänzer Theo Emil Krausz oder Opernsängerin Cosima Büsing. Gearbeitet habe man durchaus auch mit Leuten, so Anisoglu, „die nicht unbedingt mit Theater zu tun haben“.

Die Texte stammen großteils von Autorin Sophie Steinbeck: Weil „Orlando“ zwar modern, aber eben auch schon hundert Jahre alt sei, habe man sie gebeten, nach Motiven aus dem Buch die Themen ins Heute zu holen. Erzählt wird damit auf drei Ebenen: Mit der Stimme Orlandos, jener Virginia Woolfs und jener der zeitgenössischen Autorin. Es geht um Gender und Identität, um Herkunft und Familienkonstellationen.

Ihr Ende findet die Tour vor dem Mumok im Museumsquartier mit einer Performance von Drag Queen Metamorkid, die demnächst Kandidatin in der ersten Deutschland-Ausgabe von RuPaul’s Drag Race ist und sich selbst als nonbinär definiert. Damit spinne man die Genderfrage vom Erscheinen des Romans in den 1920ern noch einmal weiter in die Jetztzeit.

Dass ihr sowohl künstlerisch als auch technisch innovatives Projekt je Wirklichkeit werden könnte, daran, erzählen Pacher und Anisoglu, hätten viele übrigens gezweifelt. Gearbeitet haben die zwei dafür mit dem Wiener Virtual and Augmented Reality Studio Vars. Die Technologie selbst habe man zwar nicht neu erfunden – sehr wohl aber die Art und Weise, „damit Geschichten in einer erweiterten Realität zu erzählen“.

Auf einen Blick

Orlando Project. An fünf Stationen in der Wiener Innenstadt entsteht eine hybride Bühnensituation aus realen Orten und digitalen Theaterelementen am Handy, darunter Bilder, Texte, Gesang, Performances, Video- und Lichtinstallationen. Opening am 25. 8. Weitere Termine: 26. 8., 27. 8., 31. 8. (Meet the Artists) sowie 1., 2. und 3. 9. Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung ist aber notwendig.

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