Im Stillstand "sandeln" ist einfach zu wenig

Exzellente Fachkräfte, aber „abgesandelte“ Rahmenbedingungen: Der Wirtschaftsstandort hat ein Problem.
Exzellente Fachkräfte, aber „abgesandelte“ Rahmenbedingungen: Der Wirtschaftsstandort hat ein Problem.(c) REUTERS (KHAM)
  • Drucken

Was immer in internationalen Rankings steht: Bürokratie und Steuerorgien haben der Industrie Erweiterungsinvestitionen in Österreich weitgehend verleidet. Das sollte der Stillstandsregierung zu denken geben.

Die vom Wirtschaftskammerpräsidenten losgetretene Diskussion um den „abgesandelten“ Wirtschaftsstandort Österreich nimmt nun, wie soll man sagen: österreichische Formen an. Statt für ein bereits seit Langem nicht nur von internationalen Managementinstituten, sondern auch von österreichischen Institutionen (Wifo, IHS, Rechnungshof, Staatsschuldenausschuss etc.) festgestelltes Problem offensiv Lösungen zu suchen, beginnen die Koalitions„partner“, einander Rankings an den Kopf zu werfen.

Es gibt ja beide Varianten: solche, in denen wir beträchtlich zurückfallen, wie das Beispiel des berühmten IMD zeigt. Und solche, in denen wir ein paar Plätze hochklettern. Und damit ist nicht nur der ziemlich blamable Korruptionsindex von Transparency International gemeint, in dem wir in den vergangenen 15 Jahren von mitteleuropäischem Niveau zielsicher in die Gegend von Katar und Botswana gestürmt sind.

Vielleicht hilft es, weniger auf Rankings und mehr auf die Fakten zu schauen: Da hat sich in den vergangenen Jahren fast alles verschlechtert. Von der Arbeitslosenrate bis zur Staatsverschuldung, die seit 2008 immerhin um 54 Mrd. Euro gestiegen ist. Das liegt auch, aber nicht nur an der Krise.

Vor allem aber, und das ist der entscheidende Punkt: Es hat in den letzten Jahren so gut wie keine wirklich großen Investitionen im Land gegeben. Aber sehr viel schleichende Abwanderung. Etwa in der Form, dass die wirklich großen Industriekonzerne des Landes, etwa Voestalpine oder Mondi, um nur zwei zu nennen, Erweiterungsinvestitionen praktisch nur noch außerhalb der Grenzen durchführen – und damit ihre Österreich-Aktivitäten sukzessive zurückfahren. Sie haben dafür gute Gründe.

Das Problem ist also, dass die, die schon da sind, von der Standortqualität nicht mehr überzeugt sind. In der Außenwahrnehmung scheint das ja noch kein allzu großes Problem zu sein. Der Ex-Topmanager und frühere ÖVP-Politiker Bernhard Görg etwa sagt, er sei bass erstaunt gewesen, als er am vorigen Wochenende beim International Business Council des World Economic Forum in Genf einen Vortrag vor 45 Chefs internationaler Großkonzerne (von Coca Cola bis VW) hielt und anschließend viel Lob für den Standort Österreich einheimste.

Mit zwei großen Ausnahmen: Die völlig aufgeblasene österreichische Bürokratie funktioniere – im Gegensatz zu der vieler anderer europäischer Länder – zwar gut, die bürokratischen Vorschriften seien aber viel zu rigide. Und: Die Produktionskosten im Land seien viel zu hoch. Konkret: um gut 15 Prozent höher als etwa im benachbarten Bayern. Und das liegt jedenfalls nicht an zu hohen Nettolöhnen in Österreich.

Zwei wesentliche Ansiedlungshemmnisse sind damit identifiziert: einerseits überbordende Bürokratie, die „technisch“ zwar funktioniert, aber alles niederreguliert. Andererseits viel zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit.

Beides wissen wir schon, wenn auch das Ausmaß bei näherem Hinsehen immer wieder überrascht. So hat etwa ein pensionierter Salzburger Sparkassenmanager in mühevoller Kleinarbeit die tatsächlichen Personalkosten der Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden (die ja zu nicht unbeträchtlichen Teilen im „Sachaufwand“ versteckt werden) ermittelt und ist auf die schwindelerregende Zahl von 44,7 Mrd. Euro gekommen. Im Jahr. Das sind 14,81 Euro, die jeder Österreicher, Kleinkinder eingeschlossen, Tag für Tag für die (im internationalen Vergleich zugegeben nicht schlechte) Verwaltung ablegt.

Vorschläge, wie diese Verwaltungskosten durch bloße Effizienzsteigerung um Milliardenbeträge verringert werden könnten, gibt es zu Genüge. Sie werden nur nicht umgesetzt. Die Koalitionsregierung, die uns jetzt so vieles für die nächste Legislaturperiode verspricht, hat in diesem Punkt in den vergangenen fünf Jahren so gut wie nichts gemacht – außer den Stillstand zu verwalten. Dasselbe gilt für den Umbau des Steuersystems in Richtung Entlastung der Arbeitskosten: Außer vollmundigen Sonntagsreden ist hier genau nichts geschehen.

Die Sozialpartner, die jetzt auf die Stillstandsregierung hinhacken, haben allerdings allen Grund, auch in sich zu gehen: Die Signale, die Teile der Wirtschaftskammer mit ihrer Ladenöffnungszeitenphobie aussenden, sind nämlich ebenso standortschädlich wie jene, die Gewerkschaftsdinos wie der Herr Neugebauer und seine Lehrergewerkschaftskumpels in Fragen der Bildungsreform von sich geben.

Kurzum: Wir sind ohne Frage „abgesandelt“, aber wir sandeln noch auf sehr hohem Niveau dahin. Wenn, wie jetzt schon jahrzehntelang, weiterhin nichts geschieht, dann werden wir früher oder später allerdings ein wirklich ernstes Problem haben. Ganz Europa spricht beispielsweise von der notwendigen Reindustrialisierung (die USA handeln, ganz nebenbei, schon).

Wenn das losgeht, dann werden die Karten neu gemischt. Dann hilft es nichts, mit dem passenden Ranking zu wacheln, dann zählen harte Fakten. Überbürokratisierung und zu hohe, abgabenbedingte Produktionskosten sind dann ein echtes Ansiedlungshindernis. Dass es schon jetzt kaum noch industrielle Erweiterungsinvestitionen im Land gibt, sollte der Stillstandsregierung und ihren Sozialpartnern ein echtes Alarmsignal sein.

E-Mails: obfuscationcom/money" target="_self" rel="">josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.