Spar-Chef Gerhard Drexel sagt, die Bundeswettbewerbsbehörde habe illegale Spionagesoftware in den Konzern geschleust. "Herr Drexel schaut offenbar zu viel Science-Fiction", kontert die BWB.
Wien/RED. Der Streit des Lebensmittelhändlers Spar gegen die heimische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) spitzt sich zu: Spar-Chef Gerhard Drexel wirft den Wettbewerbshütern im Interview mit den „Salzburger Nachrichten" den Einsatz illegaler Spionagesoftware vor, die vom FBI zum Aufdecken von Schwerverbrechen entwickelt worden ist.
Die Firmen-Firewall hat laut Spar-Chef die Schadsoftware bemerkt. In einer Telefonkonferenz mit der Bundeswettbewerbsbehörde, die auch protokolliert wurde, hätten Beamte des Bundeskriminalamts angegeben, als Hilfsorgan bei der Hausdurchsuchung auf Wunsch der Bundeswettbewerbsbehörde eine ihnen neuartige Software eingesetzt zu haben, die sie über einen „befreundeten Dienst“ erhalten hätten. "Einer der Mitarbeiter des Bundeskriminalamts hat bei der Hausdurchsuchung in Kärnten ohne unser Wissen einen USB-Stick mit dieser Software an unseren Rechner angesteckt. Unsere Firewall hat aber einen Programmteil als schädlich erkannt und abgewehrt. Das Programm heißt osTriage und ist eine Sammlung von Tools mit vielen Programmen und Inhalten", sagte Drexel.
"Drexel schaut zu viel Science-Fiction"
Knapp fiel die Stellungnahme der BWB aus: "Es hat sich um einen ganz normalen USB-Stick mit Standard-Software gehandelt, den das Bundeskriminalamt bei Hausdurchsuchungen schon Hunderte Male verwendet hat", sagte ein Sprecher zur APA. Im Übrigen habe die gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung nicht die Bundeswettbewerbsbehörde durchgeführt sondern das Bundeskriminalamt. Nachsatz: "Herr Drexel schaut offenbar zu viel Science-Fiction."
In den Jahren seit 2010 hat die BWB 59 Hausdurchsuchungen (Stand August 2013) durchgeführt, darunter waren Unternehmen wie Spar, OMV, Hornbach, Rewe sowie zahlreiche Brauereien und Molkereien.Einer Statistik der Bundeswettbewerbsbehörde zufolge hatte im Jahr 2013 die Rewe-Gruppe mit 20,8 Millionen Euro die höchsten Geldbuße zu zahlen. Mit 2,9 Millionen Euro liegt die Molkerei Berglandmilch auf dem zweiten Rang. APA/GEORG HOCHMUTH
Den Stein ins Rollen brachten 2011 Ermittlungen gegen die großen Brauereien Ottakringer, Stiegl und Brau Union. Die Bierkonzerne zahlten 1,1 Millionen Euro Kartellstrafe. Mittlerweile knöpfen sich die Kartellwächter offenbar auch die kleineren Brauereien vor. So gab es etwa in der Hirter Brauerei eine Hausdurchsuchung.Die Spur führte aber auch zu den großen Lebensmittelketten und anderen Lieferanten.
Im April gab es Hausdurchsuchungen beim heimischen Zuckerkonzern Agrana. Es habe eine "Nachschau" gegeben, sagte Finanzvorstand Walter Grausam. Die Wettbewerbshüter hätten allerdings nach drei Tagen das Haus verlassen, "ohne ein einziges Beweisstück mitzunehmen. Sie haben überhaupt nichts gefunden", sagte Grausam. "Wir haben eine blütenreine Weste." ...
... Bei den Ermittlungen ging es um Untersuchungen der Zuckerpreisanstiege in den Jahren 2010 und 2011. Die BWB verdächtigte den Konzern auch, Preisabsprachen getätigt zu haben und stellte 2010 beim Kartellgericht einen Strafantrag in Höhe von 27,85 Millionen Euro. Grausam wies die Vorwürfe wiederholt zurück. APA
Die Lebensmittelgruppe Rewe bekam im Mai eine Kartellstrafe von 20,8 Millionen Euro verhängt, da sie viele Jahre lang mit den Lieferanten die Preise abgesprochen hatte. Bei diesem Kartell einigte sie Rewe mit den Lieferanten, dass diese keinen anderen Händlern günstigere Konditionen gewähren dürften. Rewe zieht mit der Anerkennung der Vorwürfe und der Geldbuße einen raschen Schlussstrich unter die Affäre.Durch die Aufdeckung erreichte die BWB einen spektakulären Etappensieg im Kampf gegen Marktmanipulationen. APA/GEORG HOCHMUTH
Im Mai wurde einige Tage lang Österreichs zweitgrößte Molkerei NÖM in Baden durchsucht. Davor hatte die BWB bereits Molkereien wie die Berglandmilch, Kärntnermilch oder Gmundner Milch unter die Lupe genommen.Der größte Betrieb, die Berglandmilch, war im Februar wegen jahrelanger Preisabsprachen zu einer Geldstrafe von 1,125 Millionen Euro verurteilt worden.
Einen Tag nach der Durchsuchung in der Kärntner Regionalzentrale, besuchte die BWB auch die Hauptzentrale des Handelsriesen Spar in Salzburg. Da man der BWB in Kärnten keinen Zugang zu den von ihnen benötigten Daten gewähren wollte, weitete die Behörde den Durchsuchungsbefehl auf die Zentrale in Salzburg aus, so BWB-Sprecher Stefan Ketznickl ...
... Konzern-Sprecherin Nicole Berkmann sieht das anders. Sie bestätigte zwar den Besuch von Mitarbeitern der BWB, konnte ihnen aber keinen Zugriff auf besagte Daten gewähren, da sich diese in der Salzburger Zentrale befänden. Das Angebot, die Daten per Link zur Verfügung zu stellen, wurde abgelehnt... EPA
... Während Ketznickl betonte, die BWB hätte eine Menge an Daten von Salzburg mitgenommen, sagte Berkmann, dass die Behörden keine weiteren Unterlagen mitgenommen hätten.Bereits Ende Jänner war die BWB in der Spar-Zentrale in Salzburg "zu Besuch", da der Verdacht auf illegale Preisabsprachen, vor allem bei Molkereiprodukten, aber auch bei Bier, Kaffee oder Mehl bestand.
Wo die Wettbewerbshüter anklopften
Das Programm war nach Drexels Angaben mindestens 30 Minuten lang aktiv. Das reiche laut FBI-Experten, damit das gesamte Programm durchlaufe. Aber solange man den Stick von der Behörde nicht habe, könne nicht gesagt werden, was genau abgelaufen sei. "Wir können nicht sagen, wie groß der Schaden ist, aber der gerichtlich beeidete Sachverständige hat dringend geraten, dass wir bei mehr als 25.000 Endgeräten diverse Informationstechnologie-Komponenten austauschen müssen. Das allein kostet mindestens eine Million Euro. Und das ist eine Minimalsicherungsmaßnahme, die wir auch schon in die Wege geleitet haben."
Die BWB ermittelt seit Jahren wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen gegen den Handelskonzern. Nicht immer mit lauteren Mitteln, unterstellt Drexel nun. Das Geld für diese Kosten will Spar zurück - und die Republik auf Schadenersatz klagen. Auch andere rechtliche Schritte würden ergriffen, sagt Drexel.
„Wir haben nichts angestellt"
Die Mitkonkurrenten des Rewe-Konzerns (mit Merkur, Billa und Penny) einigten sich erst kürzlich mit der BWB auf ein Anerkenntnis der Vorwürfe und zahlten die bis dato zweithöchste Kartellstrafe. Im Zuge dieses Settlements blieben Details zu den vorgeworfenen Preisabsprachen geheim. Ähnlich war das bei den Strafen gegen Lieferanten des Handels. Bei Spar läuft es dagegen anders, hier steht kein Settlement im Raum. Spar-Chef Drexel denkt nicht daran, ein „pauschales Schuldeingeständis" zu unterschreiben. Er wolle sich auf keine Strafzahlung einlassen, solange es keine konkreten Vorwürfe gebe. „Denn wir haben nichts angestellt."
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat laut Spar bei einer Hausdurchsuchung verbotene Spionage-Software verwendet. Das Oberlandesgericht Wien, das den Befehl zur Razzia ausgestellt hat, weiß nichts davon.
Die Wettbewerbshüter haben sich zu früh gefreut. Nachdem Rewe wegen Preisabsprachen brav Bußgeld gezahlt hat, erweist sich Spar nun als härterer Brocken.
Die Wettbewerbshüter fordern wegen Preisabsprachen Geldbußen für zwei Spar-Lieferanten, den Joghurthersteller Emmi und die Brauerei Rieder. Spar weist jede Schuld von sich.
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