Rapper Gerard: Locker, aber zielgerichtet

Gerard: Locker, aber zielgerichtet
Gerard: Locker, aber zielgerichtet(c) Christine Pichler
  • Drucken

Ein Suderant ist der Wiener Rapper Gerard nicht, doch beherrscht er das Hochdeutsche mit Berliner Färbung.

Die „Generation Maybe“ hat alle Möglichkeiten, kann sich aber nicht entscheiden. Denn wenn alles möglich ist, besteht die Schwierigkeit manchmal darin, sich auf etwas festzulegen. Auf etwas, das besser ist, als einfach nur die Leber bis zur Afterhour durchzupeitschen.

Der Rapper Gerard singt über diese Leute, die wie er Mitte zwanzig sind, studieren, suchen oder abwarten. Er selbst hat seine Entscheidung getroffen. Denn „wenn man nichts dagegen tut, wird der Blues des Lebens leider nicht gelöst, sondern wieder nur tanzbar“, formuliert er auf seinem neuen Album. Obwohl „Blausicht“ bereits seine dritte Platte ist, fühlt sie sich wie ein Debüt an. Gerards erster Hip-Hop-Versuch liegt aber schon seit einigen Jahren im Keller. Der 26-jährige Gerald Hoffmann aus der „unspektakulären Reihenhaussiedlung“ in Thalheim bei Wels war 14 Jahre alt, als ihm beim zweiten Hören das Deutsch-Rap-Album „Deluxe Soundsystem“ doch noch gefallen hat.

Und weil sich beim Freestylen auf Gerald nicht so viel reimen wollte, verpasste er sich einen neuen Namen. „Alles klar, Gerard! Ich bin da!“, so in etwa hat das dann geklungen, erinnert er sich. Ein Jahr danach veröffentlichte er als Gerard MC die ersten Tracks und mit 16 Jahren brachte er eine Maxi-Vinylplatte heraus. „Von ‚Druck/Jede Nacht‘ stehen heute noch 450 von 500 Stück bei meinen Eltern im Keller“, amüsiert er sich und kündigt ein Revival an: „Irgendwann hol ich die Platte wieder raus. Das Anhängsel MC hatte damals übrigens echt jeder“, mittlerweile wurde es aber annulliert, es passt nicht mehr zur Zeit, zum Stil, zum Gesamtpaket – und das ist ihm wichtig.

Liebeskummer und andere Noras

Zuerst bringt er aber noch sein über ein Jahr angeteasertes Album „Blausicht“ heraus. Es ist eine warme, elektronische, elegante Rap-Platte, deren futuristische Tüfteleien von Patrick Pulsingers analoger Mischung ausbalanciert und feingeschliffen wurden. Zum restlichen Kreis der Verantwortlichen, mit dem er zwischen Wien und Berlin pendelt – „wo die Aura eine andere ist“ oder sich in einer Hütte im Toten Gebirge einschließt, „wo zumindest die Luft eine andere ist“ – gehören Nvie Motho und DJ Stickle. Sie sind für die zeitgemäßen Arrangements verantwortlich.

Kidizn Sane ist der Mann für die visuelle, puristisch schmallinige Umsetzung von Gerard. Fid Mella, Mainloop und Clefco haben ein paar Beats dazugeschossen, Megaloh und die angesagten OK Kid geben ein Gastspiel auf „Blausicht“. Gerards Texte, die er mit Vorliebe im unkonventionellen Schema über zwei Zeilen reimt, erzählen vom Alltag. Alte Lieben und neue Bettgeschichten kommen vor, die abklingen oder ernst werden: „Wenn du die nächsten Jahre noch nichts fix geplant hast, dann wohn bei mir!“

Verwirrung stiftete er mit seiner Exfreundin. In der Nummer „Manchmal“ schildert Gerard, wie ihn die Stadt verschluckt, seitdem sie, Nora,  gegangen ist. Er verarbeitet seinen Liebeskummer, ohne in Schülerpoesie abzurutschen und würdigt parallel die Trennung eines Wiener Kollegen. Der Rapper Kamp widmete seiner Exfreundin, zufällig auch einer Nora, nämlich ein ganzes Album. „Jetzt glauben die in Deutschland, dass es in Wien eine Nora gibt, die allen Rappern den Kopf verdreht“, feixt er. Der Song „Wie Neu“ widmet sich einem sachlicheren Thema, fordert, dass man Jüngere an die Hebel lassen sollte. „Verstaubte Infrastrukturen gibt es überall, auch in der Plattenindustrie, die nicht mehr ganz zeitgemäß ist.“ Grund zum Sudern ist das aber keiner, das liegt ihm nämlich nicht, sagt er.

„Es ist echt schwierig, das will ich nicht abstreiten, aber dass man immer alles auf fehlende Medienstrukturen legt, nervt. Ich glaube fest daran, dass die Leute von selbst auf dich zukommen, wenn das Produkt geil genug ist.“
Seine anstehende Tour führt ihn bald durch halb Deutschland, nur zwei Termine gibt es in Österreich. Wer ihn wo buche, sei ihm egal, „ich mache meine Musik und wo man die hören will, da spiele ich“. Und damit es keine Verständnisschwierigkeiten gibt, hat er seinen Dialekt vorausschauend abgelegt, er spricht jetzt Hochdeutsch mit einem Tick Berlinerisch. Unterstützung findet Gerard vor allem bei seinen Bekannten Casper und Cro, mit denen er optisch (Rehaugen, brünettes Haar, lockere Haltung) wie klanglich (Rap feat, Indie feat, Pop) verglichen wird. „Manche Leute glauben ja, ich wäre Cro“, grinst er. Vor allem diese Erfolgsgeschichten hätten ihn motiviert. „Warum soll es nur bei ihnen klappen und bei mir nicht?“ Dieses „Du schaffst es“-Mantra taucht auf „Blausicht“ immer wieder auf. „Das Album ist positiv und Mut machend“, darauf hat er achtgegeben.

Pandaschutz im Gänsehäufl

So selbstsicher er auch ist, zu viel Aufmerksamkeit erhofft sich Gerard für die nähere Zukunft nicht. Die finstere Front kennt er schon von den Kollegen. „Diesen Sommer war ich mit Casper und Cro im Gänsehäufl baden. Cro hatte natürlich keine Pandamaske auf, trotzdem musste auf Wunsch des Managements ein Bodyguard mitgehen.“

Diese Nebenwirkung von „Fame“ findet Gerard nicht erstrebenswert, noch weniger als seinen ersten Bildungsweg. Die Entscheidung, nach dem Jusstudium beim Hip-Hop zu bleiben, ist ihm trotzdem nicht leicht gefallen, noch weniger seinen Eltern. „Mein Papa war skeptisch, weil er die AKM-Abrechnungen in der Höhe von 1,50 Euro gesehen hat.“ Ertragreicher wäre wohl die Juristerei gewesen.

„Ich wusste aber, wenn ich einen Job suche, dann stirbt Gerard über kurz oder lang.“ Und schließlich „sollte man auch das tun, was man gern tut, weil man nur hier sein volles Potenzial ausschöpfen kann“. Bei ihm stünde eben Hip-Hop im Vordergrund, die Richterin, bei der er sein Gerichtsjahr bewältigt hat, könne ein Lied davon singen. Und für den Fall, dass er doch nicht der nächste Casper wird, hat er eine Alternative: „Wenn das Album nicht funktioniert und ich auf meinen Schulden sitzen bleibe, kann ich immer noch Anwalt werden.“

TIPP

„Blausicht“ von Gerard erscheint am 20. September, am 15. November spielt er im Salzburger Rockhouse und am 17. November im Wiener B72.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.