Der Zins geht um 0,25 Punkte nach unten. Die EZB bekräftigt mit dieser Maßnahme ihr Billiggeldversprechen. Der Euro-Dollar-Kurs knickt ein.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins überraschend gesenkt und verschärft damit ihren Krisenkurs. Die Notenbank reagierte am Donnerstag auf die zuletzt extrem niedrigen Inflation im Euroraum und senkte ihren Leitzins auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. Das teilte die EZB in Frankfurt mit. Bankvolkswirte hatten einen unveränderten Leitzins erwartet.
Die internationalen Finanzmärkten haben mit deutlichen Bewegungen reagiert. Die europäischen Leitbörsen sprangen deutlich nach oben und der Eurokurs fiel rapide von mehr als 1,35 auf unter 1,34 Dollar. Der DAX lag nach den Zinsschnitt um 1,29 Prozent im Plus und markierte bei über 9143,16 Punkten ein neues Rekordhoch.
Draghi: "Keine Deflation"
Trotz der zuletzt niedrigen Inflation droht der Eurozone laut EZB-Chef Mario Draghi kein Preisverfall auf breiter Front. "Wir sehen insgesamt keine Deflation auf uns zukommen", sagte Draghi am Donnerstag nach der überraschenden Leitzinssenkung auf 0,25 Prozent. Es sei allerdings eine "längere Phase" niedriger Inflation zu erwarten. Danach werde sich diese schrittweise dem angestrebten Niveau annähern, fügte der Italiener hinzu. Details zu der erwarteten Preisentwicklung werde die EZB in den Konjunkturprognosen im Dezember vorlegen.
Der Wechselkurs sei "kein Ziel der Geldpolitik", betonte der EZB-Chef. Das Thema habe keine Rolle gespielt, sei nicht einmal angesprochen worden. Insbesondere die Exportwirtschaft sieht einen starken Euro als schädlich an, zumal andere Länder wie etwa die USA und Japan ihre Währungen mit massiven Geldspritzen de facto geschwächt haben.
Billiges Geld soll Teuerung anheizen
Die Erwartungen an die EZB die Geldpolitik zu lockern waren zuletzt gestiegen. Die Jahresinflationsrate war im Oktober mit 0,7 Prozent auf den niedrigsten Stand seit fast vier Jahren gefallen. Das billige Geld soll helfen, eine deflationäre Abwärtsspirale aus fallenden Verbraucherpreisen und schwachem Wirtschaftswachstum zu verhindern. Das belgische Ratsmitglied Luc Coene hatte kürzlich betont, dass "ein weiterer Fall der Inflation ein geldpolitisches Handeln rechtfertigen" könne. Die meisten Ökonomen hatten dennoch mit einer Zinspause gerechnet.
Japan als abschreckendes Beispiel
Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das stärkt den Preisauftrieb. Die EZB sieht Preisstabilität bei knapp unter 2,0 Prozent Jahresteuerung. Dauerhaft fallende Preise gelten als Gift für die Konjunktur. Abschreckendes Beispiel ist Japan, das vor eineinhalb Jahrzehnten in eine Deflation gerutscht ist. Dieser Teufelskreis aus fallenden Preisen und sinkenden Investitionen hemmt das Land bis heute.
Zuletzt lag die Inflationsrate im Euroraum im Jänner bei der angestrebten Marke von 2,0 Prozent, seither teils deutlich drunter. Üblicherweise orientiert sich die EZB nicht an einzelnen monatlichen Inflationsdaten, sondern am mittelfristigen Ausblick. Und: Zum Teil ist der geringe Preisdruck eine Folge der politisch gewollten Sparmaßnahmen in einigen Krisenländern.
Auswirkungen umstritten
Für Deutschland mit seiner relativ robusten Konjunktur gilt schon das bisherige Zinsniveau als zu niedrig. Und da Banken bereits extrem günstig an Geld kommen, es aber nicht an Unternehmen weiterreichen, ist umstritten, ob die erneute Zinssenkung in den Krisenländern positive Auswirkungen haben wird.
Mit einer nennenswerten Belebung der Kreditvergabe in den Euro-Krisenländern sei nicht zu rechnen, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB.. "Mittel- bis längerfristig nehmen allerdings die Risiken der Niedrigzinspolitik weiter zu - insbesondere die Gefahr von falschen Risikoeinschätzungen, verzerrten Investitionsentscheidungen und Vermögenspreisblasen."
Der historische Zinsschritt kommt auch deshalb überraschend, weil die Wirtschaft im Euroraum die Rezession verlassen hat und 2014 - auch nach EZB-Prognosen - wieder wachsen wird. Allerdings sei die wirtschaftliche Erholung "schwach, fragil und ungleichmäßig", wie das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen kürzlich betonte.
Großbritanniens Notenbank behält ihre lockere geldpolitische Linie bei. Wie die Bank of England am Donnerstag in London mitteilte, bleibt der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.
(APA/dpa-AFX) )