Architektur

Neue Bim an der Côte d’Azur

Fast lautlos und ohne störende Oberleitung gleiten die Straßenbahnen auf begrünten Gleisen durch das Zentrum von Nizza.
Fast lautlos und ohne störende Oberleitung gleiten die Straßenbahnen auf begrünten Gleisen durch das Zentrum von Nizza.Foto: Viennaslide
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Das Konzept der autogerechten Stadt ist europaweit gescheitert – außer in Frankreich: Dort beschreitet man einen erfolgreichen Weg und verwandelt die Städte in Territorien der Hochwertigkeit. Das Werkzeug: neu gedachte ­Strecken der Öffis.

In den 1960er-Jahren schwappte mit dem Wirtschaftswunder auch die große Motorisierungswelle über die Städte. Während die Straßenbahnnetze im deutschsprachigen Raum reduziert wurden, blieben doch viele Betriebe erhalten; in Frankreich wurde der öffentliche Verkehr dagegen auf ein Minimum reduziert. Von den vielen Betrieben blieben nur bescheidene Reste in Lyon, St-Etienne und Lille. Gleichzeitig investierte man in Straßeninfrastruktur: So wurden in Paris Autostraßen auf den romantischen Kais der Seine oder ein Autobahnring um die Stadt angelegt.

Nach der ersten Ölkrise beschloss Frankreich, dass die Ballungsräume neue, vorzugsweise elektrisch betriebene, kollektive Verkehrsmittel benötigten, um die Probleme des Autoverkehrs in den Griff zu bekommen und die Luftverschmutzung zu bremsen. 1975 schrieb Marcel Cavaillée, Staatssekretär im Verkehrsministerium, einen Brief an einige große Provinzstädte, in dem er sie aufforderte, neue Konzepte für den Stadtverkehr auszuarbeiten. Die Reaktionen waren vorerst zurückhaltend, dank der Förderung des Staates wurden dann aber drei Projekte verwirklicht: Nantes war Vorreiter und eröffnete 1985 die erste Straßenbahn der neuen Generation, dann folgten Grenoble und eine Vorortstrecke in Paris.

Während die Tramway von Nantes noch eher konventionell wirkt, begann Grenoble mit dem Bau von Straßenbahnlinien auch ein komplexes Stadterneuerungsprojekt. Der Autoverkehr wurde aus dem Stadtzentrum zurückgedrängt, ein hochmodernes, barrierefreies Verkehrsmittel erschließt nun die neuen Fußgängerzonen. Es war das erste Mal, dass die Straßenbahn als Mittel der Stadterneuerung in ein Gesamtkonzept integriert wurde. Es war dann aber Straßburg vorbehalten, mit grandioser Konsequenz alle Elemente umzusetzen, die inzwischen als „Straßenbahn französischer Schule“ bezeichnet werden.

Rollende Gehsteige

Heute gleiten elegante Designerfahrzeuge mit riesigen Türen und Fenstern als rollende Gehsteige durch eine völlig transformierte Stadtlandschaft, mit angepasster Geschwindigkeit durch die Altstadt oder fast lautlos auf Grasflächen durch neu angelegte Alleen in die Vororte – Autoverkehr gibt es im zentralen Bereich kaum noch. Die durchfahrenen Stadtteile wurden zu einem „Territorium der Hochwertigkeit“ in bewusstem Gegensatz zu den billig hochgezogenen Shoppingmalls der Peripherie.

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