Staatschef Viktor Janukowitsch reist trotz seiner diplomatischen Kehrtwende zum Ost-Gipfel der EU.
Wer trägt die Schuld am Scheitern des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine? Um diese Frage ist ein Wortgefecht zwischen Brüssel und Moskau entbrannt. Während die EU bei Russland die Verantwortung für die abrupte Kehrtwende des ukrainischen Präsidenten, Viktor Janukowitsch, am vergangenen Donnerstag sieht, werfen russische Regierungsvertreter im Gegenzug der Union erpresserische Methoden vor.
In Kiew selbst fällt die Antwort auf die Schuldfrage relativ eindeutig aus: „Russland hat uns vorgeschlagen, die Unterzeichnung (des Assoziierungsabkommens, Anm.)zu verschieben und Verhandlungen aufzunehmen“, sagte der ukrainische Premier, Mikola Asarow, am Dienstagnachmittag – eine für Russland mehr als peinliche Klarstellung, hatte man in Moskau noch am Vormittag alle dahingehenden Vermutungen als „unangemessen“ zurückgewiesen. Die Unterzeichnung des Abkommens hätte der Höhepunkt des am morgigen Donnerstag in Vilnius beginnenden Gipfels der EU-Ostpartnerschaft werden sollen, in deren Rahmen die Union sechs ehemalige Sowjetrepubliken an EU-Binnenmarkt und europäische Rechtsnormen heranführen wollte – was in Moskau offenbar als strategische Bedrohung gewertet wurde, denn im Gegenzug drohte Russland den Abtrünnigen in spe Handelssanktionen an. Mit Erfolg, denn mittlerweile halten nur noch die Republik Moldau und Georgien an dem Abkommen mit der EU fest.
Janukowitsch will jedenfalls trotz seiner diplomatischen Volte nach Vilnius reisen. Es solle ausgelotet werden, ob es eine Lösung für die Wirtschaftsprobleme seines Landes geben könne, an der sowohl die EU als auch Russland beteiligt seien, sagte Asarow. Anfang Dezember will die Ukraine mit Russland über eine Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen verhandeln. (ag./la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2013)