Präsident Janukowitsch erhebt schwere Vorwürfe gegenüber Brüssel. Er werde das Assoziierungsabkommen nur unterzeichnen, wenn es auch den Interessen der Ukraine diene.
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch geht nun vollends auf Konfrontationskurs mit der EU: Nachdem er vergangene Woche bereits ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen mit der EU verworfen hatte und sich damit demonstrativ wieder Russland annäherte, warf er der Europäischen Union nun vor, Kiew ein erniedrigendes Angebot gemacht zu haben.
Brüssel habe der Ukraine zwar 610 Millionen Euro an Hilfsgeldern zugesagt, diese Hilfe aber an eine Zusammenarbeit der Ukraine mit dem Internationalen Währungsfonds geknüft. Dieser wiederum stelle unannehmbare Bedinungen, sagte Janukowitsch: "Wir müssen uns nicht derart erniedrigen lassen. Wir sind ein ernst zu nehmendes Land. Wir sind ein europäisches Land", sagte er in einer Fernsehansprache. Er werde nur dann darüber nachdenken, das Abkommen mit der EU zu unterzeichnen, "wenn es unseren Interessen dient".
Putin fordert Abrüstung der Worte
Bis vor kurzem waren noch ganz andere Töne aus Kiew gekommen: Die Regierung hatte etwa zugegeben, dass ihre Abkehr von der EU vor allem auf russischen (ökonomischen) Druck zurückzuführen sei. Dies ist auch die in Europa vorherrschende Interpretation, die Russland freilich vehement zurückweist: Er fordere "meine guten persönlichen Freunde in der Europäischen Kommission" dazu auf, von harschen Worten Abstand zu nehmen, sagte Präsident Wladimir Putin.
Die Regierung in Kiew hat zwar die vorläufige Abkehr von Europa beschlossen, doch die Menschen wollen sich damit nicht abfinden. Die Massenproteste dagegen reißen nicht ab, die Polizei weiß sich nur durch den Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken zu helfen. Die Regierung scheint sich davon aber nicht umstimmen zu lassen. Das Nein zu Europa ist das vorläufige Ende eines langen Kräftemessens zwischen Russland und der EU um die für beide Seiten wichtige Ukraine. REUTERS
Nach einem Essen mit dem Chef des Inlandsgeheimdienstes erkrankt der westorientierte Oppositionschef Viktor Juschtschenko schwer. Er wird, wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl, nach Wien gebracht, wo die Ärzte im Rudolfinerhaus um sein Leben kämpfen. Später wird festgestellt, dass Juschtschenko mit einer lebensbedrohlichen Dosis Dioxin vergiftet wurde. EPA
Der moskautreue Viktor Janukowitsch (rechts im Bild, neben Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem scheidenden ukrainischen Staatschef Leonid Kutschma), wird zum Sieger der Präsidentenwahl ausgerufen. Juschtschenko und seine Anhänger wollen das Ergebnis wegen angeblicher massiver Fälschungen nicht anerkennen. EPA
Die Proteste der Opposition weiten sich immer mehr aus, wegen der Farbe der Juschtschenko-Anhänger setzt sich bald der Name "Orange Revolution" durch. Die EU und die USA protestieren gegen die Wahlfälschungen, die von der OSZE dokumentiert wurden. Letztlich gibt die Führung in Kiew klein bei und lässt eine Wiederholung der Stichwahl für Anfang Dezember ansetzen. EPA
Viktor Juschtschenko gewinnt die Neuauflage der Stichwahl gegen Janukowitsch mit 52 zu 44 Prozent der Stimmen. Diesmal spricht die OSZE von einer freien und fairen Wahl. Juschtschenko wird Präsident, seine Mitstreiterin Julia Timoschenko Premierministerin. EPA
Nach nur einem halben Jahr im Amt feuert Juschtschenko seine Premierministerin Timoschenko. Das Orange Lager, das nur das Ziel einte, das alte Regime zu stürzen, ist tief zerstritten. EPA
Es wird kalt in der Ukraine: Russland setzt zum ersten Mal die "Gaswaffe" ein, um Kiew auf Linie zu bringen. Während Moskau das Zudrehen des Gashahnes mit "rein ökonomisch" begründet, spricht Kiew von politischen Motiven. EPA
Nach monatelangem Gerangle und trotz eines Erfolgs der Moskau-treuen Kräfte wird Timoschenko Ende 2007 nochmals Premierministerin. Noch einmal haben sich die westortientierten Kräfte durchgesetzt. EPA
Der Streit zwischen Russland und der Ukraine um unbezahlte Gasrechnung und den Gaspreis eskaliert, Moskau dreht den Hahn komplett zu. In mehreren ost- und südosteuropäischen Staaten, manche davon Mitglieder der EU, kommt es zu Engpässen, die Heizkörper bleiben kalt. EPA
Er ist wieder da: Viktor Janukowitsch gewinnt die Präsidentschaftswahl, und diesmal ganz ohne Fälschungen. Damit rückt die Ukraine wieder näher an Moskau. EPA
Nachdem Julia Timoschenko nach dem Seitenwechsel mehrerer Abgeordneter bereits im März 2010 von einer pro-russischen Mehrheit als Premierministerin gestürzt worden war, lässt sie ein Gericht im August 2011 in Untersuchungshaft nehmen. Ihr wird vorgeworfen, in einem Gas-Deal mit Russland das Land geschädigt zu haben. Am 11. Oktober wird Timoschenko zu sieben Jahren Haft verurteilt. REUTERS
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht in Straßburg urteilt, dass die Inhaftierung und Verurteilung von Julia Timoschenko unrechtmäßig war. Die EU fordert auf Basis dieses Urteils immer nachdrücklicher, dass Timoschenko freigelassen wird oder ihr zumindest eine Behandlung im Ausland ermöglicht wird. Timoschenkos Tochter (im Bild) tourt als Fürsprecherin ihrer Mutter. unermüdlich durch Europa. EPA
Die Ukraine verkündet, die EU-Annäherung auf Eis zu legen und auf das Assoziierungsabkommen mit der EU zu verzichten. Während eines Gespräches mit Österreichs Präsidenten Heinz Fischer in Wien verliert Janukowitsch allerdings kein Wort darüber. EPA
Auch im Parlament in Kiew regt sich Protest gegen die ukrainische Abkehr von Europa. EPA
Spielball zwischen Russland und EU
Die Signale, die Janukowitsch aussendet, bleiben derweil gemischt: Denn ebenfalls am Dienstag sagte er, er wolle trotz allem am EU-Gipfel am kommenden Freitag in Vilnius erscheinen. Auf diesem Gipfel hätte eigentlich das Abkommen unterzeichnet werden sollen.
Seit Kiew am vergangenen Donnerstag das Abkommen mit der EU auf Eis gelegt hat, kommt es in der Ukraine täglich zu Protesten von Anhängern einer Westbindung des Landes. Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko ist in einen Hungerstreik getreten. Ihre Inhaftierung war indes ein Stolperstein, der eine Unterzeichnung des Abkommens ohnehin bis zuletzt fraglich hatte bleiben lassen. Die EU fordert, dass die in der Haft schwer erkrankte Timoschenko zumindest zur medizinischen Behandlung ausreisen darf, das ukrainische Parlament hat ein entsprechendes Gesetz aber verworfen.
Auf den Straßen Kiews halten die Proteste gegen die Abkehr von der EU an. Staatschef Janukowitsch bleibt unbeeindruckt – und verlangt von Brüssel die Zahlung von 160 Milliarden Euro als „Adaptionshilfe“.