Dianne Reeves: „Meine Stimme ist mein Spirit“

(c) Jerris Madison
  • Drucken

Dianne Reeves über Herz und Seele. Ihr neues Album heißt „Beautiful Life“, aus Trotz, was immer auch passiert. „Das Leben ist schön“, sagt die Jazzerin.

Dianne Reeves ist jene Jazzdiva der Gegenwart, die die meisten Stile beherrscht. George Clooney engagierte sie für seinen Film „Good Night, and Good Luck“. Damit wurde sie einem noch größeren Publikum bekannt. Eben hat sie mit „Beautiful Life“ ein superbes neues Album herausgebracht.

Zu Ihrem neuen Werk „Beautiful Life“ haben viele Musikerinnen beigetragen. Wollen Sie ein feministisches Statement abgeben?

Die meisten von ihnen hab ich in den vergangenen Jahren kennengelernt, mit manchen arbeite ich schon lang zusammen. Es ist die sensitive Art, in der sie spielen, die mich für sie eingenommen hat. Ob dieses Wohlgefallen jetzt schon eine feministische Regung ist, wage ich nicht zu sagen.

Wie sehen Sie die Rolle der Frau im heutigen Jazz? Hat sich da etwas getan in den vergangenen Jahren?
Es gibt ein viel größeres Bewusstsein für das, was Frauen im Jazz leisten. Es gibt tolle Lehrerinnen und sehr, sehr gute Instrumentalistinnen, Arrangeurinnen und Komponistinnen. Das sind alles Kräfte, die eine weibliche Perspektive in eine Musik einbringen, die lange Zeit männlich dominiert war und eigentlich immer noch ist.

Sie haben sich für Terri Lyne Carrington als Produzentin entschieden. Was sind ihre Qualitäten?
Mit ihr hab ich schon auf meinem Album „That Day“ erfolgreich zusammengearbeitet. Überhaupt kenne ich sie schon seit ihrem zehnten Lebensjahr. Was mich sehr für sie einnimmt, ist, dass sie sehr tief in der Jazztradition verwurzelt ist, aber über alles Bescheid weiß, was heutzutage vor sich geht.

Sie wechseln gern die Genres, haben über die Jahre alles von Straight-ahead-Jazz über Fusion, Soul, Blues bis zu Interpretationen von Popsongs probiert. Welcher Stil dominierte Ihre Kindheit?
Ich wuchs unter Jazzmusikern auf. Stark beinflusst hat mich meine um zehn Jahre ältere Schwester. Ich mochte alles, was sie mochte. Die Leute sprechen von Genres, aber es ist doch alles Musik. Mein Vater hörte sehr progressive Musik. Die mochte ich genauso wie das, was ich in der Kirche hörte.

Welche Musik animierte Sie selbst zum Singen?
Jazz! Und die R&B-Gruppe, die ich in der Highschool hatte. 

Sie meinten einmal, es komme beim Singen weniger auf die Stimme als viel mehr auf den Charakter an. Wie meinen Sie das?
Meine Stimme ist mein Spirit. Ich habe immer hart daran gearbeitet, dass meine Stimme die optimalen technischen Voraussetzungen dafür hat, meine Gefühle auszudrücken. Was mich als Sängerin ausmacht, ist aber mein Herz.

Hatten Sie auch gesangliche Vorbilder?
Ganz aus sich heraus kann niemand schöpfen. Sehr wichtig waren für mich Sarah Vaughan, Cannonball Adderley, Wayne Shorter. Außerdem beeinflussten mich Gospelsängerin Mahalia Jackson, der Brasilianer Milton Nascimento sowie Soul-König Marvin Gaye stark.

„Beautiful Life“ beginnt mit einer innigen Interpretation von Marvin Gayes Klassiker „I Want You“. Was bleibt von ihm?
Er brachte unerschrocken sein Innerstes nach außen und hatte eine große Tiefe. Als junges Mädchen hatte ich das Privileg, ihn einmal im Studio bei der Arbeit beobachten zu dürfen. Das muss so 1977 oder 1978 gewesen sein. Mein damaliger Freund war Gitarrist bei Gaye. Mich beeindruckte nachhaltig, wie sehr Gaye stets auf seine Instinkte vertraute. Das halte ich für den einzigen gangbaren Weg, Musik aufzunehmen. Er war immer mein Lieblingssänger.

Wie wichtig war Ihr heuer plötzlich verstorbener Cousin George Duke für Ihre musikalische Entwicklung?
Sehr! Nachdem ich Mitte der Siebzigerjahre nach Los Angeles gezogen war, arbeitete ich mit ihm im Studio und machte meine ersten Versuche als Solokünstlerin. Die Arbeit mit George hat mich geformt. Er war stets nur von den allerbesten Sessionmusikern umgeben.

Sie präsentieren auf „Beautiful Life“ natürlich auch einige Eigenkompositionen. Was war die Inspiration für „Tango“?
Das war die Erfahrung, Musik aus fernen Ländern zu hören, deren Texte man nicht versteht, die aber trotzdem viel Gefühl kommunizieren. Dieses Lied ist ein Tribut an alle Platten, deren Lyrics ich nicht verstehe, die mich aber dennoch sehr bewegen.

Ein anderer Höhepunkt auf Ihrem Album ist Ihr Duett mit dem mittlerweile berühmt gewordenen Sänger Gregory Porter. Was sind seine Qualitäten als Sänger?
Manche meinen, er wäre ein musikalischer Spätzünder. Das sehe ich nicht so. Das Versagen lag bei uns. Wir haben ihn nicht früher bemerkt. Was ihn als Sänger ausmacht, ist seine Intensität. Das kann man nicht über Nacht lernen. Gregory und ich kamen einander allmählich auf Festivals näher, probierten zuweilen schon ein Duett. In der Brust dieses Mannes wohnt eine alte Seele. Das finde ich sehr beeindruckend.

Wie kamen Sie auf den Titel „Beautiful Life“ in Zeiten, in denen ein solches für die meisten Menschen Utopie ist?
Gerade deshalb. Aus Trotz hab ich es so genannt. Ich selbst habe in den vergangenen fünf Jahren sehr schönes, aber auch immens Trauriges erlebt. Wenn man älter wird, muss man damit umgehen lernen, dass Freunde sterben. Trotzdem darf man nie vergessen, dass das Leben etwas sehr Positives ist. Die Suche nach Schönheit ist die Kraft, die mich weiterbringt.

Wie waren die Dreharbeiten mit George Clooney?
Er ist ein total entspannter, smarter Mensch, der Respekt vor allen hat, mit denen er arbeitet. Das macht die Menschen um ihn locker und damit authentisch. Der Mann ist wirklich eine Inspiration. Was mich glücklich macht, ist, dass ich alles, was im Film zu hören ist, live singen durfte. Und: Der Film hat mich einem Publikum nähergebracht, das mich bis dahin noch nicht bemerkt hatte.

Tipp

Diana Reeves, die in der großen Tradition von Billie Holiday oder Ella Fitzgerald steht, kommt am 16. 12, 19.30 Uhr ins Wiener Konzerthaus.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.