Den Koalitionspakt nennt der Bundespräsident "wirklich bemüht". Tirols VP-Chef sieht in der Abschaffung des Wissenschaftsressorts einen "Affront".
In die Kritik an der Abschaffung des Wissenschaftsministeriums stimmt nun auch Bundespräsident Heinz Fischer ein. Er persönlich hätte sich die Beibehaltung eines eigenen Ressorts gewünscht, sagte Fischer nach einem Treffen mit SP-Bundeskanzler Werner Faymann und VP-Vizekanzler Michael Spindelegger am Freitag.
Der Bundespräsident hat nach eigenen Angaben mit dieser Entscheidung in den vergangenen Wochen nicht gerechnet. Er habe das Wissenschaftsministerium für eine wichtige Institution und ein wichtiges Symbol gehalten. Der nun zuständige Minister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) werde die Aufgabe haben, zu beweisen, dass ihm Wirtschaft und Wissenschaft Anliegen sind sowie dass die Grundlagenforschung und -wissenschaften "nicht zu leiden haben": "Jetzt muss das Beste draus gemacht werden."
Erfreut zeigte sich Fischer, dass der Abschluss der Regierungsgespräche noch vor Weihnachten gelungen ist. Die Verhandlungen seien schwierig gewesen, aber er habe von Anfang an Zuversicht geäußert.
Gefragt, ob er die gewünschten Reformen im Regierungsprogramm erkennen kann, erklärte der Präsident, der neue Koalitionspakt sei das Ergebnis "wirklich harter Arbeit" und langer Verhandlungen. Es handle sich nicht um eine Einparteienregierung, deshalb müssten sich eben beide im Programm wiederfinden. Das Programm sei eines, das "wirklich bemüht ist, Österreich nach vorne zu bringen".
SPÖ und ÖVP wollen ihr Regierungsprogramm am Freitag vorstellen, die Inhalte sind aber bereits nach außen gedrungen. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Die Normverbrauchsabgabe beim Autokauf sowie die motorbezogene Versicherungssteuer werden erhöht. Die Alkoholsteuer wird um 20 Prozent angehoben, die Steuer auf Sekt und Prosecco um einen Euro je Liter. Für eine Steuerreform gibt es eine Absichtserklärung ohne einen Termin. Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 „in Richtung“ 25 Prozent gesenkt werden. BilderBox
Die Familienbeihilfe wird mit 1. Juli 2014 je nach Alter der Kinder auf 180, 200 und 220 Euro erhöht. Das System des Kindergelds wird umgestaltet: Künftig soll es ein Konto mit einer Fixsumme geben, Dauer und Bezugshöhe sind frei wählbar. Unangetastet bleiben indes die Gelder für die Ganztagsbetreuung an Schulen (400 Mio. Euro), den Ausbau der Kinderbetreuung und für den Wohnbau (276 Mio. Euro), von denen ursprünglich Teile für die Familienbeihilfe abgezwackt werden sollten.
Bis 2018 soll das faktische Pensionsalter, wie von der ÖVP verlangt, um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahre steigen. Passiert dies nicht, sind verpflichtend weitere Eingriffe vorzunehmen. Welche, entscheidet die Koalition. Einigt sich diese nicht, muss eine Schlichtungsstelle mit Experten Klarheit bringen. (c) Clemens Fabry
Für Arbeitgeber wird ein Bonus-Malus-System eingeführt. Wenn sie über 50-jährige Arbeitslose einstellen, sollen sie einen Bonus erhalten. Betriebe, die ältere Mitarbeiter hinauswerfen, sollen hingegen mit einem Malus zu bestraft werden. Konkret soll ab 2017 für alle Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern, die nicht ausreichend Mitarbeiter über 55 beschäftigen, eine neue Abgabe für altersgerechte Arbeitsplätze eingeführt werden. Diese Abgabe wird zu 50 Prozent als Bonus für die Beschäftigung älterer Mitarbeiter eingesetzt, die restlichen 50 Prozent fließen in die betriebliche Gesundheitsförderung. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
Ein zweites kostenloses Kindergartenjahr für Vier-bis Fünfjährige soll eingeführt werden. Das zweite Kindergartenjahr soll für Kinder mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten verpflichtend werden. (c) Presse (Fabry)
Künftig soll es mehr verschränkte Ganztagsschulen geben, in denen sich Unterricht, Lern- und Freizeit abwechseln. Das Regierungsprogramm sieht vor, dass es an jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. "in zumutbarer Entfernung" eine Klasse geben soll, die nach diesem Modell geführt wird, sobald 15 (bzw. in bestimmten Fällen 12) Schüler dafür angemeldet werden. Wie schon im Regierungsprogramm 2008 geplant, soll den Schulleitern mehr Mitsprache bei Personalauswahl bzw. Ressourceneinsatz gegeben werden. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Die bis 2016 limitierte Solidarabgabe für Spitzenverdiener wird verlängert. (c) Clemens Fabry
Die Mietvertragsgebühr für unter 35-Jährige bei erstmaligem Mietvertragsabschluss zwecks Hauptwohnsitzbegründung entfällt. APA/HELMUT FOHRINGER
Die Kosten für Kieferregulierungen, festsitzenden Zahnersatz und Mundhygiene für Kinder und Jugendliche werden künftig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem wird der Spitalskostenbeitrag für Kinder und Jugendliche abgeschafft und ein Gesundheitspass für 7- bis 18-Jährige eingeführt. APA/GEORG HOCHMUTH
Die Staatsholding ÖIAG wird neu ausgerichtet. Sie soll selbst über die Steigerung oder Senkung von Unternehmensanteilen die sie verwaltet entscheiden können; allerdings ohne die Sperrminorität von 25 Prozent zu unterschreiten. APA/HERBERT PFARRHOFER
Unternehmen sollen künftig bis zu zehn Prozent des Bilanzgewinns, aber maximal 1.000 Euro pro Mitarbeiter, steuerbegünstigt ausschütten können. Die Abgabe soll pauschal 25 Prozent, befristet auf drei Jahre, betragen. Die Senkung von Lohnkosten wird "geprüft". (c) Presse/ Bruckberger
Die Hürden für den Parlamentseinzug über Vorzugsstimmen werden noch einmal gesenkt, versprechen SPÖ und ÖVP im Regierungsprogramm. Zurückhaltend äußern sie sich zum Demokratiepaket, dazu soll eine Enquete-Kommission eingesetzt werden.Vage auch die Vorhaben zu einer Verwaltungsreform. Die Regierung dürfte eine Bezirksgerichts-Reform planen, denn das Zustimmungsrecht der Länder bei der Änderung der BG-Sprengel soll gestrichen werden. Und: Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung soll "wirksamer und kostengünstiger gestaltet" werden - die Länderkammer also offenbar kleiner werden. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Im Regierungsprogramm findet sich unter der Rubrik Ziel zum Thema "Für eine moderne Polizei und Sicherheitsverwaltung" lediglich folgender Punkt: "Sicherstellung einer zeitgemäßen Polizeiarbeit durch einen zielgerichteten Personaleinsatz, eingebettet in eine leistungsfähige Organisation zur Gewährleistung einer hohen Außendienstpräsenz sowie Ausbau des Bürgerservices und Reduktion des Verwaltungsaufwandes für BürgerInnen und Behörden." (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Bei den staatlichen ÖBB soll ein integrierter Taktfahrplan eingeführt werden. Die drei umstrittenen Tunnelprojekte Semmering, Koralm und Brenner werden in dem Papier nicht erwähnt, allerdings heißt es: "Sowohl der Ausbau der großen Achsen, insbesondere der Südachse, als auch die Modernisierung des Bestandsnetzes, die Bahnhofsoffensive und die Güterterminals wird weiter geführt." www.BilderBox.com
Die Regierung will Gerichte entlasten, Gerichtsgebühren evaluieren, und eine neue Justizanstalt mit eigener Jugendabteilung im Raum Wien errichten. Außerdem wurde ins Abkommen die schon von Ex-Ministerin Beatrix Karl angestoßene große Reform des Strafgesetzbuches (samt Beseitigung der Ungleichgewichte bei den Strafen) aufgenommen. Außerdem soll es eine Bezirksgerichts-Reform geben (siehe Punkt "Staatsreform"). (c) bilderbox
Was die neue Koalition bringt
Platter: "Gravierende Fehlentscheidung"
Verärgert über das Ende für das Wissenschaftsministerium unter seinem Landsmann Karlheinz Töchterle zeigt sich Tirols VP-Landeshauptmann Günther Platter. In einem Interview mit "ORF Radio Tirol" sprach er von einer "gravierenden Fehlentscheidung" im Hinblick auf die Zusammenlegung des Wissenschafts- mit dem Wirtschaftsministeriums und der Nichtberücksichtigung von Töchterle. Platter ortete einen "Affront" gegenüber Studierenden, Universitäten, Lehrenden und dem Personal. Außerdem sei Töchterlei eines der beliebtesten Regierungsmitglieder gewesen: "So kann man mit Menschen nicht umgehen".
Die Regierung verliert ihren "einzigen Mann" (Selbstbeschreibung): VP-Finanzministerin Maria Fekter muss ihren Sessel für den Parteichef höchstpersönlich räumen. Ihr knapper Kommentar am Tag der Koalitions-Einigung: "Ihr werdet's mir nicht fehlen" - gerichtet an Journalisten. APA/GEORG HOCHMUTH
Nach nur zweieinhalb Jahren in der Regierung muss Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle seinen Platz räumen. Die ÖVP wirft ihm vor, nicht immer im Sinne der Partei agiert zu haben. Die Presse
Töchterles Vorgängerin im Wissenschaftsministerium wechselte 2001 ins Justizressort, nun verlässt Beatrix Karl die Regierung. APA/HELMUT FOHRINGER
Nach "Sumsigate" (Berlakovich weigerte sich zunächst, Pestizide zu verbieten, die für das Bienensterben verantwortlich gemacht werden) muss VP-Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich den Hut nehmen. Die Presse
SP-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder hat den roten Nationalratsklub übernommen. Die Presse
SP-Unterrichtsministerin Claudia Schmied verkündete bereits am Tag nach der Nationalratswahl ihren Rücktritt - sie brauche "ein bisschen Zeit" für sich und die Familie. Schmied hatte bereits seit längerem als Wackelkandidatin gegolten. (c) APA
Die Bildung der Bundesregierung hat zur Folge, dass alle Minister ihre Nationalratsmandate zurücklegen. Im Klub der ÖVP tummeln sich unter den Abgeordneten nun gleich vier frühere Ressortchefs.
Maria Fekter übergab das Finanzministerium an ihren Parteiobmann Michael Spindelegger. Dem ÖVP-Parlamentsklub bleibt sie als Kultursprecherin erhalten.
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