Die von SPÖ und ÖVP vereinbarten Maßnahmen reichen nicht aus, sagt der RH-Präsident. Um "zukunftsfit" zu sein, brauche es Strukturreformen. Finanzminister Spindelegger widerspricht.
Die im Regierungsprogramm vereinbarten Ziele von SPÖ und ÖVP - ausgeglichener Haushalt bis 2016, Schuldenabbau und Wirtschaftswachstum - bewertet Rechnungshof-Präsident Josef Moser als „absolut positiv und notwendig". Der Weg dorthin sei aber offen und werde im Regierungsprogramm nicht konkretisiert, kritisierte er am Freitag: „Mit diesen Maßnahmen, die jetzt fixiert sind, ist der ausgeglichene strukturelle Haushalt bis 2016 nicht erreichbar."
Zwar sei zu würdigen, dass das Regierungsprogramm „eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen" zur Effizienzsteigerung vorsehe. Allerdings würde nur eine weitere Strukturreformen Österreich „zukunftsfit" machen. „Die Einzelmaßnahmen sind wichtig, notwendig und anzuerkennen. Das Problem ist aber, dass man damit das große Ganze nicht anschaut und so kann man den ausgeglichenen Haushalt nicht erreichen", meinte Moser.
Dass die Regierung neuerlich zehn Arbeitsgruppen zur Vorbereitung von Strukturreformen einsetzen möchte, anstatt die seit dem Österreich-Konvent erstellten Vorarbeiten umzusetzen, stößt beim Rechnungshof-Präsidenten ebenfalls auf Unverständnis: „Obwohl man das Problem kennt und die Lösungsansätze am Tisch hat, geht man nicht den nächsten Schritt zur Umsetzung, sondern man fängt wieder von vorne an, analysiert und in drei Jahren stehen wir wieder dort, wo wir nach dem Österreich-Konvent und der Arbeitsgruppe 'Verwaltung Neu' gestanden sind."
Spindelegger sieht Nulldefizit nicht gefährdet
VP-Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger ließ Mosers Kritik Freitagmittag nicht gelten. Der Budgetpfad in Richtung strukturelles Defizit 2016 sei nicht gefährdet - auch nicht durch den nun vereinbarten Beamten-Abschluss. Der fahrplan sei festgelegt und werde sukzessive abgearbeitet. So würden auch die Vorarbeiten für das Budget 2014 und 2015 derzeit auf Hochtouren laufen, erklärte der ÖVP-Chef in einer Aussendung.
Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder erteilte Mosers Forderungen eine Absage. „Ich sehe weder finanziell noch politisch Spielraum, über das Ausgemachte Zugeständnisse zu machen", sagte er am Freitag. Eine Steuerentlastung ist für Schieder frühestes Anfang 2015 möglich.
Das Steuerpaket der Regierung beinhaltet eine Reihe von Belastungen, die mit 1. März in Kraft getreten sind. Bis zu einer Milliarde Euro erwarten sich SPÖ und ÖVP davon. Die größte Last tragen dabei Autofahrer, Raucher und Unternehmen. Für letztere gab es nach Kritik aus der Wirtschaft aber doch noch Änderungen an den ursprünglichen Plänen. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Kfz-Steuer und motorbezogene Versicherungssteuer werden erhöht, wobei leistungsschwächere Fahrzeuge weniger betroffen sein sollen. Gesamt sollen diese Maßnahmen heuer 200 Millionen und in den Folgejahren 230 Mio. Euro in die Staatskasse spülen. Beispiele: Bei einem VW Golf Blue Edition mit 105 PS soll die Erhöhung laut Berechnung des Finanzministeriums 50 Euro pro Jahr ausmachen. Bei einem Mercedes SL 500 mit 387 PS sind es 500 Euro. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Direkt auf den CO2-Ausstoß abgestellt wird bei der Normverbrauchsabgabe. Hier wird ein Deckel eingezogen: Maximal sollen künftig 32 Prozent des (Netto)Kaufpreises fällig werden. Allerdings sollen Spritfresser mit über 250 Gramm CO2-Ausstoß einen Malus von 20 Euro pro Gramm bezahlen. Der Steuerbonus für Hybrid-Fahrzeuge wird um ein Jahr bis Ende 2015 verlängert, die Besteuerung von Benzin- und Dieselautos schrittweise angeglichen. (c) FABRY Clemens
Die Tabaksteuer wird stufenweise erhöht. Im ersten Schritt werden die Zigaretten-Packungen um bis zu 15 Cent teurer. Damit will die Regierung heuer 80 Millionen Euro mehr einnehmen. Bis 2016 sollen die Einnahmen auf 300 Millionen steigen.Beispiel: Bei einer Erhöhung von 15 Cent muss ein Österreicher, der ein Päckchen täglich raucht, im Jahr um 54 Euro mehr bezahlen. Fabry
Ebenfalls angehoben wird die Alkoholsteuer, die bei gebrannten Getränken, also Schnaps, anfällt. Das Plus beträgt hier 20 Prozent. 25 Millionen Euro jährlich mehr soll das einbringen. Wieder eingeführt wird die Schaumweinsteuer, was die Kosten pro Sektflasche um 75 Cent steigen lassen wird. Besonders hohe Einnahmen erwartet sich die Regierung davon aber nicht: 25 Millionen heuer, 35 Millionen in den Jahren darauf. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Die sogenannte Solidarabgabe für sehr gut Verdienende wird für unbefristet erklärt. Eigentlich war der (gestaffelte) erhöhte Steuerbeitrag beim 13. und 14. Gehalt bis 2016 befristet gewesen. Nunmehr erwartet man sich aus diesem Posten weiter 75 Millionen jährlich. (c) Clemens Fabry
Die erst vergangenen Juli vollzogene Senkung des Mindeststammkapitals einer GmbH von 35.000 Euro auf 10.000 Euro sollte eigentlich komplett revidiert werden. Nun bleibt die "GmbH light" für Firmengründer doch erhalten - binnen zehn Jahren muss das Stammkapital aber auf 17.500 Euro aufgestockt haben - nicht wie bisher geplant auf 35.000 Euro. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
Umgestaltet wird die Gruppenbesteuerung. Künftig sollen nur noch ausländische Körperschaften als "Gruppenmitglieder" anerkannt werden können, wenn sie in einem Staat ansässig sind, mit dem Österreich umfassende Amtshilfe vereinbart hat. Verluste dieser Gruppenmitglieder werden ab Jänner 2015 nur noch im Ausmaß von 75 Prozent der inländischen Gewinne berücksichtigt werden können. Getan hat sich auch einiges beim Gewinnfreibetrag: Die Möglichkeit des steuerbegünstigten Wertpapiersparens wird zwar bis inklusive 2016 gestrichen, der Kauf von Wohnbauanleihen soll aber weiter begünstigt werden. Eingeschränkt wird zudem die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern von über 500.000 Euro. Die Mehreinnahme für das Budget wird mit 60 Millionen bewertet. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
Gute Einnahmen verspricht sich das Finanzministerium aus der Neugestaltung der Bankenabgabe. Bei dieser wird künftig ausschließlich die Bilanzsumme als Bemessungsgrundlage herangezogen (nicht mehr auch Derivate). Der Sonderbeitrag zu dieser "Stabilitätsabgabe" bleibt zwar bis 2017 befristet, wird aber von 25 Prozent auf 45 Prozent angehoben. Gesamt erhofft man sich Mehreinnahmen von 90 Millionen unter diesem Posten. (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
Der lange geforderte "Handwerkerbonus" wird ab 1. Juli eingeführt. 2014 dürfte er zehn Millionen Euro kosten, im Jahr darauf 30 Millionen Euro. Konkret wird ein Pilotversuch zur Förderung von Handwerksleistungen gestartet, um Schwarzarbeit hintanzuhalten. APA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas
Die steuerliche Begünstigung freiwilliger Abfertigungen ("Golden Handshakes") sollte ursprünglich gestrichen werden, bleibt nun aber bis zu bestimmten Grenzen bestehen. Bei freiwilligen Abfertigungen gilt die dreifache Höchstbeitragsgrundlage (derzeit 13.590 Euro) als monatliche Höchstgrenze (wie viele Monatsgehälter ausgezahlt werden dürfen, richtet sich nach der Betriebszugehörigkeit). Bis zur Höchstgrenze werden Golden Handshakes mit sechs Prozent besteuert, darüber voll. Kündigungsentschädigungen sind bis zum Neunfachen der Höchstbeitragsgrundlage begünstigt. (c) Michaela Bruckberger
Zu einer Änderung kommt es auch im Glücksspielgesetz. Poker fällt - wie beispielsweise Roulette oder Black Jack - künftig voll unter das Regime des Glücksspielgesetzes. Bis zu drei Konzessionen für je einen Pokersalon könnten erteilt werden. Ursprünglich war nur eine Pokerlizenz geplant gewesen. (c) EPA (Tim Brakemeier)
Für Kinder und Jugendliche bis 18 gibt es ab Juli 2015 Gratis-Zahnspangen. Allerdings wird sie nur dann finanziert, wenn eine mittlere bis schwere medizinische Indikation dafür gegeben ist. APA/GEORG HOCHMUTH
Wer wie stark zur Kassa gebeten wird
Wegfall von Steuervorteilen „technisches Versehen"?
Neben Moser kam zuletzt vor allem vom ÖVP-Wirtschaftsbund Kritik. Dieser läuft vor allem gegen die geplante Schlechterstellung bei GmbH-Gründungen sowie gegen die Einschränkungen beim Gewinnfreibetrag Sturm. VP-Finanzminister Michael Spindelegger hatte dazu in der Freitagausgabe des „Standard" „Nachschärfungen" angekündigt. Schieder ist diesbezüglich skeptisch. Wenn man Varianten finde, die gewissen Interessen entgegenkämen, seien zwar Änderungen möglich. Diese dürften aber budgetär keine Auswirkungen haben.
Verständnis bringt der Klubchef dagegen für die Kritik der Arbeitnehmer-Vertreter auf, die sich dagegen wehren, dass etwa bei Kündigungsentschädigungen die steuerlichen Vorteile wegfallen sollen. Dass dies überhaupt im Gesetzesentwurf aufgetaucht ist, hält Schieder für ein „technisches Versehen". Das sei auch so nicht ausgemacht gewesen. Solche Zahlungen, die vor Gericht erstritten würden, hätten schließlich nichts mit „Golden Handshakes" zu tun, um die es ja bei diesen steuerlichen Änderungen gehe.
Verschärfung bei Gewinnfreibetrag und Unternehmensgründung löst Protest aus. Mitterlehner stößt mit Überlegung für eine Einstellungspflicht für Junge auf Widerstand.