Alle Scheinwerfer richteten sich auf Vitali Klitschko

GERMANY SECURITY CONFERENCEE
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Der Oppositionsführer nahm eine Auszeit von den Protesten in Kiew, um auf der Münchner Sicherheitskonferenz für Sanktionen gegen Kiew zu werben.

Wo er hinkommt, wird er wie ein Star behandelt, selbst auf dieser an Prominenz ja nicht gerade armen 50. Münchner Sicherheitskonferenz: Vitali Klitschko ist wohl der einzige Teilnehmer, dessen Ankunft in der Nacht auf Samstag eine Stunde lang im Ticker auf den Bildschirmen verkündet wurde.

Klitschko und sein Oppositionsführerkollege Arseni Jazenjuk nahmen sich eine Auszeit von den Protesten auf dem Kiewer Maidan, um in München für ein härteres Vorgehen des Westens gegenüber Präsident Janukowitsch zu lobbyieren. Das bedeutet: Sanktionen. „Das ist die einzige Sprache, die die Diktatoren in der Ukraine verstehen“, sagte der Champion zu den ihn belagernden Journalisten.

"Nazi-ähnliche Symbole" auf dem Maidan

Stichwort Sprache: Dass Opposition und Regierung längst eine unterschiedliche sprechen, wurde am Samstag bildhaft: Klitschko saß auf dem Podium direkt neben dem ukrainischen Außenminister Leonid Kozhara - und während dieser Englisch sprach, wählte Klitschko demonstrativ Deutsch. Die Spannung war mit Händen zu greifen, Klitschko schien förmlich zu kochen, während er den Ausführungen „seines" Ministers lauschen musste, der von „Terroristen auf den Straßen Kiews" sprach, gegen die man vorgehen müsse, und von „nazi-ähnlichen Symbolen" auf der Kleidung mancher Demonstranten.

Kozhara schwankte zwischen kaum verklausulierten Drohungen und dem Werben um Verständnis, dass man die Vorteile die der Ukraine durch Russland zuteil würden (konkret einen vorteilhafteren Gaspreis und einen 15-Milliarden-Kredit) doch nicht ignorieren könne. Im übrigen habe man alle Forderungen der Opposition erfüllt, doch der gehe es ja nur um ein Amt: "Um das Amt des Präsdienten. Manche würden aber bald bemerken, dass sie den Wahlkampf vielleicht zu früh begonnen hätten, meinte der Minister kryptisch.

Klitschko: "Jetzt geht es um das System"

Klitschko machte im Gegenzug klar, dass die Streitfrage längst nicht mehr die sei, ob sich die Ukraine der EU annähern solle oder nicht: „Jetzt geht es um das ganze System. Die Demonstranten sehen darin keine Zukunft mehr.“ Und er forderte die EU zu finanziellen Sanktionen an, denn das Geld, das teilweise auf Konten in der EU lagere sei „nicht nur unehrlich verdientes Geld, es ist sogar blutiges Geld.“

Da wird er noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben, denn in der EU geht die Diskussion im Moment nicht in diese Richtung, wie Österreichs Außenminister Sebastian Kurz berichtete. Kollegen wie etwa der Pole Radek Sikorski befürchten im Falle von Sanktionen ein Versiegen der Gespräche mit Janukowitsch – und eine dauerhafte Spaltung des Landes.

Auch Kurz, der Klitschko zu einem 35-minütigen Gespräch traf, in dessen Verlauf der Ukrainer vor einem Bürgerkrieg warnte, ist gegen Sanktionen. Die EU müsse aber geschlossen auftreten: „Gerade wenn man sieht, welchen Druck Russland ausübt.“ Die EU müsse aber geschlossen auftreten, forderte Kurz: „Gerade wenn man sieht, welchen Druck Russland als starker Player ausübt.“

Lawrow dreht den Spieß um

Russlands Außenminister Sergej Lawrow drehte den Spieß um und warf der EU vor, Druck auf die Ukraine auszuüben und dieser damit die Möglichkeit zu nehmen, sich „frei“ zwischen der östlichen und der westlichen Option zu entscheiden. „Der Ukraine wird die Wahl aufgezwungen“, wetterte Lawrow. Wenn dies das westliche Verständnis von Wahlfreiheit sei, dann sei das eine merkwürdige Interpretation. Es blieb nicht sein einziger Vorwurf: Lawrow beschuldigte den Westen, gewaltsame Proteste in der Ukraine anzustacheln. „Was hat denn das mit Demokratie zu tun?“, fragte der Russe, der seine Meisterschaft in politischem Zynismus in München wieder einmal unter Beweis stellte.

Ganz ist Klitschko die Auszeit von den Demonstrationen übrigens nicht gelungen: In München versammelten sich beim Sendlinger Tor hunderte Exil-Ukrainer, Sympathisanten und Schaulustige und jubelten ihm zu, als er von der Ladefläche eines Lastwagens, die zur Bühne umfunktioniert worden war, zu ihnen sprach.

Misshandelter Aktivist darf ausreisen

Unterdessen verschärft sich die Krise in der Ukraine. Die Justiz geht gegen Anti-Regierungs-Aktivisten vor. Besonders der Fall des nach einwöchiger Abgängigkeit aufgetauchten Aktivisten Dmitro Bulatow erregt Aufsehen. Der Mann, der erheblich verletzt ist, wurde zunächst unter Hausarrest gestellt, da er für die „Organisation massiver Unruhen“ verantwortlich gemacht wird. Bulatow ist einer der Organisatoren der Protestaktion Automaidan. Später verkündete Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier, man habe für Bulatow die Möglichkeit zur Ausreise erwirkt. Wenn er wolle, könne er sich in Deutschland medizinisch behandeln lassen.

Bulatow war am Donnerstag in einem Dorf in der Nähe von Kiew aufgetaucht. Nach eigenen Angaben wurde er von Unbekannten verschleppt und gefoltert. Erste Fotos von Bulatow sind schockierend: Sein Gesicht ist entstellt und blutunterlaufen, ihm soll ein Ohr abgeschnitten worden sein. Das Innenministerium erklärte, es sei nicht auszuschließen, dass Bulatow seine Entführung „inszeniert“ habe, um heftige Reaktionen zu provozieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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