Die vom Militär eingesetzte Regierung ist überraschend zurückgetreten. Vermutlich um die Kandidatur von Abdel Fatah al-Sisi für Präsidentenwahl zu ermöglichen.
Kairo. Nur eine Viertelstunde dauerte die Kabinettssitzung in Kairo, dann gab der Premier Hazem al-Beblawi völlig überraschend den Rücktritt seiner Regierung bekannt, ohne einen genauen Grund dafür zu nennen. Seit Wochen kursieren in Ägypten Gerüchte über den Rücktritt einzelner Minister. Ganz besonders wartete das Land darauf, ob Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi sein Amt niederlegen würde. Eine Voraussetzung dafür, dass al-Sisi – als Armeechef der eigentliche Machthaber im Land –, wie allgemein erwartet, für die kommenden Präsidentenwahl kandidieren darf.
Der Rücktritt des gesamten Kabinetts und des vom Militär eingesetzten Premiers al-Beblawi kam aber doch überraschend. „Eine Reform kann nicht von der Regierung allein erreicht, sondern muss von allen Ägyptern angestrebt werden“, ließ al-Beblawi in einer eher kryptischen Rücktrittsrede im ägyptischen Fernsehen verlauten. Es gebe große Herausforderungen, aber auch große Chancen. „Es ist Zeit, dass wir Opfer für unser Land bringen. Anstatt zu fragen: Was gibt das Land uns?, müssen wir fragen, was können wir ihm geben?“, paraphrasierte er ein Zitat John F. Kennedys.
Wer erwartet hatte, dass al-Beblawi in seiner Rede einen konkreten Grund für den Rücktritt angeben wird, wurde enttäuscht. „Dieser kollektive Rücktritt der Regierung war ein Schritt, der dem individuellen Rücktritt al-Sisis als Verteidigungsminister vorausgeht, damit es nicht so aussieht, als würde al-Sisi einen Alleingang machen“, wird ein hoher Regierungsbeamter in der ägyptischen Presse zitiert. Demnach hätte die Regierung also in vorauseilendem Gehorsam al-Sisi den Weg zu seiner Präsidentschaftsbewerbung geebnet.
Streikwelle erfasst Ägypten
Die Regierung stand freilich auch unter wachsendem Druck. Eine ganze Welle von Streiks zeigt, dass vielen Ägyptern der Geduldsfaden gerissen ist. Kairos Busfahrer haben am Wochenende mit Arbeitsmaßnahmen begonnen, um einen Mindestlohn von umgerechnet 120 Euro durchzusetzen. Gleichzeitig legten die Arbeiter der öffentlichen Verkehrsmittel in Kairo die Arbeit nieder. „Wir entschuldigen uns bei allen Bürgern. Wir streiken, bis wir unsere Recht bekommen“, heißt es auf einem Banner.
Seit zehn Tagen streiken auch die Textilarbeiter in den Webereien der Nildelta-Stadt Mahalla Kubra. Für die Regierung müssen die Alarmglocken schrillen. Der Streik der Textilarbeiter hatte vor drei Jahren neben den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz maßgeblich zum Sturz Mubaraks beigetragen. Der nun zurückgetretene Premier al-Beblawi hatte vor ein paar Tagen den Textilarbeitern versprochen, auf ihre Forderungen einzugehen.
Vorige Woche versprach die Regierung dann rangniedrigen Polizeioffizieren eine Gehaltserhöhung von einem Drittel, nachdem diese ebenfalls mit Streik drohten. Dagegen läuft gegen Mitglieder des Ärzteverbandes eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft, nachdem diese auch teilweise wegen der katastrophalen Arbeitsbedingungen im staatlichen Gesundheitssektor teilweise die Arbeit niedergelegt hatten. Dem folgten daraufhin auch die Straßenkehrer von Gizeh, die in ein Mindestlohnprogramm aufgenommen werden wollen. Übertroffen wurde das noch von einem Streik der Beamten des Grundbuchamtes. Seit Tagen können keine Immobilienkäufe mehr registriert werden.
Ibrahim Mahleb als Nachfolger
Als neuer Premier wird der bisherige Wohnungsbauminister Ibrahim Mahleb gehandelt. Der gehörte einst der Regierungspartei Mubaraks an und hatte die Baufirma Muaqawillun al-Arab geführt, die hauptsächlich von staatlichen Infrastrukturmaßnahmen lebt. Die Regierung al-Beblawis soll indessen so lange im Amt bleiben, bis eine neue Regierung gebildet ist.
Wenn im neuen Kabinett der Name al-Sisis als Verteidigungsminister fehlt, ist klar, dass der Armeechef für die Präsidentschaft kandidieren wird.
ZUR PERSON
Abdel Fatah al-Sisi. Der Armeechef – und damit automatisch auch bisherige Verteidigungsminister – steht in der Nachfolge Gamal Abdel Nassers, Anwar as-Sadats und Hosni Mubaraks. Erst kürzlich wurde der 59-Jährige zum Feldmarschall befördert. Seit Wochen spekuliert die Öffentlichkeit darüber, ob er heuer bei den Präsidentenwahlen antreten wird. Der Rücktritt des Kabinetts gilt als weiterer Schritt dazu.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2014)