Cap zu SPÖ-Programm: "Das ist keine Frage von links und rechts"

Die Presse
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Josef Cap erklärt, wie er das neue Parteiprogramm der SPÖ anlegt. Das Modell Renzi werde er genau studieren. Von Sanktionen gegen Russland hält er nichts, mit Putin müsse man reden.

Hätte die Sozialdemokratie nicht konsequent auf dem Dritten Weg bleiben sollen? Gerhard Schröders Agenda 2010 wird heute allseits gelobt.

Josef Cap: Das ist keine Frage von links und rechts. Heute geht es darum, dass unser Sozialmodell, das auch eine Art Wirtschaftsmodell ist, im Konkurrenzkampf mit China oder den USA bestehen kann. Es ist ein Kampf um Demokratie. Es heißt ja oft: Na, China, die werden nicht aufgehalten durch demokratische Wahlen, die können besser kalkulieren. Unsere Gegenposition ist: Wir können konkurrieren – und das soziale, das ökologische und das demokratische Element bleiben dabei nicht auf der Strecke.

Es gab später unter Alfred Gusenbauer eine Austroversion des Dritten Wegs, die solidarische Hochleistungsgesellschaft. Wird sie Eingang in das neue SPÖ-Programm, das Sie zu verantworten haben, finden?

Es gibt den Vorwurf der Konservativen, die Sozialdemokraten wären leistungsfeindlich. Das ist absurd. Denn wer heute im globalen Wettbewerb bestehen und gleichzeitig das eingangs beschriebene Gesellschaftsmodell erhalten will, der muss sowohl für Leistung als auch für Solidarität sein.

Die solidarische Hochleistungsgesellschaft ist also noch State of the Art in der SPÖ?

Nein, das ist keine Begrifflichkeit, mit der wir arbeiten. Wir arbeiten mit dem Begriff der Solidarität. Und natürlich auch mit dem Leistungsbegriff. Der spielt in allen Bereichen eine wichtige Rolle – was von uns auch niemals geleugnet wurde.

Wie wird das neue Parteiprogramm denn nun aussehen?

Wir arbeiten jetzt einmal die Fragen der Zeit auf. Dazu müssen wir die Fragen auch stellen. Diese erste Phase der Analyse wird dann in einer zweiten und dritten in Texte übergehen. Die dann neuerlich evaluiert werden. Meine Aufgabe ist es, Kreativität zu wecken, Plattformen zu entwickeln – für Mitglieder und Nichtmitglieder. Eugen Freund ist etwa genau in diesem Kontext zu sehen: Er hat als Nichtmitglied unsere Einladung angenommen, ein Stück des Weges mitzugehen. Wir müssen jetzt eine Trendwende herbeiführen. 27 Prozent ist ein niedriger Wert. Um ein Plus herbeizuführen, gibt es drei Ebenen: Eine ist die programmatische Erneuerung, eine die organisatorisch-kommunikative Erneuerung und eine die Weiterentwicklung der Regierungskompetenz.

An personelle Erneuerung ist nicht gedacht?

Nein.

Wann soll der Prozess abgeschlossen sein?

2016.

Weil Sie Eugen Freund angesprochen haben: Er hat gemeint, er kenne das bisherige SPÖ-Parteiprogramm gar nicht. Was sagt das über eine Partei aus?

Das 98er-Programm hat er in seinen wichtigsten Aspekten in seiner Tätigkeit als Journalist schon gekannt.

Die frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas hatte mit der Agenda 2020 bereits so eine Art Programmprozess gestartet. Was wurde daraus?

Auch das wird nun eine Rolle spiele. Wie auch Elemente der Programme der Nationalrats- und EU-Wahl.

Nun gab es im Vorfeld bereits Diskussionen über das neue Parteiprogramm. Ein Jugendfunktionär gab etwa die Parole „Sozialismus ist das Ziel – back to the roots“ aus.

Es gibt verschiedene Zugänge, um sich einem Parteiprogramm anzunähern. Man kann einen christlichen Zugang haben, einen liberalen – da wird das eine oder andere der Neos einfließen – und es wird auch marxistische Beiträge geben, in der Denkmethode...

Aber es wird kein marxistisches Programm?

Nein, nein. Es kann am Ende überhaupt kein geschlossenes Weltbild stehen. Wir stehen für die offene Gesellschaft.

Aber erkennt die Jugend ihre Partei noch?

Back to the roots ist, was die Werte betrifft, ja auch richtig. Gerechte Gesellschaft, Freiheit und Demokratie.

Sie machen das Programm gemeinsam mit SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha. Hätte man nicht einen Jungen nehmen können?

In unsere Leitungsgruppe sind viele kritische Junge miteingebunden. Es ist aber schon so, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der die Altersgruppe, die Karl Blecha repräsentiert, eine ganz wichtige Rolle spielt. Außerdem hat Blecha große Erfahrung.

So ein Programm wird immer auch von Personen repräsentiert. Werner Faymann wirkt aber nicht so, als hätte er eine Idee, wohin es mit seiner Partei, mit seiner Gesinnungsgemeinschaft gehen soll.

Ich habe den Eindruck, dass Werner Faymann in der realpolitischen Umsetzung mehr sozialdemokratische Komponenten vorzuweisen hat als viele andere europäische Regierungschefs. Wenn ich an die verteilungspolitischen Effekte der Steuerpolitik den vergangenen Jahre denke, dann ist da sehr viel drinnen im Sinne unseres Wertekanons. Und er hat die Programmdebatte ja auch initiiert.

Wie finden Sie den neuen italienischen Premierminister Matteo Renzi? Kann er der Sozialdemokratie neuen Schwung oder eine neue Richtung geben?

Sein Modell werde ich genau studieren. Es ist insofern interessant, als es Komponenten hat, die unseren sehr ähnlich sind. Man muss aber abwarten, wie seine reale Politik aussieht, welche Möglichkeiten ihm das System lässt. Er hat jedenfalls eine interessante Form der Kommunikationskultur.

Ein wenig schimmert bei Renzi wieder der Dritte Weg durch.

Weniger das. Es sind mehr linkspopulistische Anklänge. Behaupten jedenfalls Kommentatoren. Ich will mir da selbst ein Bild machen.

Er kann auf jeden Fall mit Berlusconi besser als die Linken bisher.

Er spricht mit allen. Das finde ich auch richtig. Ich habe im Parlament auch mit allen gesprochen...

Sogar mit der FPÖ.

Genau.

Wie soll man denn Ihrer Meinung nach mit Russland umgehen?

Ich sehe eine stabile politische und wirtschaftliche Entwicklung Europas ohne Russland nicht. Es sind tausende europäische Unternehmen in Russland engagiert. Ich finde, wenn man an Demokratisierungsprozessen, an ein Heranführen an unsere Standards interessiert ist, dann ist eine wesentliche Voraussetzung dafür eine entwickelte wirtschaftliche Verflechtung. Das hat auch friedenspolitische Komponenten.

Von Sanktionen halten Sie nichts?

Nein, nicht wirklich. Ich bin Verfechter einer Gesprächslösung, ich halte von Drohgebärden nichts. Man muss sich nun an den Tisch setzen und gemeinsam zu Kompromisslösungen kommen. Wir können uns keinen Wirtschaftskrieg leisten. Wir müssen kooperieren.

Man sollte Putin also nicht als den Bösen ins Eck stellen?

Ich verweise nur auf die Bilder, als die olympischen Vertreter Österreichs mit Putin Schnaps getrunken haben. Ich verweise auf die vielen österreichischen Unternehmen, die halb Sotschi aufgebaut haben. Ich verweise auch darauf, dass politische Vertreter der Regierung in Sotschi waren. Und ich finde, dass das in der Summe richtige Signale waren. Und es kann dann auch Phasen geben, in denen es Meinungsdifferenzen gibt. So wie jetzt. Das soll man aussprechen – und versuchen, einen Konsens zu finden.

Steckbrief

Josef Cap
ist stellvertretender Klubobmann der SPÖ und geschäftsführender Präsident des Renner-Instituts.

Von 2001 bis 2013
war der gebürtige Wiener Klubobmann der SPÖ im Parlament. Vorher war er Bundesgeschäftsführer der Partei.

Seit 1982
ist Cap bereits im Parlament. Den Einzug schaffte der Ex-Vorsitzende der Sozialistischen Jugend mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf. Cap zählt damit zu den dienstältesten Abgeordneten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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