Russland: Patriotismus statt Rating

People stand in line outside an exchange office PhotoagencyxInterpress PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHU
People stand in line outside an exchange office PhotoagencyxInterpress PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUimago/Russian Look
  • Drucken

Österreichs Banken geben sich trotz der Herabstufung von Russlands Bonität gelassen. Russlands Regierung ebenfalls. Die Investoren und der russische Rubel jedoch reagieren stark.

Wien. Unter den Nachrichten aus dem Osten ist die Herabstufung von Russlands Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur S&P nur eine von mehreren, die die dort engagierten österreichischen Banken erst einmal verdauen müssen. Zum Dauerbrenner einer möglichen Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland, die von Tag zu Tag wahrscheinlicher werden und jedenfalls in Vorbereitung sind, ist am Donnerstag noch eine Ankündigung der ungarischen Zentralbank gekommen, dass aufgrund von regulativen Änderungen in Ungarn tätige Banken künftig vermehrt Gelder im schwachen und volatilen Forint anlegen müssen.

Angesichts dieser Fülle gibt man sich hinsichtlich der Herabstufung Russlands demonstrativ gelassen. „Es bedeutet für uns im Prinzip keine Strategieänderung“, so Tiemon Kiesenhofer, Sprecher der Bank Austria. Auch Raiffeisen-Sprecher Martin Schreiber sieht kein Alarmzeichen, „weil wir keine dramatisch großen Positionen in Russland haben“: Raiffeisen halte russische Staatsanleihen „im niedrigen dreistelligen Millionenbereich“.

Investoren reagieren

Im Unterschied zur Erste Bank sind die beiden Geldinstitute stark in Russland engagiert. Bei Raiffeisen International (RI) ist das Russland-Geschäft überhaupt essenziell, hat es doch im Vorjahr mehr als zwei Drittel zum Vorsteuergewinn beigetragen. Kredite wurden im Ausmaß von zehn Milliarden Euro vergeben.

Nicht nur die RI-Aktie gab im Tagesverlauf daher um über zwei Prozent nach, auch der russische Leitindex RTS sackte – wie seit Beginn der Krim-Krise gehäuft – in etwa gleich stark ab. Auch der Rubel gab deutlich nach.

S&P hat das Rating um eine Stufe auf BBB- herabgestuft, was direkt über dem sogenannten Ramschniveau liegt, mit dem spekulative Anlagen gekennzeichnet werden. Weil der Ausblick negativ ist, sind weitere Abstufungen bei entsprechendem Anlass zu erwarten.

Politisch motiviert?

Das verringerte Rating sei von Investoren erwartet worden und würde nichts Entscheidendes an deren Einstellung ändern, sagte Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew: Der Schritt von S&P sei aber auch „teilweise politisch motiviert“.

S&P selbst begründet seinen Schritt freilich mit dem starken Kapitalabfluss im ersten Quartal und und dem zuletzt schwierigeren Zugang Russlands zum internationalen Finanzmarkt. In der Tat brachte Russland im ersten Quartal nur ein Zehntel des geplanten Emissionsvolumens auf dem Markt unter. Auktionen wurden aber wohl auch aus Vorsicht abgeblasen, mit einer relativ ungünstigen Platzierung eine solche Orientierungsmarke für künftige Emissionen zu setzen. Auch russische Unternehmer haben seit Februar keinen Eurobond mehr emittiert. Demgegenüber sind im ersten Quartal 51 Mrd. Dollar aus dem Land abgeflossen, was zuletzt etwa einem ganzjährigen Abflussvolumen entsprach.

Russland vor großem Rätsel

Die erschwerte Geldaufnahme freilich ist für den Staat aktuell nicht wirklich dramatisch, da Russlands Auslandsverschuldung mickrig ist und wenig Refinanzierungsdruck besteht. Der Rohstoffexport deckt die meisten Staatseinnahmen. Zusätzliche Sanktionen freilich könnten die Situation verschlechtern.

Aber auch so steht Russland vor einem großen Rätsel, mit welchem Wirtschaftsmodell man die strukturell bedingte – und durch die Krim-Krise nur verstärkte – Flaute überwinden könnte.

Schon 2013 hat das Wachstum lediglich noch 1,3 Prozent betragen. Für 2014 sind kaum noch Prognosen übrig, die über ein Prozent gehen. Die Suche nach einem neuen Wachstumsmodell ist momentan gestört von einem demonstrativen Patriotismus, der sich in der Überzeugung übt, dass die Sanktionen des Westens die russische Wirtschaft nur stärken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

A man walks under an umbrella during a snowfall, with St. Basil's Cathedral seen in the background, in Red Square in central Moscow
International

Russischen Staatsanleihen droht "Ramsch"-Status

Die Ratingagentur S&P hat auf die Zuspitzung der Ukraine-Krise reagiert und die Kreditwürdigkeit Russlands gesenkt. Mit der Note "BBB-" liegt sie nur knapp über dem spekulativen Bereich.
Russland, Moskau, Aussen- und Aussenhandelsministerium
International

Sanktionen gegen Russland: Zwischen Vorsicht und Kaufrausch

Über Sanktionen gegen Russland wird weiter diskutiert. Doch bei Wirtschaftstreibenden hier wie dort regiert längst die Vorsicht. Nur Russlands Konsumenten sind in Kauflaune.
Bis vor Kurzem war Prochorow in Opposition. Moskaus Konflikt mit dem Westen veranlasst ihn zur Solidarität mit Putin.
International

Russland: Die politisch korrekten Tycoons

Russlands Großunternehmer sind wegen des Konflikts mit der Ukraine und mit dem Westen höchst unzufrieden. Aber sie fürchten den Kreml und simulieren daher Loyalität.
RUSSIA GOVERNMENT PUTIN
International

Putin zieht das Land und die Seinen nach unten

Russlands Wirtschaft sei aufgrund der Krim-Krise bereits in eine Rezession geschlittert, meinen Ökonomen. Das größte Risiko aber verursache Putin selbst, indem er den Wohlstand seiner Umgebung gefährde.
International

Staat haftet für Banken in Ukraine und Russland

Krise. Eskaliert die Situation zwischen der Ukraine und Russland, muss der österreichische Staat für die Risken von Raiffeisen und Bank Austria aufkommen. Beide Institute haben sich mit 1,9 Milliarden Euro bei der Kontrollbank abgesichert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.