Kommentar

Eine neue Welle des Laufsteg-Aktivismus und parasitäre Guerilla-Eigenwerbung

Auf dem Laufsteg wird wieder protestiert, hier gegen Lederprodukte bei Coach in New York.
Auf dem Laufsteg wird wieder protestiert, hier gegen Lederprodukte bei Coach in New York.APA/AFP/Angela Weiss
  • Drucken

Neuerdings crashen Aktivisten wieder vermehrt Laufstegschauen mit ihren Botschaften. In Mailand wollte ein Wiener so parasitär sein eigenes Label promoten: Verzichtbarer geht es kaum.

Geschwindigkeit und Entschlossenheit, die beiden braucht man auf jeden Fall. Zum Beispiel so, vor ein paar Tagen bei Gucci: Gerade hat die erste Show des neuen Designers, Sabato de Sarno, begonnen, da raschelt es einen Meter neben mir. Eine junge Frau faltet ein Transparent in A3-Format auseinander, dann geht es blitzschnell. Sie steht auf, läuft ein paar Meter auf dem Laufsteg mit. Ihre Forderung: „Stoppt die Verwendung von exotischem Leder in der Mode.“ Nach einer Kurve ist die aktivistische Einlage zu Ende, ein Security packt sie am Arm, zieht sie vom Catwalk.

Man kennt solche Aktionen seit Jahrzehnten. Die Organisation Peta hat sich so gegen die Verwendung von Pelz in der Mode engagiert – und konnte sich am Ende durchsetzen. Fur free Fashion ist heute auch in der Luxusdomäne eine Selbstverständlichkeit, vor einigen Jahren gab es außerdem das Commitment, auf Schlangen-, Eidechsen-, Kroko-Leder zu verzichten. Auf dieses Engagement „vergessen“ gerade einige Marken wieder mehr und mehr. Dies wieder ruft erneut junge Aktivistinnen und Aktivisten auf den Plan, die sie an dieses Versprechen erinnern.

Und nun also, vor ein paar Tagen und ebenfalls in Mailand, der Auftritt eines sich offenbar besonders gewieft wähnenden Modemachers aus Wien: Er zog sich ein Logoshirt mit dem Markenzeichen seines eigenen Labels an und drehte eine Runde mit den Models, die für den deutschen Bling-Bling-Designer Philipp Plein defilierten. Offenbar blieb er sogar unbehelligt, wurde, so die Presseaussendung, die anschließend erfolgte, „erst auf der Straße von Securitiys aufgehalten“.

Auf dem Laufsteg, aber trotzdem unbemerkt?

Nun kann man sich fragen, was es aufmerksamkeitsökonomisch bringt, wenn der Urheber einer solchen Störaktion im Laufstegtreiben unbemerkt bleibt, sodass er erst nach Verlassen des Laufstegs und sogar des Gebäudes von Sicherheitskräften gestoppt wird (mit welcher rechtlichen Grundlage dann übrigens?). Obendrein hat ein Begleiter für ihn mitfotografiert, sodass der Designer von seinem, so ebenfalls der Pressetext, „Guerilla Stunt“ nun also stolz berichten kann. Als gelernter Modewochenbesucher frage ich mich an dieser Stelle eigentlich nur: Wie einfach ist es, ohne Einladung in eine Show von Philipp Plein zu kommen?

Wenn das in der ohnehin winzigen und leider im Kontext des großen Modekosmos recht peripher agierenden Wiener Szene nun Regungen wie „Auf dieses Marketinggenie können wir stolz sein“ hervorruft, dann müssen wir uns hierzulande wohl endgültig unter dem Stein des Provinziellen verstecken. Wenn ich mich als Modekritiker zwischen Selbstvermarktung und Aktivismus mit ernst zu nehmendem Inhalt bei einer Laufstegshow entscheiden muss, bitte immer das Zweite.

Und was Logo- bzw. Slogan-Shirts als Kommunikationsmittel betrifft: Gern wie einst Katharine Hamnett zu Besuch bei Margaret Thatcher als Mittel des politischen Protests (damals gegen die Aufstellung von Pershing-Raketen). Bloß zur Eigenwerbung und damit parasitär am Rande einer kommerziellen Show, deren Ausrichtung übrigens Zigtausende Euro kostet: Entbehrlicher geht es nun wirklich kaum.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.