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Podiumsdiskussion

Energiewende bei voller Versorgungssicherheit?

Eine Expertenrunde, Michael Strebl, Karina Knaus, Siegfried Nagl und Jürgen Schneider (v. l. n. r.), diskutierte unter der Leitung von Eva Komarek (Mitte) über die dringendsten Herausforderungen der Energiewende.
Eine Expertenrunde, Michael Strebl, Karina Knaus, Siegfried Nagl und Jürgen Schneider (v. l. n. r.), diskutierte unter der Leitung von Eva Komarek (Mitte) über die dringendsten Herausforderungen der Energiewende.(c) Roland Rudolf
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Österreich sei beim Umstieg auf erneuerbare Energien auf einem guten Weg, doch es bleibt noch viel zu tun. Eine Expertenrunde zeigt Wege zur nachhaltigen Versorgungssicherheit auf.

Bis zum Jahr 2040 soll die Energieversorgung in Österreich klimaneutral sein, was die Energieversorger vor enorme Herausforderungen stellt. Moderatorin Eva Komarek, General Editor of Styria Trend Topics, vergleicht das Vorhaben mit einer Operation am offenen Herzen. Wie die Versorgungssicherheit der Menschen gewährleistet werden kann, erörterten Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung, Jürgen Schneider, Leiter der Sektion Klima und Energie im BMK, Karina Knaus, Leiterin für die Bereiche Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise bei der Österreichischen Energieagentur, Siegfried Nagl, Energie-Sonderbeauftragter des Präsidiums der Wirtschaftskammer Österreich und ehemaliger Grazer Bürgermeister, und Robert Slovacek, Geschäftsführer Verbund Energy4Business GmbH.

Der Umbau des Energiesystems ist aufgrund des Klimawandels unbedingt notwendig, unterstreicht Michael Strebl, es gehe nun darum, eine Energieversorgung aufzubauen, die frei von jedem CO2-Ausstoß ist. Das stellt eine riesige Herausforderung dar. „Bei allen Vorteilen haben erneuerbare Energien einen Nachteil“, stellt Strebl fest, „Sie können zumeist nicht gesichert eingesetzt werden. Diesen Nachteil gilt es mit intelligenten Maßnahmen auszugleichen. Wie das funktionieren kann, hat die Studie der RWTH Aachen University gezeigt.“ Durch die Elektrifizierung unterschiedlicher Sektoren wird der Energiebedarf sinken, der Stromverbrauch aber ansteigen, so Strebl, das sei etwa durch die Elektromobilität und bei der Wärmeerzeugung mittels Wärmepumpen zu erwarten: „Unsere Kraftwerke wie in Simmering oder in der Donaustadt sind auf Knopfdruck einsatzbereit. Wenn Strombedarf vorhanden ist, dann fährt das Kraftwerk. Leider kann man die Sonne oder den Wind nicht auf Knopfdruck einschalten.“

Intelligente Energiemodelle

In Zukunft wird es Phasen geben, in denen zu viel erneuerbare Energie produziert wird. „Das ist an Tagen der Fall, an denen die Sonne scheint oder der Wind weht und der Verbrauch relativ gering ist“, führt Strebl aus, „es gibt aber auch Tage, an denen wir zu wenig erneuerbare Energie produzieren und der Verbrauch dennoch vorhanden ist. Wir werden in Zukunft also neben den vielen dezentralen Anlagen auch flexible zentrale Kraftwerke benötigen, um diese Schwankungen auszugleichen.“ Auch der Verbrauch muss flexibler werden. Um die Menschen zu einem flexiblen Stromkonsum zu bewegen, muss die Bevölkerung bei der Energiewende mitgenommen werden, meint Karina Knaus von der Energieagentur. Zudem würden Konsumenten, etwa mit einer PV-Anlage, selbst Erzeuger, so Knaus: „Wir benötigen hier intelligente Beteiligungsmodelle, wie Energiegemeinschaften.“

Alle Flexibilitäten notwendig

Neben den dezentralen, flexiblen Anlagen, brauche es Pumpspeicherkraftwerke und solche Kraftwerke, die auf der Basis von erneuerbarem Gas oder Wasserstoff funktionieren, führt Strebl aus. Diese Aufgabe stellt auch Robert Slovacek in den Vordergrund: „Der wichtige Umbau des Energiesystems weg von fossilen Grundlastkraftwerken hin zu volatilen Erneuerbaren erfordert sehr viel mehr Flexibilität im System. Bei dieser großen Aufgabe sind alle verfügbaren technischen Optionen gleichermaßen gefragt. Neue Pumpspeicherkraftwerke für Speicherung über Wochen, Monate und Saisonen, Batterien für kürzere Fristen und zukünftig mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke müssen rasch errichtet werden und im Strommarkt ihre Rolle einnehmen.“ Auf der Nachfrageseite ortet Slovacek ebenfalls große Hebel durch die Bündelung von flexiblen Lasten wie Wärmepumpen, Elektrofahrzeugen oder die Nutzung von regelbaren industriellen Prozessen. „Zusätzlich braucht es aber auch Investitionen in die Stromnetze, um den europäischen Austausch und das Funktionieren der grenzüberschreitenden Strommärkte als wesentliche Voraussetzungen für den effizienten Umgang mit kostbarer Energie weiterhin zu gewährleisten“, so Slovacek.

Der Umbau des Energiesystems ist nicht nur aus Klimaschutzgründen nötig, konstatiert Jürgen Schneider, sondern auch die fossile Energieversorgung ist nicht sicher: „Das hat das vergangene Jahr gezeigt, in dem wir es gerade noch geschafft haben, Österreich mit Gas zu versorgen. Das gelang mit Notfallmaßnahmen, die sehr teuer waren. Um von fossilen Energien wegzukommen, braucht es einen Rahmen. Wir sind gerade dabei, die Spielregeln für den Strommarkt mit einem sehr umfassenden Elektrizitätswirtschaftsgesetz völlig neu zu schreiben, das auch mehr Flexibilität ermöglicht. Dabei können Speicher privilegiert werden. Von unserer Seite wird es die Spielregeln und, auf die Phase des Umstiegs begrenzte, Förderungen geben. Dadurch wird die Energieversorgung nachhaltig, sicher und leistbar.“

Unternehmen benötigen Planungssicherheit, unterstreicht Siegfried Nagl und die sei im Moment sehr schwierig: „Wir befinden uns in dem Dreieck aus Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit durch leistbare Preise, und der grünen Energiewende mit der Ausrichtung auf erneuerbare Energien. Das muss zudem unter sozialer Akzeptanz stattfinden.“ Deshalb habe man die Energiewirtschaft bereits involviert, berichtet Jürgen Schneider: „Wir haben etwas Neues ausprobiert und eine Ausschreibung gemacht, bei der es darum ging, dass Unternehmen zu bestimmten Zeiten keine Energie verbrauchen, um die Nachfrage nicht noch mehr anheizen, sondern dass sie ihre Produktion zeitlich verlegen.“

Grundsätzlich sei Österreich in einer guten Ausgangsposition, bekräftigt Michael Strebl von Wien Energie: „Wir haben 70 Prozent Wasserkraft und damit einen sehr hohen Anteil an erneuerbarer Energie. Die Windkraft wurde ausgebaut, ebenso Fotovoltaik. Für eine Stadt wie Wien ist es wichtig, noch stärker die Fotovoltaik zu nutzen, denn die Ressourcen für erneuerbare Energie in der Stadt sind die Dächer.“ Zudem gäbe es in Wien massive Ausbaupläne, wie man eine wachsende Stadt bis zum Jahr 2040 vollständig Dekarbonisieren kann, obwohl die Einwohnerzahl steigen wird. „Wir investieren viel in Windausbau und in Fotovoltaik. Die Fernwärme ist das Gebot der Stunde, wobei Wien mit warmen Quellen, die wir anzapfen wollen, ein Glück hat. Wir investieren in Großwärmepumpen und in Wasserstoffversuche in den bestehenden Kraftwerken. Dafür nehmen wir in den kommenden Jahren 1,8 Milliarden Euro in die Hand“, skizziert Strebl den Weg in die Zukunft.

Neue Spielregeln

Um die Energiewende rechtzeitig zu schaffen, benötigt der Strommarkt neue Regeln. Karina Knaus: „Man braucht neue Spielregeln im Marktdesign, das ist ein europäisches Thema. Wir müssen diese Diskussion in Europa jetzt starten, damit wir 2030 einen Markt haben, der unter den neuen Bedingungen auch funktionieren kann.“ Zudem werden die veralteten Kraftwerke in den 2030er-Jahren vom Netz gehen, ergänzt Michael Strebl, aber die derzeitigen Marktmodelle tragen die Investitionen in neue Kraftwerke derzeit nicht: „Es braucht ein Marktdesign, um die benötigten Kraftwerke, die sich derzeit nicht selbst finanzieren, trotzdem zu errichten.“ Siegfried Nagl ergänzt, dass neben Investitionen in Wasserstoff und Biogas, auch Geld in die Stromnetze fließen muss, um im Bedarfsfall erhebliche Mengen an Strom aus dem Ausland importieren zu können. Jürgen Schneider: „Wir brauchen den Austausch mit anderen Ländern, das macht die Lösungen effizienter und billiger. Doch es fehlen Entscheidungen auf europäischer Ebene, um etwa Wasserstoffnetze betreiben zu dürfen. Das ist extrem eilig.“

Die Diskussion in ganzer Länge

Information

Die Podiumsdiskussion fand in Kooperation mit der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Wien Energie.


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