Junge Forschung

Er pfeift für die Gerechtigkeit

Ihm sei wichtig, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, sagt Thomas Gremsl, hier beim Pfingstdialog im steirischen Seggau.
Ihm sei wichtig, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, sagt Thomas Gremsl, hier beim Pfingstdialog im steirischen Seggau.Pfingstdialog/Foto Fischer
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Der Theologe Thomas Gremsl sauste mit Turbo durchs Studium und zur Professur an der Uni Graz. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Ethik der Digitalisierung und des Sports.

Die Frage „Warum Theologie?“ beantwortet er salopp. „Warum nicht?“, sagt Thomas Gremsl und lächelt. Er habe sich schon immer für die ganz großen Fragen der menschlichen Existenz interessiert, erzählt der erst 29-jährige Leiter des Instituts für Ethik und Gesellschaftslehre der Uni Graz: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Sein Fach fasziniert ihn: „Die Theologie ist eine unglaublich vielfältige wissenschaftliche Disziplin. Sie beschäftigt sich etwa auch mit Geschichte, Recht und Ethik.“ Damit könne man wesentliche Beiträge für die Gesellschaft leisten und den Menschen Orientierung bieten. Das ist ihm wichtig.

Das Studium absolvierte Gremsl „mit Turbo“. Eine solche Blitzkarriere – vom Studienbeginn bis zur Ernennung als Professor vergingen nicht einmal zehn Jahre – war nie geplant. Er habe Chancen einfach ergriffen, sagt Gremsl. Und Glück gehabt. Wie schafft man all das so schnell? „Ich habe aktuell keine Partnerin“, sagt er augenzwinkernd. Und er habe die Corona-Zeit gut genützt, in der vieles weggefallen sei. „Da war ich fast jede Woche 60 Stunden im Büro.“ Überdies habe er das Arbeitsethos seiner Mutter, Schulwartin einer Volksschule, geerbt: „Ich habe mitbekommen: Was man anfängt, das bringt man auch zu Ende. Und zwar gewissenhaft und gut. Ich habe ein überbordendes Verantwortungsbewusstsein.“

Fußball als Mikrokosmos

Das lebt er seit jeher auch auf dem Fußballplatz aus. Mit nur zehn Jahren begann er, bei Nachwuchsturnieren des Bruders zu pfeifen, mit 14 wurde er Schiedsrichter beim Steirischen Fußballband und engagiert sich bis dort heute, etwa als Schiedsrichterbeobachter. Den Sport hat er sogar mit in die Wissenschaft genommen. Sportethik mit Fokus auf den Fußball ist heute einer seiner Forschungsschwerpunkte. „Fußball ist eine Art Schmelztiegel der Gesellschaft. Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Bereichen der Gesellschaft kommen hier zusammen“, schildert er begeistert.

Dieser Mikrokosmos war auch Teil seiner 2021 von der Theologie-Fakultät und dem Wissenschaftsministerium ausgezeichneten Dissertation. Darin wies er auf die Bedeutung des „Faktors Mensch“ im Kontext der digitalen Transformation hin. „Funktionärinnen und Funktionäre sagen oft, der Video Assistent Referee (Videoschiedsrichter, Anm.) bringt mehr Gerechtigkeit, aber es geht auch viel verloren. Es geht doch auch um die Schönheit des Spiels und das Erlebnis für die Zuschauenden“, sagt er. Es sei wichtig, dass der Mensch Entscheidungen treffen und sich auch irren dürfe: „Daraus lernen wir.“

»Digitalisierung ist keine Naturkatastrophe, die einfach über uns hinwegfegt, sondern menschengemacht. Es gibt eine Chance, sie aktiv mitzugestalten.«

Thomas Gremsl

Universität Graz

In weiteren Projekten befasst sich Gremsl mit den Auswirkungen künstlicher Intelligenz oder auch mit der Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die soziale Medien mitverursachen. Als Sozialethiker will er stets wissen: Was steckt dahinter? Und vor allem: Wie werden Strukturen gerechter? Impulse für Verbesserungen zu liefern, sieht er als wesentliche Aufgabe der Gesellschaftsethik. Aber ist diese am Ende nicht zahnlos? Gremsl kennt den Einwand. „Recht ist mittels Zwang durchsetzbar, Ethik appelliert an die innere Sittlichkeit“, erklärt er.

Ethik-Kompass für die TU Graz

Sensibilität sei auch bei der Durchsetzung neuer Technologien gefragt. „Ich predige den Studierenden immer, Digitalisierung ist keine Naturkatastrophe, die einfach über uns hinwegfegt, sondern menschengemacht. Es gibt eine Chance, sie aktiv mitzugestalten.“ Und Sensibilität will er auch als Vorsitzender der neuen Ethikkommission der TU Graz vermitteln. „Wir wollen nicht nur Projekte begutachten, sondern auch einen ethischen Kompass für die TU entwickeln“, sagt er.

Und was macht der Ethiker zum Ausgleich? Ist er noch immer auf dem Fußballplatz zu finden? Seltener, aber die Leidenschaft sei noch da. Was ihn erde, sei v. a. die Arbeit als ehrenamtlicher Notfallsanitäter und Ortstellenleiter des Roten Kreuzes in Vorau. Und das Laientheater, an dem er sich in den vergangenen Jahren im Gasthaus seines am Wechsel gelegenen Heimatorts, Festenburg, beteiligte. Zuletzt war der Herr Professor als Kriminalbeamter, Knecht oder Priester zu sehen. Vielfältig wie sein Fach also.

Zur Person

Thomas Gremsl (29) wurde in Hartberg geboren und wuchs in Festenburg auf. Er studierte ab 2014 Katholische Religion, Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung an der Uni Graz und schloss 2021 das Doktorat ab. Nach seiner Zeit als Universitätsassistent wurde er im April 2022 Professor für Ethik und Gesellschaftslehre.

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