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„Fauda“: Die Serie, die den Angriff auf Israel vorausahnte

In „Fauda“ machen israelische Spezialagenten wie Doron Kavillio (Lior Raz, r. mit Pistole) Jagd auf Hamas-Terroristen.
In „Fauda“ machen israelische Spezialagenten wie Doron Kavillio (Lior Raz, r. mit Pistole) Jagd auf Hamas-Terroristen.
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Wer wissen will, warum die Geheimdienste den Angriff gegen Israel nicht vorausgesehen haben, findet mögliche Antworten in der düsteren und umstrittenen „Netflix“-Serie „Fauda“. Einer ihrer Urheber hat sich kürzlich zu den Anschlägen geäußert.

„Falls es jemand in den USA immer noch nicht begriffen hat, das ist unser 9/11“: Mit dieser Analogie, die bereits zwei Tage nach dem verheerenden Überraschungsangriff der Hamas auf Israel landläufig geworden ist, machte der israelische Journalist und Serienschöpfer Avi Issacharoff am Sonntag seinem Zorn in einem Post auf der Kurznachrichtenplattform X Luft. „Die Hamas war und ist eine Terrororganisation. Nun ist klar, dass es nur eine Option gibt: Gegen sie in den Krieg ziehen und sie zur Strecke bringen“, schrieb er weiters. Und: „Ich habe die Anführer der Hamas im Laufe meiner Karriere viele Male getroffen und es gibt eine Sache, die sie immer und immer wieder betont haben: Kein Frieden mit Israel, selbst wenn es sich bis zu den Grenzen von ’67 zurückzieht. Und jetzt sind sie 10 Schritte zu weit gegangen.“

Eine eindeutige und unmissverständliche Stellungnahme von einem, dessen wohl berühmtestes Erzeugnis im Ruf steht, Ambivalenzen viel Raum zu lassen: Issacharoff, der als Korrespondent im Westjordanland für das Online-Portal „Times of Israel“ berichtete, ist zusammen mit dem Schauspieler und Ex-Elitesoldaten Lior Raz Urheber der erfolgreichen Politthriller-Serie „Fauda“. Diese kann seit 2016 weltweit auf Netflix gestreamt werden. Im Jänner dieses Jahres wurde die vierte Staffel veröffentlicht, eine fünfte soll bereits in Arbeit sein. Angesichts des derzeit eskalierenden israelisch-palästinensischen Konflikts könnte „Fauda“ wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken: Vieles, was jetzt rund um Gaza passiert, hat in ihrer düsteren Fiktion eine Entsprechung, die mögliche Erklärungsansätze zur Debatte stellt.

„Fauda“ – arabisch für „Chaos“ und zugleich eine Notruf-Parole für scheiternde Militäroperationen – spielt rund um Israel, auch im Westjordanland und in Gaza. Die Serie handelt von Doron Kavillio, einem stiernackigen Kommandanten der Israel Defense Forces (verkörpert von Raz selbst), der Hamas-Terroristen jagt – sowie vom menschlichen Drama im Hintergrund der Action rund um Spionage und bewaffnete Kampfeinsätze. Eindringlich geschildert wird ein Klima der konstanten Bedrohung und des alles durchdringenden Misstrauens: Jede Figur der Serie – die aus israelischer Sicht erzählt, aber versucht, auch die Leiden und Motive der palästinensischen Seite mit einzubeziehen – könnte jederzeit wider Willen zum „Feind“ ihres jeweiligen Umfelds werden, niemand kann niemandem wirklich trauen. So werden in „Fauda“ etwa israelische Doppelagenten unter Folter gezwungen, auf die Seite der Hamas zu wechseln. In einem solchen Kontext beständiger Unsicherheit kann man sich gut vorstellen, dass auch ein hocheffizienter Geheimdienst nicht in der Lage ist, jeden Schritt einer Terrororganisation vorherzusehen.

Vielfach geht es um Anschläge, die in letzter Minute vereitelt werden. Brutale Gewalt ist in „Fauda“ sowohl für die Terroristen als auch für die Spezialeinheiten des israelischen Militärs ein probates Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele. Ein Fokus liegt auf israelischen Undercover-Agenten, die sich als Palästinenser ausgeben, um an geheime Informationen zu kommen. Erpressung und Tötung ist Teil ihres Berufs. Gezeigt werden aber auch Entführungen von israelischen Zivilisten durch Terroristen, die Befreiungseinsätze des Militärs nach sich ziehen – und Pläne der Hamas, durch grausame Anschläge einen vehementen Gegenangriff Israels zu provozieren, der muslimische Staaten unter Zugzwang stellt.

Eine wichtige Rolle spielt in der Serie auch das mediale „Framing“ von Ereignissen im Konflikt, wenn etwa Terrorattacken im Rahmen der unablässigen Propagandaschlacht als Sternstunden des palästinensischen Freiheitskampfes ausgestellt oder israelische Geiseln im Fernsehen vorgeführt werden, um Israel zu demütigen: Auch das erinnert an jüngste Geschehnisse. Porträtiert werden überdies arabischstämmige Zivilisten, die gegen ihren Willen in die terroristischen Machenschaften der Hamas hineingezogen werden.

Dabei wird nicht ausgespart, dass viele Palästinenser in Gaza und anderswo aufgrund des permanenten Drucks von israelischer Seite mit einem starken Gefühl der Ungerechtigkeit belastet und somit empfänglich für Radikalisierung sind. Das Bild, das „Fauda“ auf diese Weise vom Konflikt zeichnet, ist das einer hoffnungslos verfahrenen Situation, in der jeder seine Gründe hat und aus der es keinen absehbaren Ausweg gibt – zu tief sitzt der seit vielen Jahren durch permanente Gewalteinwirkung auf beiden Seiten geförderte Hass.

Die Serie wurde vielfach gepriesen und in Israel mit Preisen bedacht. Sie erntete auch Vergleiche mit der (selbst auf einer israelischen Vorlage basierenden) US-Agentenserie „Homeland“. Zugleich ist sie oft heftiger Kritik ausgesetzt: So schrieb der pro-palästinensische Aktivist George Zeidan 2020 einen Meinungsartikel in der israelischen Tageszeitung Haaretz, dessen Titel klagt, „Fauda“ sei „nicht nur dumm, verlogen und auf traurige Weise absurd, sondern anti-palästinensische Hetze“. Scharf mit der Serie ins Gericht ging auch Sayed Kashua, ein renommierter israelischer Schriftsteller arabischer Herkunft.

(red)

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