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Neustart einer Fußballnation

Am Ende die Nummer eins? Nagelsmann im Teamcamp in den USA.
Am Ende die Nummer eins? Nagelsmann im Teamcamp in den USA. Imago
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Nur ein Auftaktsieg zählt: Julian Nagelsmann gibt sein richtungsweisendes Debüt als deutscher Teamchef.

Die Wortwahl von Julian Nagelsmann war für amerikanische Ohren nicht geeignet, im ESPN-Video erklang ein langgezogener Piep-Ton, der signalisiert, dass da ein vulgäres Wort gefallen war. „Wenn du verlierst, ist alles. . .“, hatte der 36-Jährige vor seinem Debüt als neuer deutscher Teamchef gesagt. Premierengegner am Samstag (21 Uhr Mesz, live RTL) ist die USA.

Eine Niederlage im mit fast 40.000 Zuschauern ausverkauften „Pratt & Whitney Stadium at Rentschler Field“ von Hartford wäre für Nagelsmann aber tatsächlich unbeschreiblich schlecht – und Anlass zum Fluchen. 

Fußball-Deutschland leidet unter dem quälenden Erfolgsentzug. Deshalb redet der große Hoffnungsträger Nagelsmann vor dem Anpfiff auch lieber über das Gewinnen. „Das ist das wichtigste Thema, um eine gute Stimmung zu bekommen. Im Fußball ist es immer so, wenn du gewonnen hast, war alles, was du davor getan hast, gut“, sagte der DFB-Chefcoach.

Blick zu Völler und Ribbeck

Gut war jedenfalls der Einsatz, den der Bundestrainer in seinen ersten Trainingstagen in Foxborough zeigte. Nagelsmann schien stets ein paar Schritte voraus. Nicht schnell genug konnte er auf den Platz kommen. Er hängte seine hinter ihm hereilenden Assistenten ab und brachte an der am Rande des Übungsareals immer präsenten Taktiktafel noch flott ein paar rote Magnetknöpfe in die richtige Position. Es kommt dem Chefcoach jetzt ganz offensichtlich auf jedes Detail an. 

„Die Situation, dass wir viel verloren haben, bringt mit sich, dass wir diese Freundschaftsspiele uns selbst gar nicht als solche verkaufen. Wir wollen unbedingt gewinnen und gleich gut starten“, sagte Bayern-Routinier Thomas Müller, 34. „Das Feuer zu schüren, das bei der Heim-EM (2024, Anm.) das Land tragen kann, dafür sind zwei Siege vielleicht nicht Grundvoraussetzung, aber sie wären sehr wichtig“, argumentierte DFB-Rückkehrer Mats Hummels , 34.

Nagelsmanns Koordinaten sind eindeutig. Momentum geht über Perspektive. Und taktische Extraschleifen bringen auf dem Projektpfad zur Heim-EM 2024 keinen Mehrgewinn. „Er hat das bewusst erwähnt, dass er es natürlich nicht zu kompliziert halten will“, berichtete Müller, der ansonsten wenig Veränderungen bei Nagelsmann im Vergleich zu dessen im März im großen Knall beendeten Bayern-Zeit registriert hat.

Nagelsmann weiß, wie sehr ein Auftaktsieg die Stimmung in die richtige Richtung lenken würde. Ansonsten kann er auch direkt nachfragen bei DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der ihn im September schnell in den Bundestrainer-Job hievte und in den USA die Entwicklungen genau beobachtet. Unter Teamchef Völler gewann Deutschland das erste Spiel 2000 in ähnlich trostloser Lage gegen Spanien mit 4:1 – keine zwei Jahre später stand man überraschend in Japan im WM-Finale gegen Brasilien. Der bisher letzte deutsche Bundestrainer, der ein Auftaktspiel verlor, war 1998 Erich Ribbeck mit 0:1 in der Türkei.

4-2-2-2

Im Schnellverfahren einerseits Stabilität erzeugen und gleichzeitig wieder Angriffslust ermöglichen, das sind die aktuellen fußballerischen Herausforderungen. Aufmerksame Beobachter konnten im Kurz-Camp an der US-Ostküste feststellen: 4-2-2-2. Das scheint die System-Formel zu sein, mit der Nagelsmann beides erreichen will. Diese „Grundprinzipien“, wie Nagelsmann sagen würde, fehlten zum traurigen Ende der glücklosen Ära von Vorgänger Hansi Flick (vier Niederlagen und ein Remis in den letzten fünf Spielen).

„Ein großes Stichwort ist, dass wir die richtigen Positionen finden als Mannschaft in den verschiedenen Abläufen“, sagte Müller. Nagelsmann wird dafür auf eine Achse setzen, zu der nicht unbedingt Müller, aber neben Kapitän Ilkay Gündogan auch sein Münchner Lieblingsspieler Joshua Kimmich in der Zentrale gehört. (dpa/red.)

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