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Armut in Österreich: „Erschreckend hoher Wert für eines der reichsten Länder Europas“

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1,55 Millionen Menschen in Österreich, darunter 353.000 Kinder und Jugendliche, sind laut Statistik Austria armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

Unterschiedliche Organisationen appellieren zum bevorstehenden UN-Tag gegen Armut am 17. Oktober an die Regierung, mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Armut zu unternehmen. 1,55 Millionen Menschen in Österreich, darunter 353.000 Kinder und Jugendliche, sind laut Statistik Austria armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. „Ein erschreckend hoher Wert für eines der reichsten Länder Europas, mit dem sich die Politik nicht einfach abfinden darf“, forderten die Johanniter.

Als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gilt ein Haushalt, wenn er erheblich materiell und sozial benachteiligt, also von absoluter Armut betroffen ist, oder weniger als 60 Prozent des Medianeinkommen zur Verfügung hat oder im nur geringen Ausmaß ins Erwerbsleben eingebunden ist. Besorgniserregend sei zudem, dass die Anzahl der von Armut betroffenen Menschen in Österreich nicht zurückgehe, sondern in den letzten fünf Jahren sogar zugenommen habe, erklärte der Präsident der Johanniter, Johannes Bucher, am Montag. Das sei auch bei der täglichen Arbeit mit wohnungslosen Menschen zu spüren. „Die 390 Schlafplätze der Johanniter-Wohnungslosenhilfe in Wien könnten wir jeden Tag mehrfach belegen“, so Bucher.

Kritik an Schulsystem

Verfestigt werde die Armut bei Kindern durch das österreichische Schulsystem, kritisierte SOS Kinderdorf. Geld, Bildung und Herkunft der Eltern würden maßgeblich über Schulerfolg oder Misserfolg ihrer Kinder entscheiden, so SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser laut Aussendung. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler komme nur bis zur Matura, wenn sie von ihren Eltern bereits ab der Volksschule unterstützt werden. Fehle das entsprechende Bildungsniveau oder die Zeit, bleibe nur die sehr teure Nachhilfe. „Unser Schulsystem wirkt armutsverfestigend. Es nimmt Kindern Chancen, statt sie ihnen zu eröffnen“, so Moser und forderte die Regierung und insbesondere Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auf, sich mit diesen Tatsachen auseinandersetzen.

Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) forderte anlässlich des Internationalen Tags für die Beseitigung der Armut, statt der Sozialhilfe wieder „eine Mindestsicherung in existenzsichernder Höhe“ einzuführen. Zudem sollten Soziale Grundrechte in der Verfassung verankert werden, um Eingriffe in bewährte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu erschweren, so Achitz.

Armutsgefährdung besonders unter Alleinerziehenden

Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) machte unterdessen auf „die ungebrochen hohe Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung Alleinerziehender und ihrer Kinder“ aufmerksam. Mehr als 50 Prozent der Alleinerziehenden in Österreich seien armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Dies betreffe mehr als 100.000 Kinder, die im Alltag regelmäßig Beschämung erfahren, so ÖPA-Vorstandsvorsitzende Evelyne Martin laut Aussendung. Den politischen Entscheidungstragenden fehle die Bereitschaft, von Expertinnen und Experten vorgeschlagenen Maßnahmen wie eine Unterhaltssicherung, treffsichere soziale Transferleistungen oder eine tatsächlich kostenfreie institutionellen Kinderbetreuung umzusetzen, kritisiert sie. Nötig seien außerdem familienfreundliche Arbeitsbedingungen sowie eine Sensibilisierung des pädagogischen Personals für den Umgang mit armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen. (APA)

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