Kunstmarkt

Das Auktionshaus Artcurial will in Europa an die Spitze

Im Auktionshaus Artcurial in Paris wurden die Highlights des Single Owner Sales „Eclectic Eye“ zur Vorbesichtigung ausgestellt.
Im Auktionshaus Artcurial in Paris wurden die Highlights des Single Owner Sales „Eclectic Eye“ zur Vorbesichtigung ausgestellt. Artcurial; Maximilien Sporschill
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Das französische Auktionshaus Artcurial ist auf Expansionskurs. Martin Guesnet, bei Artcurial für die Internationalisierung zuständig, spricht über aktuelle Pläne, den schwächeren Markt und den Aufschwung von Paris als Kunstmetropole.

Parallel zur Kunstmesse Paris+ by Art Basel kam im französischen Auktionshaus Artcurial ein so genannter Single Owner Sale zur Auktion. Unter dem Titel „Eclectic Eye“ wurde die Kunst und Einrichtung eines Londoner Apartments eines bedeutenden europäischen Sammlerpaars verkauft. Der Erlös belief sich auf 6,2 Millionen Euro, die Verkaufsquote lag bei über 80 Prozent. Zu den Erfolgen dieser Auktion zählt ein neuer Rekordpreis für eine Gouach von Frantisek Kupka. „Papier Bleus Mouvants“ ging mit einer Schätzung von 60.000 bis 80.000 Euro an den Start und erzielte 437.440 Euro. Die Sammlung umfasste zeitgenössische Kunst, Impressionismus und Moderne sowie Möbel und Kunsthandwerk.

Bei Antiquitäten sei für Objekte mit guter Provenienz wieder eine stärkere Nachfrage zu bemerken, sagt Filippo Passadore, Direktor der Sektion „Furniture & Works of Art“ zur Presse am Sonntag. MIt Covid habe sich die Bedeutung von Interiors verändert, es werde wieder mehr dafür ausgegeben. „Wir sehen auch verstärkt Sammler, die früher nur zeitgenössische Kunst gekauft haben, die sich jetzt für wichtige Antiquitäten des 18. Jahrhunderts interessieren“, ergänzt Passadore. So erzielte bei der aktuellen Auktion eine Kommode aus der Zeit von Louis XV mit dem Stempel von Pierre Roussel 157.440 Euro und eine von Ferdinand Bury gestempelte Louis XVI Schreibtisch-Konsole 57.414 Euro. Überraschend war zudem der Zuschlag für ein Paar Eichelhäher aus Meissner Porzellan aus dem 18. Jahrhundert, das auf 30.000 bis 50.000 Euro geschätzt war und auf 129.865 Euro stieg.

Zukauf in der Schweiz

Bei Sammlungsverkäufen wie dieser hat sich das französische Auktionshaus einen Namen gemacht. Zuletzt ließ das Haus im März etwa mit der Versteigerung des Inventars des Hotel Bauer Palazzo in Venedig aufhorchen oder 2018 mit dem Interior des Hotel Ritz in Paris. Aber auch in Segmenten wie Design, Comics, Street Art, Oldtimer und Vintage Mode ist Artcurial Marktführer in Europa. Geht es nach Martin Guesnet, International Senior Advisor und seit 2014 für die Internationalisierung des Hauses zuständig, soll Artcurial europäischer Marktführer im gesamten Auktionsgeschäft werden. Dazu hat das Haus zuletzt kräftig expandiert. So übernahm Artcurial heuer das Schweizer Auktionshaus Beurret Bailly Widmer. Das in Basel ansässige Unternehmen wurde 2011 gegründet und ist auf den Verkauf von Gemälden, Papierarbeiten und Skulpturen aus dem 19. und 20. Jahrhundert spezialisiert. „Was uns ins Europa fehlte, war die Schweiz. Und diese Lücke haben wir jetzt dieses Jahr endlich füllen können“, sagt Guesnet im Gespräch mit der Presse am Sonntag. Zu den wichtigsten Konkurrenten um die europäische Marktführerschaft zählt Guesnet das englische Auktionshaus Bonhams und das Wiener Dorotheum. Auch eine Expansion über Europa hinaus sei vorstellbar, aber das müsse sich ergeben. „Wir entwickeln uns immer par opportunité. Beurret Bailly, ist auch so entstanden. Wir kamen im richtigen Moment am richtigen Ort mit den richtigen Menschen zusammen“, sagt Guesnet. Über Hongkong habe man schon vor zehn Jahren nachgedacht, aber es sei nicht zustande gekommen. Heute sei Hongkong wegen der politischen Entwicklungen in China nicht mehr interessant für Artcurial.

Niedrige Mehrwertsteuer

Artcurial profitiert durch den Aufschwung von Paris als Kunstmetropole, der mit dem Brexit Fahrt aufgenommen hat. „Diese Entwicklung hat nicht erst vor vier, fünf Jahren begonnen. Es braucht viele Elemente, die einen starken Markt ausmachen. Das sind die Kunstschaffenden, die Kunstvermittler, Institutionen, Museen, Galerien, Auktionshäuser aber auch die Politik, die unterstützen müssen. In Frankreich gibt es den gemeinsamen Willen Paris und Frankreich wieder auf dem Kunstmarkt stark zu machen“, sagt Guesnet. So seien etwa die Ausfuhrgesetze viel liberaler als in anderen europäischen Ländern. Bis zu einem Wert von 150.000 Euro könne man Objekte einfach ausführen. Und wenn ein Objekt als für das Land wertvoll gekennzeichnet wird und sich eine staatliche Institution dafür interessiert, dann werde dieser ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Kann die Institution innerhalb von drei Jahren die Finanzierung nicht aufbringen, dürfe das Objekt auch ins Ausland verkauft werden. Zudem habe sich Frankreich dafür entschieden, die Mehrwertsteuer auf Kunstwerke nicht zu erhöhen, sondern an der Ausnahmeregel festzuhalten. Mit einem Mehrwertsteuersatz von 5,5 Prozent sei Frankreich einer der attraktivsten Länder, was Abgaben und Steuern betreffe.

Um jeden Käufer kämpfen

Dennoch, den generell schwächeren Markt spürt auch Artcurial, trotz des Rekordergebnisses im Vorjahr und einem guten ersten Halbjahr 2023. „Wir müssen heute schon um jeden Käufer kämpfen. Da, wo man fünf, sechs Käufer für ein Bild hatte, hat man heute vielleicht einen oder zwei. Vom Volumen her ist der Markt sicherlich um 20 Prozent zurückgegangen“, räumt Guesnet ein. „Die goldene Regel sind attraktive Schätzungen. Wenn wir die nicht haben, dann wird es im aktuellen Markt sehr kompliziert. Mit attraktiven Schätzungen ist es okay.“ Es sei weiterhin viel Geld da und Kunst bleibe attraktiv.

Nahostkrise belastet Standort Marokko

Sorgen bereitet Guesnet die aktuelle Entwicklung in Nahost. „Wir haben außerhalb von Europa ja einen Auktionsstandort in Marokko. Da spürt man natürlich die aktuelle Lage viel stärker als woanders.“ Die nächste Auktion in Marrakesch ist für Ende Dezember geplant. Ob diese auch tatsächlich stattfinden wird, ist sich Guesnet nicht sicher. „Wir planen die Auktion derzeit normal weiter, aber die geopolitische Situation ist dramatisch. Es gab eine starke Annährung von Marokko und Israel. Und gerade in Marokko haben wir viele Kunden aus Israel.“ Versteigert wird in Marokko vor allem afrikanische zeitgenössische Kunst und Orientalisten. Für letztere sei der Markt ziemlich ausgereizt. „Der Markt für Orientalisten erneuert sich nicht. Die Sammler von Orientalisten sind in Wahrheit die Generation 70 Jahre plus. Das ist ähnlich wie bei Comics, auch dieser Markt ist ziemlich ausgereizt“, sagt Guesnet. Dabei sorgt das Auktionshaus immer wieder mit Rekordzuschlägen für europäische Comics für Schlagzeilen. So erzielte das Original-Titelbild des fünften Tim und Struppi-Bandes, „Der Blaue Lotos“ 2021 mit 3,2 Millionen Euro einen Doppelrekord: einerseits markierte es einen neuen Höchstpreis für den Comiczeichner Hergé, und andererseits war es ein neuer Rekord für ein Original-Comic-Werk bei einer Auktion. „Im Gegensatz zu Möbel und Objets d‘Art, wo es eine neue Generation von Käufern gibt, interessieren sich für die europäischen Comics nur wir Älteren. Und ein Markt muss sich ja immer neu entwickeln.“

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