Haute Joaillerie

Steine lesen wie Gedichte

Die kostbaren Einzelstücke von Van Cleef & Arpels wurden dem Publikum in kleinen Szenen im Gartenlabyrinth gezeigt.
Die kostbaren Einzelstücke von Van Cleef & Arpels wurden dem Publikum in kleinen Szenen im Gartenlabyrinth gezeigt. Beigestellt.
  • Drucken

Der aristokratische Grand Tour und Unikate der Haute Joaillerie fanden in der Villa Medici in Rom ihren gemeinsamen Zielpunkt. 

Fürwahr wie einst die Edelmänner und -frauen am Ende ihrer Reise nach Rom, so mochte sich fühlen, wer in den Gärten der Villa Borghese vom freundlichen Ponentino-Abendwind umweht wurde, sich an die Brüstung bei der Villa Medici lehnend, die den Blick freigab auf den historischen Stadtkern. Gerade war man durch die labyrinthisch angelegten Hecken gelustwandelt, hatte hier und dort in den grünen Nischen kleine Szenen erschaut, die schöne junge Frauen und Gaukler feilboten. Gleich jenen, die in vergangenen Zeiten entlang des berühmten „Grand Tour“ ausgehend von London und anderen Städten des Nordens den europäischen Kontinent bereist hatten, kam man hier zur Ruhe und wähnte sich am Ziel.

Was allerdings den historisch wertvollen und sonst auch überaus prächtigen Ausblick ins Jetzt und weniger Prunkvolle ablenkte, war akkurat die englische Gesandtschaft. Offenbar hatten einige die Einladung nicht genau studiert und waren, statt im streng geregelten Black-Tie-Ornat zu kommen, der zugegebener­maßen in einem Rekordsommer mit oder ohne Pontino eine Herausforderung darstellte, recht leger aufgetaucht. So schritt die Chefredakteurin eines englischen Magazins im Leinenkittel zu Birkenstock-Sandalen durch die Gartenanlage. Das Trugbild einer Grand-Tour-Zeitreise nahm so recht jäh ein Ende, sobald sie ins Bild trat.

Der berühmte Pontino wehte durch die Villa Borghese, und das Haus Van Cleef & Arpels lud zur Zeitreise ein.
Der berühmte Pontino wehte durch die Villa Borghese, und das Haus Van Cleef & Arpels lud zur Zeitreise ein. Beigestellt.

Exotismus und Edelsteine. Warum sich aber mit derlei aufhalten, wenn es an jenem Abend doch um das Kostbarste und Unerschwinglichste ging, das unter den die Körpergröße nicht überschreitenden Luxusgütern aufzufinden ist. Eine Haute-Joaillerie-Kollektion des Traditionshauses Van Cleef & Arpels nämlich, die akkurat dem Motiv des Grand Tour und seiner Stopps gewidmet war. „Die Welt des Reisens war immer schon eine wichtige Inspiration für die bildenden Künste – und auch unsere Kreationen“, sagt Nicolas Bos, der als Chefdesigner und CEO der Marke firmiert. „Ein gewisser Exotismus ist eng mit Schmuck verbunden, sei es nur wegen der Herkunft vieler Edelsteine.“

Auch in diesen Schmuckstücken, die London, Paris, Florenz, Rom, Neapel gewidmet sind, ebenso Baden-Baden und alpinen Landschaften, spielen Edelsteine von einzigartiger Größe und Qualität eine Hauptrolle. „Manchmal kennen wir die Steine, und der Entwurf entspinnt sich um sie“, erläutert Bos. „Manchmal suchen wir nach Steinen, die zu einem bestimmten Entwurf passen sollen.“ Der besondere Charakter dieser Kollektion, an der drei Jahre gearbeitet wurde und die somit schon vor Ausbruch der Pandemie konzipiert worden war, legte nahe, auch einige weniger wertvolle, doch umso kuriosere Steine in manche Schmuckstücke einzuarbeiten.

»Haute Joaillerie zählt zu den kostbarsten Gütern, die sich an den Körper schmiegen.«

„In drei Schmuckstücken, die wir dem alten Rom widmen, haben wir antike Steine verarbeitet. Diese haben nicht unbedingt dieselbe Qualität, die wir normalerweise verlangen würden, aber sie waren von zentraler Wichtigkeit, weil wir uns von ihren Gravuren inspirieren ließen“, erläutert Nicolas Bos. Geschichtlicher Wert und Materialwert im klassischen Sinn ergänzen einander in diesem speziellen Fall zu einer neuartigen Gesamtheit, die aus der Historie zehrt.

Auf Geschichtsträchtiges setzt die Villa Medici, die in Rom ja die Académie de France und deren Ausstellungsräume sowie Künstlerateliers beherbergt, auch in ihrer aktuellen Ausstellung. Um das Material Stein und Beispiele ihrer Gestaltung durch Menschenhand geht es in „Histoires de pierres“. „Hier spielen Steine aus einem poetischen Grund die Hauptrolle“, hält Nicolas Bos fest, weshalb eine Partnerschaft von Van Cleef & Arpels mit dem Museum für die Ausrichtung der Schau umso mehr Sinn ergeben habe. Der Grand Tour der Marke wird demnächst übrigens um eine Destination erweitert: In den kommenden Monaten plant man die Eröffnung einer großen Boutique am Wiener Kohlmarkt.

Geschichte

Dass man aus Steinen poetische Botschaften herauslesen kann, ist die Überzeugung des französischen Schriftstellers Pierre Caillois: Er besitzt eine Sammlung außergewöhnlicher Steine, die die Ouvertüre zur Ausstellung „Histoires de pierres“ in der Villa Medici darstellen. Auch hier ist das Maison Van Cleef & Arpels Partner der Académie de France in Rom, wenngleich es nicht um kostbare Edelsteine geht, sondern um Steine, die Teil der Menschheits- und Kulturgeschichte sind. Den Wunsch, in dem harten Material Spuren eines künstlerischen Tuns zu hinterlassen, verspürten Menschen schon vor Millionen Jahren. Bemerkenswert ist der Stein von Makapansgat: Seine Oberfläche wurde von der Natur gestaltet, er wurde aber wohl von Vorläufern des Homo sapiens als erstes bekanntes Manuport aufgelesen. Zu sehen bis 14. Jänner 2024. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.