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Interview

Wie geht es dem Standort Oberösterreich?

Im „Presse“-Expertentalk erörtert Stefan Pierer die Herausforderungen für österreichische Unternehmen in Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit. 
Im „Presse“-Expertentalk erörtert Stefan Pierer die Herausforderungen für österreichische Unternehmen in Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit. (c) Roland RUDOLPH
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Mit welchen Herausforderungen sind Unternehmen konfrontiert und wie steht es um die globale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie? Diese essenziellen Fragen erörterte Eva Komarek, General Editor for Styria Trend Topics, mit Stefan Pierer, CEO Pierer Mobility AG und Präsident der Industriellenvereinigung OÖ.

Als Gründer der Pierer-Mobility-Gruppe, eine der führenden Hersteller motorisierter Zweiräder in Europa, zählt Stefan Pierer zu einer bedeutenden Figur in der österreichischen Wirtschaft. Im Rahmen der „Presse“-Expertentalkreihe „Zukunft Industriestandort Oberösterreich“ teilt er im Gespräch mit Eva Komarek seine Einblicke und Erfahrungen zu wichtigen wirtschaftlichen Themen.

Die Konjunktur trübt sich ein. Die Ökonomen der OECD erwarten in ihrem aktuellen Konjunkturausblick, dass die großen Industrieländer im kommenden Jahr bestenfalls langsam wachsen. Was sind die Gründe dafür und wie schätzen Sie die Entwicklung der Märkte ein?

Stefan Pierer: Wir sind geopolitisch in einer sehr schwierigen Situation. Wir haben den Krieg in der Ukraine und die Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan, die letztendlich Amerika auf den Plan ruft. Und interessanterweise nach Dekaden der Globalisierung, in denen Millionen Menschen aus der Armut gekommen sind, gibt es eine De-Globalisierung. Es werden Grenzen hochgezogen, es gibt den Inflation Reduction Act in den USA und ähnliche Tendenzen in China. In Europa herrscht eine andere Gangart, indem wir uns zum Stillstand regulieren. Es gibt Rahmenbedingungen, die für eine exportorientierte Nation wie Österreich, und Oberösterreich ist das Paradebeispiel, sehr, sehr schwierig sind.

Deutschland, das wichtigste Exportland für Österreich, wird wieder als möglicher „kranker Mann Europas“ bezeichnet. Weshalb ist das so und was bedeutet das für Europa und natürlich auch den Industriestandort Oberösterreich?

Deutschland ist die Konjunkturlokomotive in Europa und die größte Industrienation. Wenn die Lokomotive schwächelt, dann hat das natürlich Auswirkungen auf den gesamten Kontinent, wobei wir in Europa ganz spezifische Rahmenbedingungen vorfinden. Wir hatten bereits vor der Invasion Putins in der Ukraine eine hohe Inflation. Durch die Energiekrise wurde sie nochmals verstärkt. Darüber hinaus gibt es eine demografische Entwicklung in Europa, aufgrund derer uns einfach die Arbeitskräfte ausgehen. Die Einwanderung ist, wie wir wissen, qualitativ nicht so gelungen, sondern es ist eine Einwanderung in die Sozialsysteme. Zudem hat die EZB es verschlafen, auf die Inflation zu reagieren, und führt eine überrasche, schnelle Erhöhung der Zinskurve durch. Das ist eine Gemengelage, die einiges in sich birgt.

Österreich liegt bei den Energiekosten und der Inflation immer noch über dem EU-Durchschnitt und hat noch eine relativ hohe steuerliche und abgabenseitige Belastung. Ist Österreich zu teuer geworden? Und welche Probleme bringt das spezifisch für den Industriestandort?

Ich möchte jetzt ein Beispiel bringen. Meine Industriegruppe hat viele global verteilte Standorte. Die jährlichen Arbeitgeberkosten für Blue Collar, also für Produktionsmitarbeiter, liegen in Deutschland etwa bei 56.000 bis 57.000 Euro. In Österreich sind wir derzeit bei 54.000 Euro, in der Slowakei bei 27.000 und in Bulgarien und in China bei 14.000 Euro. Bei meinem strategischen Partner in Indien sind es 8000 Euro, dort wird allerdings auch samstags gearbeitet. Jetzt können Sie sich diesen Wettbewerb vorstellen. Wenn wir in die beginnende Gehalts- und Lohndiskussion einsteigen, habe ich Verständnis, dass bei dieser hohen Inflation der Arbeitnehmer einen Ausgleich haben möchte. Ich habe aber wenig Verständnis, wenn Wirtschaftsforscher sagen, zehn oder elf Prozent sind eine moderate Forderung bei der Erhöhung der Löhne und Gehälter. Diese Inflation ist für mich keine moderate, sondern eine dramatische, die sich bei den Löhnen und Gehältern auswirkt.

Wie sieht das mit den Energiekosten aus?

Die Energiekosten werden in Europa nicht mehr so niedrig werden wie vor dem Einmarsch Putins, das ist Fakt. Die hohen Energiekosten werden energieintensive Betriebe dazu zwingen, sich global zu verändern. Wir sehen interessanter Weise in Europa immense Unterschiede bei den Energiekosten, in Finnland oder etwa in Spanien. Zentraleuropa wird darunter leiden und es wird eine Verschiebung innerhalb dieser europäischen Länder geben.

Im Rahmen der Expertentalk-Reihe „Zukunft Standort Oberösterreich“ gingen Stefan Pierer und Eva Komarek dringenden Wirtschaftsfragen nach. 
Im Rahmen der Expertentalk-Reihe „Zukunft Standort Oberösterreich“ gingen Stefan Pierer und Eva Komarek dringenden Wirtschaftsfragen nach. (c) Roland RUDOLPH

Ende vergangenen Jahres haben sich die Länder auf ein europaweites, einheitliches Lieferkettengesetz geeinigt, die Details werden noch verhandelt. Überreguliert Brüssel die Wirtschaft in Europa und gefährdet damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Amerika oder Asien?

Wir begehen in Europa einen schweren, strategischen Fehler. Der Green Deal ist zwar langfristig der richtige Weg, aber man muss ihn mit Incentives anstoßen und nicht mit Vorschriften, Regulierungen und Verboten. Dieses Überregulieren mit der Taxonomie, ESG, Lieferkettengesetz und auch die gesamte Kapitalmarktseite führt zur Verlangsamung und am Ende des Tages wird es zum Stillstand der Wirtschaft führen.

Das heißt, dass wir nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber Amerika und Asien sind?

Absolut. Wobei man als Unternehmer positiv in die Zukunft schaut. Jede erzwungene Innovation ist auch eine Chance und Europa hat viele Innovationen hervorgebracht. Aber produktionsintensive und energieintensive Fabrikationen werden sich aus Europa verabschieden.

Im Endeffekt ist auch der Industriestandort gefährdet?

Der ist dramatisch gefährdet. Aber ich habe insofern eine Hoffnung, dass wegen dieses Zwangs und dieser schwierigen Rahmenbedingungen sich der Hausverstand wieder meldet und wir zur Erkenntnis gelangen, dass wir darauf richtig reagieren und Incentives schaffen.

Welche Incentives könnten das sein?

Leistung muss sich lohnen. Für Personen die bereit sind, ihren Wohlstand zu erhalten und länger zu arbeiten, muss sich das rechnen. Ein kleiner Schritt ist in Österreich mit den 18 Überstunden gelungen, die steuerfrei gemacht werden konnten. Wir müssen Unternehmen mit Prämien für Investitionen anreizen. Wir müssen ein Anreizsystem anstatt von Verboten und Restriktionen schaffen.

Wie geht es mit der europäischen Autoindustrie weiter? Momentan hat man das Gefühl, dass sie von China überrollt wird?

Wir haben ja letztlich zwanzig, dreißig Jahre lang sehr gut von China gelebt, wir haben ihnen ja alles beigebracht. Es ist nicht unlogisch, dass diese Technologie dort auch eingesetzt wird und nicht nur Rohstoffe und Halbfertigprodukte, sondern mittlerweile hochqualitative, technische Produkte aus China kommen. Das ist Wettbewerb. Ohne China wird es nicht gehen. Ich glaube nicht, dass wir aus europäischer Sicht den Chinesen zu sagen haben, wie sie sich verhalten sollen, sondern wir müssen mit dieser Herausforderung umgehen. Das heißt, strategisch vernetzen mit China.

Was bedeutet das spezifisch für Europa? Wie können wir im Wettbewerb noch punkten?

Indem wir selbst in Kooperationen dort Firmen schaffen, um das Arbeitskräftepotenzial nutzen zu können. Die global aufgestellten österreichischen Unternehmen sind alle in China.

Das heißt aber in Endeffekt, dass die Industrie vom Standort Österreich in andere Regionen abwandern wird?

Man muss sich das wie in einer Ritterburg vorstellen. Der österreichische Unternehmer hat seine Ritterburg, seinen Hauptsitz hier in Österreich und ist als Hidden Champion in allen Teilen global aufgestellt. Wir brauchen die Standorte im Ausland, um unseren Standort in Österreich zu sichern. Das ist ein Muss. Ich habe nur Sorge, dass für jene Unternehmen, deren Hauptsitzt nicht in Österreich ist und die hier keine Eigentümerstruktur haben, Österreich nicht immer die erste Wahl ist. Wir kämpfen bis zum Umfallen, wir geben nicht auf.

Information

Das Gespräch fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung OÖ.

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