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Podiumsdiskussion

Herausforderung Arbeitskräftemangel

In beinahe allen Berufsgruppen fehlen Facharbeiter. Was ist nötig, um wieder mehr Österreicher in Vollbeschäftigung zu bringen und welche Rolle spielt dabei künstliche Intelligenz?

Es sind ganz besonders herausfordernde Zeiten. Österreich sieht sich mit einem Facharbeitermangel, gestiegenen Energiepreisen, der Rezession und einem Krieg in Europa konfrontiert. Deshalb sind Methoden für eine erfolgreiche Arbeitsweise besonders gefragt. Michael Köttritsch, Ressortleiter „Management & Karriere“ bei „Die Presse“, betrachtete mit einer Expertenrunde die Situation am Arbeitsmarkt und wie künstliche Intelligenz Unternehmen unterstützen kann. Gemeinsam mit Klaus Mark, CEO MK-Illumination und Präsident der „Tiroler Adler Runde“, einer politisch unabhängigen Plattform von Unternehmern aus den unterschiedlichsten Branchen, Ingeborg Freudenthaler, ­Geschäftsführerin des Entsorgungsunternehmens Freuden­thaler und Vorständin der „Tiroler Adler Runde“, Franz Schellhorn, dem Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria und Matthias Grabner, Vorstandsmitglied von AI Austria, erörterte Michael Köttritsch die aktuelle Situation und Wege aus der Misere.

Globale Lösungsansätze

Die vermutlich größte Herausforderung für heimische Unternehmen ist der zunehmende Mangel an Fachkräften, der sich durch die anstehende Pensionierungswelle der Babyboomer noch verschärfen wird. Klaus Mark fordert daher: „Raus aus der Lethargie!“ und sieht durchaus Chancen durch den Mangel am Arbeitsmarkt. „Wir, als Unternehmer, müssen uns bewegen“, folgert Mark. „Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Viele Menschen wollen arbeiten, und es ist unsere Aufgabe, diese Arbeitskräfte auch zu finden. Wir, als internationales Unternehmen, können auf Arbeitskräfte auf der ganzen Welt zurückgreifen. So haben wir auf den Philippinen die Möglichkeit, Webseiten- und Contentgestaltung mit AI-basierten Unternehmen zu produzieren, da wir vor Ort tätig sind.“

Klaus Mark, CEO MK-Illumination und Präsident der „Tiroler Adler Runde“
Klaus Mark, CEO MK-Illumination und Präsident der „Tiroler Adler Runde“Akos Burg

Für Unternehmen die nicht weltweit tätig sind, stellt sich die Situation natürlich anders dar, weiß Ingeborg Freudenthaler aus der Praxis: „Es wäre eine Möglichkeit, Arbeitskräfte aus anderen Ländern zu rekrutieren. Wir haben das etwa mit Südafrika versucht, doch die Rot-Weiß-Rot-Card in Österreich ist nicht das Gelbe vom Ei. Wenn ich einen Staplerfahrer aus Südafrika hole, der ohne Praxis in Österreich zumindest 2925 Euro für 38,5 Stunden verdienen muss, habe ich ein Problem. Als Unternehmen können wir dieses Gehalt nicht bezahlen. Die Politik müsste aufwachen und die Rahmenbedingungen verbessern. Wenn Österreich wettbewerbsfähig bleiben möchte, dann muss jetzt endlich etwas passieren.“

Keine Anreize für mehr Arbeit

Franz Schellhorn erinnert an die Zeiten der Hochkonjunktur und den Rekord an offenen Stellen im vergangenen Jahr. „Damals musste man Aufträge ablehnen, da das Personal nicht vorhanden war. Im Dienstleistungssektor waren bis zu 40 Prozent der Betriebe davon betroffen, in der Industrie ein Viertel der Unternehmen. Durch die aktuelle Rezession geht der Arbeitskräftemangel etwas zurück, aber nicht dramatisch“, zeichnet Schellhorn ein eher düsteres Bild. „Wir haben immer den Fachkräftemangel diskutiert, doch wir haben heute einen generellen Mangel an Arbeitskräften.“ Für Unternehmen sei es psychologisch interessant zu sehen, dass viele offene Stellen nicht besetzt werden können, gleichzeitig aber ein sehr starker Ausbau der Sozialleistungen vorgenommen wurde und es kaum steuerliche Anreize gibt, um mehr zu arbeiten.

Ingeborg Freudenthaler, Geschäftsführerin des Entsorgungsunternehmens Freudenthaler und Vorständin der „Tiroler Adler Runde“
Ingeborg Freudenthaler, Geschäftsführerin des Entsorgungsunternehmens Freudenthaler und Vorständin der „Tiroler Adler Runde“Akos Burg

Nur in Spanien und Belgien ist es noch unattraktiver, die Arbeitszeit aufzustocken. Dazu Schellhorn: „Wenn man in Österreich die Arbeitszeit um 50 Prozent erhöht, verdient man um 33 Prozent mehr. In Norwegen und Schweden sind das um 44 Prozent mehr.“ Optimistisch blickt er nicht in die Zukunft, denn die Wirtschaft sehe die Untätigkeit und die falschen Anreize, die von der Politik gesetzt werden. Eine Bewegung, dass sich hier einiges tut, sei nicht sichtbar.

Steuerentlastung bei Vollzeit

Deshalb ortet Schellhorn ein strukturelles Problem. „Es arbeiten heute so viele Menschen in Österreich wie nie zuvor, allerdings ist die Gesamtanzahl der geleisteten Stunden geringer als vor der Coronakrise. Das ist ein Wohlstandsphänomen, denn es können sich viele Österreicher leisten, weniger zu arbeiten“, folgert er. „Es sind auch viele Menschen in Teilzeit tätig, weil sie rechnen können. Es zahlt sich eben nicht aus, mehr zu arbeiten. Hier muss die Politik eingreifen und endlich die Steuerpolitik ändern. Durch die steuerliche Entlastung der Teilzeit wurde die Vollzeitbeschäftigung unattraktiver. Das muss umgedreht werden.“ Freudenthaler ergänzt, dass sich auch bei der Besteuerung von Überstunden etwas ändern müsse, denn es gäbe noch immer Menschen, die mehr arbeiten wollen: „Das ist durch die Besteuerung aber äußerst unattraktiv. Es wird zudem jene Menschen brauchen, die in Pension sind und dazuverdienen können. Sie fehlen uns in der Wirtschaft.“

Lehrberufe attraktiver gestalten

Klaus Mark ist zudem der Meinung, dass es sich viele Österreicher leisten könnten, weniger zu arbeiten und es deshalb nicht einfach wäre, sie zu motivieren. Dabei spielt eine funktionierende Kinderbetreuung eine gewichtige Rolle, aber Mark sieht auch die Unternehmen in der Pflicht, damit sich die Arbeitnehmer wohl fühlen und Sinn in ihrer Arbeit sehen. Dabei würde er bei der Jugend ansetzen: „Leistung muss sich finanziell lohnen und wir müssen auch die Jugend wieder für die Leistung begeistern. Leistung muss etwas Cooles sein.“ Die duale Ausbildung und die Lehre sind, so Mark, ein wichtiger Faktor für den Standort Österreich. Allerdings müsse sich die Lehre weiterentwickeln, damit auch jene Fachkräfte zur Verfügung stehen, die benötigt werden.

Franz Schellhorn, Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria
Franz Schellhorn, Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda AustriaAkos Burg

Ausbildung im Bereich KI

Nachholbedarf in Sachen Ausbildung sieht Matthias Grabner bei der KI. „Im Bereich Coding und generell bei der Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz sind Uni-Studien bereits überholt“, so der Fachmann. „In Österreich gibt es im EU- und im internationalen Vergleich ein Manko bei Coding-Schulen. Coding-Schulen sind eigentlich Unternehmen, die diese Weiterbildung in diversen Disziplinen anbieten. Die entwickeln sich, im Gegensatz zu den Unis, rasant weiter. Aber auch dort gibt es einen Mangel an Lehrpersonal.“ Dabei ginge es bei künstlicher Intelligenz nicht immer nur um das Programmieren und um pure Technik, sondern um die Anwendung. „Mit den neuen Technologien steigt auch die Geschwindigkeit, in der Lehrpläne veraltet werden. Es wird wichtig sein, neue Technologien in die Lehrpläne aufzunehmen, auch in der Lehre. Hier sprechen wir nicht von Coding“, so Grabner.

KI als Chance für Unternehmen

Der Arbeitskräftemangel ist, so Matthias Grabner, keine Folge der Digitalisierung. „Hier gibt es viele Möglichkeiten, noch mehr zu unternehmen und die Chancen der Digitalisierung zu erkennen. Insbesondere sind die Chancen durch die künstliche Intelligenz, die logische Fortsetzung der Digitalisierung, zu unterstreichen“, erläutert der KI-Experte. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren gesehen, welchen Wert KI bei Unternehmen generiert, die im Bereich Consumer Internet tätig sind, wie etwa bei der Suche im Web, beim Spam-Filtering oder E-Commerce. Im vergangenen Jahr kam hinzu, dass generative KI auch im Mainstream breit diskutiert wurde. Generative KI ist ein Gamechanger, da sie die Eintrittsbarrieren und die finanziellen Ressourcen senkt, um in die KI einzusteigen.“

Matthias Grabner, Vorstandsmitglied von AI Austria
Matthias Grabner, Vorstandsmitglied von AI AustriaAkos Burg

Im Unternehmen von Klaus Mark ist KI bereits ein Dauerthema: „Bei uns muss sich jeder mit KI auseinandersetzen und überlegen, wo sie in seinem Job eingesetzt werden könnte. Auch wenn das nur ein Chat GPT ist. Wir versuchen unsere Mitarbeiter zu motivieren, sich mit dem Thema zu beschäftigen und versuchen, ihnen die Angst davor zu nehmen. Dadurch wurde das Anwenden von KI interessant und die Angst, den Arbeitsplatz wegen KI zu verlieren, verschwindet.“ Allerdings meint Mark, dass österreichische Unternehmen zu wenig auf den Einsatz von KI vorbereitet sind. Dem kann Ingeborg Freudenthaler nur beipflichten. „Es geht darum, auch den KMUs die Angst vor KI zu nehmen und ihnen beizubringen, dass KI für sie ein Werkzeug sein kann und dort eingesetzt wird, wo es Sinn bringt“, so die Unternehmerin.

Information

Die Podiumsdiskussion fand auf Einladung von „Die Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Tiroler Adler Runde.


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