Neues Buch

Wolfgang Schüssel sammelt Ideen gegen Politikverdrossenheit

Die Vorschläge sollen „der wachsenden Politikverdrossenheit entgegenwirken“, schreibt Schüssel.
Die Vorschläge sollen „der wachsenden Politikverdrossenheit entgegenwirken“, schreibt Schüssel. Michèle Pauty
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Um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, lud der Altkanzler 93 Personen ein, Reformideen zu präsentieren. Sie reichen von der Erbschaftssteuer bis hin zur Pflege.

Eine Ex-Skirennläuferin, die den Föderalismus beschneiden will. Ein Bestsellerautor, der eine besonnene Debatte um die Erbschaftssteuer einmahnt. Ein Forscher und ein Unternehmer, die einen Staatsfonds für Österreich nach norwegischem Vorbild fordern. Es ist eine bunte Auswahl an Vorschlägen, die sich im neuen Buch „Ideen, die geh’n!“ findet. Herausgegeben wird es von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Ex-Bundesratspräsident Gottfried Kneifel (beide ÖVP). Sie haben 93 Personen eingeladen, ihre Reformideen zu schildern.

Schüssel und Kneifel wollen nicht bestehende Zustände kritisieren oder „langwierige Analysen“ liefern, schreiben sie im Vorwort. Stattdessen soll „der wachsenden Politikverdrossenheit“ mit konstruktiven Ideen begegnet werden. Einen ÖVP-Überhang hat das Buch, doch kommen auch andere politische Lager zu Wort. Die Themen reichen vom Ärztemangel über die Finanzen bis hin zur Pflege.

Bestsellerautor Marc Elsberg etwa ruft zu mehr Offenheit und Gelassenheit in der politischen Debatte auf. Bei der derzeit wieder viel diskutierten Erbschaftssteuer etwa dürfe man nicht sofort in Schnappatmung verfallen und über „Kommunismus“ und die „Bestrafung der Fleißigen und Anständigen“ schimpfen. Stattdessen solle man doch lieber einmal „einatmen und ausatmen“ und „den Geist öffnen“. Denn bei näherer Betrachtung zeige sich klar, dass das Teilen von Wohlstand langfristig dessen Wachstum optimiere.

Staatsfonds für Österreich

Mit der Sicherung des Wohlstands beschäftigen sich auch Christoph Boschan, Vorstand der Wiener Börse, und Christian Helmenstein, Leiter des Economica Instituts. Sie drängen den Staat aufgrund der steigenden Staatsschulden und engen budgetären Handlungsspielraums zum Handeln. Er solle einen „solidarischen Generationenfonds für den finanziellen Lastenausgleich zwischen Alt und Jung“ schaffen. Mit den Erträgen daraus könnten dann etwa Aufwendungen in der Pflege bezahlt werden.

Vorbild soll der norwegische Government Pension Fund Global sein. Zwar könne Österreich anders als Norwegen den Fonds nicht mit den Erträgen aus dem Abbau natürlicher Rohstoffvorkommen finanzieren. Doch wären andere Finanzierungswege möglich. Etwa über einen Teilverkauf der Beteiligung des Bundes und der Länder oder mit den Erlösen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten. „Die nächste Regierung hat es in der Hand, ob sie ein Schulden-Mahnmal hinterlässt oder ein Denkmal für die Zukunft setzt“, schreiben Helmenstein und Boschan.

Pflege zuhause

Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks Österreich, untersucht, wie man älteren Menschen helfen kann, lange zu Hause zu leben, anstatt ungewollt im Pflegeheim zu landen. Als Vorbild nennt sie Dänemark, wo „seit den späten 80er-Jahren keine neuen Pflegeheime“ gebaut wurden. Stattdessen werde auf die „Versorgung zu Hause und das Selbsthilfepotenzial älterer Menschen“ gesetzt. So werde jeder Bürger ab 75 Jahren präventiv von Pflegern zu Hause besucht.

Solch niederschwellige Maßnahmen fordert Anselm auch für Österreich. Denn viele Menschen würden zögern, sich „mit ihren Fragen und Problemen an Dritte zu wenden“. Oft sei dann letztlich „die Aufnahme in ein Pflegeheim nicht mehr zu vermeiden“. Es müsse daher versucht werden, die Betroffenen proaktiv abzuholen. Etwa indem man ältere Personen nach einem Spitalsaufenthalt nicht auf sich allein gestellt lasse und ihnen anbiete, „dass sich jemand meldet und nachfragt, wie es ihnen geht“.

Wettbewerb der Schulen

Um die Jüngeren geht es wiederum im Beitrag von AMS-Chef Johannes Kopf. „In unseren Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen täte uns mehr Evidenz statt Ideologie gut“, schreibt er. So sei auch die Schulwahl in Österreich meist „eine Frage des Gefühls oder eine private Empfehlung“.

Das AMS bewerte anhand von rund 30 Indikatoren die Leistung jeder einzelnen ihrer Geschäftsstelle. Gute Praxis würde sich so verbreiten: „Unsere schwachen Geschäftsstellen haben ihren Abstand zu den exzellenten massiv reduziert.“ Solch ein Modell wünscht sich Kopf auch für die Schulen. Dadurch könnten ihre Stärken und Schwächen bestimmt und „die Qualität der Ausbildung“ stetig verbessert werden. Die Datengrundlage dafür wäre längst vorhanden.

Manch Vorstoß wirkt angesichts jahrelanger und fruchtloser Debatten illusorisch. So etwa jener von Ex-Skirennläuferin Nicole Schmidhofer, die „eine Gesetzgebung für ganz Österreich“ anstatt neun Landesgesetzgebungen fordert. Doch wäre er vielleicht trotzdem etwas für die „Ideenbörse“, die Schüssel in seinem Beitrag vorschlägt. Einmal jährlich soll sie stattfinden, jeder und jede solle seine Ideen einbringen können. Die zehn besten Beiträge sollen per Publikumsentscheid bestimmt werden. (dab)

„Ideen, die geh’n!“

„Was braucht Österreich? 93 Köpfe verraten ihre Ideen für das Land“

Wolfgang Schüssel und Gottfried Kneifel (Hrsg.)

„Kleine Zeitung Edition“, 240 Seiten

24,90 Euro

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