Demokratie

Frust der Ärmeren über Politik steigt

Laut der Sora-Befragung sieht sich das untere ökonomische Drittel der Bevölkerung im heimischen politischen System kaum vertreten.
Laut der Sora-Befragung sieht sich das untere ökonomische Drittel der Bevölkerung im heimischen politischen System kaum vertreten.APA / Tobias Steinmaurer
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Zwar sind heuer insgesamt wieder mehr Menschen mit Österreichs politischem System zufrieden. Im unteren ökonomischen Drittel rasseln die Werte aber weiter nach unten.

Das Misstrauen gegenüber Österreichs politischem Sys­tem breitet sich bei ärmeren Menschen aus. Bei ihnen steigt die Unzufriedenheit, während sie bei der ökonomischen Mittel- und Oberschicht wieder abnimmt. Zu diesem Ergebnis kommt der heurige Demokratiemonitor des Meinungsforschungsinstituts Sora. Er wurde am Dienstag in Wien präsentiert.

Die Umfrage wird seit 2018 von Sora einmal jährlich durchgeführt und misst, wie die Befragten über das politische System und die Demokratie denken. Heuer wurden dafür 2081 Menschen ab 16 Jahren telefonisch und online vom 30. September bis zum 12. Oktober befragt (maximale Schwankungsbreite +/– 2,1 Prozent).

Bei der Befragung 2022 war das Vertrauen in das politische System in Österreich auf einen Tiefststand gesunken: Damals meinten nur 34 Prozent der Befragten, dass es gut funktioniert. 2020 lag dieser Wert noch bei 66 Prozent. Heuer setzte nun eine „leichte Erholung“ ein, sagte Sora-Forscherin Martina Zandonella. 2023 gaben 39 Prozent an, das politische System funktioniere „sehr gut“ oder „ziemlich gut“ (plus fünf Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr).

Entwicklung geht auseinander

Allerdings beurteilen die befragten Gruppen die Lage höchst unterschiedlich. „Die ökonomische Lage sticht hervor“, sagte Zandonella. Während sich beispielsweise bei Männern und Frauen die Meinungen unter den Befragten parallel entwickeln, driften die ökonomischen Lager auseinander. Sora teilt die Befragten, basierend auf ihren Angaben zum Haushaltseinkommen und ihrer finanziellen Absicherung, in drei Gruppen ein: in ein oberes, ein mittleres und ein unteres ökonomisches Drittel.

Verlief die Entwicklung bei diesen Gruppen in den Vorjahren zunächst weitgehend parallel, so verläuft sie nun gegensätzlich. Im oberen Drittel halten 52 Prozent (2022: 45 Prozent) das politische System für funktionsfähig, im mittleren Drittel stieg der Anteil von 34 auf 41 Prozent. Im unteren Drittel sackte die Zustimmung von 29 Prozent auf 24 Prozent ab: Für nicht einmal jeden vierten Befragten in dieser Gruppe funktioniert das System damit „sehr“ oder „ziemlich gut“.

Mit Themen wie der Teuerung und der Debatte um Kinderarmut standen zuletzt auch Bereiche im politischen Fokus, die das untere ökonomische Drittel stark betreffen. Neben der FPÖ versucht auch die SPÖ unter Andreas Babler wieder verstärkt, für den „kleinen Mann“ einzutreten. Ebenfalls mischen hier verstärkt auch die Kommunisten mit, wie deren jüngste regionale Erfolge zeigen.

Problem bei Repräsentation

Laut der Sora-Befragung jedoch sieht sich das untere Drittel im heimischen politischen System kaum vertreten: Befragt, „ob im Parlament Menschen wie ich gut vertreten“ sind, bejahten das in dieser Gruppe nur 16 Prozent. In der Mittelschicht sind es 47 Prozent, in der Oberschicht 61 Prozent.

Auch geben weit weniger Befragte aus dem unteren Drittel an, dass sie mit ihrer politischen Beteiligung etwas bewirken können oder es eine Partei gibt, die ihre Anliegen vertritt. Ebenso, dass die Politik etwas an ihren Lebensumständen ändern kann. Das zeigt für Zandonella, dass Debatten über Themen, die das untere ökonomische Drittel betreffen, zwar politisch und medial geführt werden, mitunter bei den Betroffenen aber gar nicht ankommen.

Letztlich könnte all das dazu führen, dass bei der nächsten Nationalratswahl weniger Menschen aus dieser ökonomischen Gruppe ihr Wahlrecht wahrnehmen werden, meint Zandonella. Laut dem Sora-Demokratiemonitor 2019 haben bereits bei der Nationalratswahl 2019 41 Prozent der wahlberechtigten Befragten aus dem unteren Drittel nicht gewählt. Im mittleren Drittel waren es hingegen lediglich 22 und im oberen Drittel 17 Prozent.

Trotz manch negativer Entwicklung bleibt im Gesamtüberblick die Demokratie für die Befragten die klar beste Staatsform: 86 Prozent sind von ihr überzeugt. Nachdem während der Pandemie der Zuspruch für einen „starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“, nach oben gegangen war, sank er 2023 wieder: Heuer sprachen sich 19 Prozent der Befragten für ihn aus, 2022 waren es noch 26 Prozent.

Rand radikalisiert sich

Auffallend ist für Zandonella, dass sich unter jenen Befragten, die antidemokratische Tendenzen hegen, „autoritäre Gedanken“ verfestigen. Früher hätte auch diese Gruppe der Demokratie teils Gutes abgewinnen können, seit 2021 seien diese Ambivalenzen aber zunehmend verschwunden. Das sei zwar „besorgniserregend“, allerdings dürfe in der Debatte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Demokratie „auch in stürmischen Zeiten auf den Großteil ihrer Bürger verlassen kann“.

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