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Kapitalmarkt Österreich

Börsengang: Fitnessprogramm für Unternehmen

An der Wiener Börse spürt man die Bereitschaft heimischer Unternehmen zu „floaten“.
An der Wiener Börse spürt man die Bereitschaft heimischer Unternehmen zu „floaten“. Foto: beigestellt
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Jetzt ist für viele Unternehmen die optimale Phase, um sich auf ein Börsenlisting vorzubereiten – eben, um vorbereitet zu sein, wenn sich das Opportunitäts-Fenster wieder öffnet.

Die Wiener Börse lud gemeinsam mit der „Presse“ zum Branchentalk, um Unternehmen zu Wort kommen zu lassen, die schon lang bzw. erst ganz frisch an der Börse sind, oder überhaupt erst den Börsengang planen. „Presse“-Redakteuin Jeannine Hierländer als Gesprächsleiterin begrüßte dazu Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, Gerald Grohmann, CEO von Schoeller-Bleckmann Oilfield (SBO), Markus Kirchmayr, CFO Austriacard Holdings, und Michael Pistauer, Co-CEO und CFO der Montana Aaerospace AG, die für 2024 einen Börsengang ihres Tochterunternehmens ASTA in Erwägung zieht. Schoeller-Bleckmann ist schon seit 2003 an der Börse. Austriacard Holdings hingegen kam erst im März 2023 dazu. Somit waren unterschiedlichste Perspektiven garantiert.

Von Brüssel nach Wien

Ursprünglich nahm SBO das Listing an der Börse in Brüssel vor. Laut Grohmann eine „Dornröschenbörse“. „Es gab wenig Unterstützung, zudem wurde die Börse dort kaum wahrgenommen und das hat sich in niedrigen Aktienkursen reflektiert“, begründete Grohmann den Wechselwunsch. Man sah sich nach dem geeignetsten Börsenplatz um. Für Nasdaq (New York) war man zu klein. Frankfurt und London standen hingegen durchaus zur Debatte. Letztlich zählte, dass man als österreichisches Unternehmen im Heimatland mehr Aufmerksamkeit erzielt, wenn man an der Wiener Börse ist. Das ist wesentlich für den Kaptialmarkt, auch wenn Kunden nicht in Österreich sitzen. „Außerdem stellten wir fest, dass die Wiener Börse für internationale Investoren attraktiv ist. Nach 20 Jahren an der Wiener Börse kann ich sagen, es war die richtige Entscheidung.“

Wo man an die Börse geht, muss jedes Unternehmen anhand vieler Faktoren entscheiden: Standort, Produktionsort, Marktumfeld, Kunden, Investoren und wo man die höchste Bewertung erzielt. „In dieser Abwägung listen rund 85 Prozent der Unternehmen am Heimatmarkt“, sagte Boschan.

Stärkere Sichtbarkeit

Austriacard Holdings spürt schon wenige Monate nach der Börsennotierung einen massiven Anstieg in der öffentlichen Wahrnehmung. „Das hilft uns mit allen Stakeholdern, um das Geschäft weiterzuentwickeln und neue Projekte einfacher zu initiieren“, sagte Kirchmayr.

„Wir spüren auch, dass wir von potenziellen Mitarbeitern anders wahrgenommen werden, weil wir als börsenotiertes Unternehmen ein anderes Standing haben. Man steigt sozusagen in die Champions League auf.“ Das hilft beim Onboarding neuer Mitarbeiter, aber auch das Produkt wird auf die große Bühne gehoben.

Viele Unternehmen scheuen aufgrund der Reportingverpflichtungen vorm Börsengang zurück. Boschan bestätigt: „Es ist aufwändig, letztlich bringt es aber Ordnung ins Unternehmen und das kommt einem Fitnessprogramm gleich.“ Das konnten auch alle Unternehmer bestätigen. Grohmann war lang als Vorstand und Geschäftsführer in nicht-börsenotierten Unternehmen tätig und kennt den Unterschied. „Wenn man in der Öffentlichkeit steht, gilt es, die Extrameile zu gehen.“ Man muss rund um die Uhr up to date sein, Analysten, Investoren, Journalisten Rede und Antwort stehen und wissen, was sich im Umfeld tut. „Das schult, auf Ballhöhe zu bleiben, gleichzeitig ist man gezwungen, über Dinge und Entwicklungen nachzudenken, über die man als nicht-börsenotiertes Unternehmen hinweggehen würde“, sagte Grohmann. „Im Endeffekt hilft es, raschere und bessere Entscheidungen zu treffen.“

Die Schilderungen bestätigen Boschan: Finanzierung, Sichtbarkeit und Ordnung sind wichtige Gründe, die für ein Listing sprechen: „Es gibt kein anderes Refinanzieurngs-Instrument, das in der Konstellation mehr Kapital zur Verfügung stellt, gleichzeitig mehr Sichtbarkeit erzeugt und dauerhafte Stabilität ins Unternehmen bringt.“ Der Börse-Chef betonte einen weiteren Vorteil: „Man öffnet sich den Märkten. Wenn man gut performt, erzielt man die Wiederanzapfbarkeit der Kapital­quelle. Das bringt gleichzeitig auch Vorteile bei der Kreditfinanzierung.“

Börsengang in Planung

Bald wird man wohl auch mit ASTA einen neuen Börsianer begrüßen dürfen. ASTA ist Weltmarktführer bei Kupferkern-Komponenten. Die Energiewende verschafft dem Unternehmen starken Rückenwind, da ohne diese Komponenten die Energiewende schlichtweg nicht zu vollziehen ist. „Das legt aber natürlich auch einen großen Investitionsdruck auf unser Unternehmen und so wurde die Idee des Börsengangs geboren, da ein Börsenlisting eine gute Option ist, um Wachstumskapital zur Verfügung zu haben“, sagte Pistauer. Trotzdem wurde das Listing bis auf Weiteres verschoben. „Weil wir eine Veränderung im Kapitalmarkt beobachten.“ Nämlich, weg von Small-Cap- und Mid-Cap-Aktien, zu denen sich ASTA zählt, hin zu Large-Cap-Aktien. „Man muss die Rechnung mit dem Wirt machen und das ist in dem Fall das ganz spezifische Marktumfeld für Börsengänge.“

»Ein Börsengang schult, auf Ballhöhe zu bleiben und hilft, raschere und bessere Entscheidungen zu treffen.«

Gerald Grohmann,

CEO Schoeller-Bleckmann Oilfield

Für Pistauer ist es allerdings nicht der erste Börsengang. Unter seiner Führung kam 2017 Varta an die Börse, 2019 Aluflex und 2021 Montana Aerospace. „Ich bin ein Fan der Börse. Nicht nur wegen der Kapitalisierung, sondern auch, weil der Börsengang eine Transparenz und eine Kommunikation schafft, zu der sich ein nicht-gelistetes Unternehmen nicht verpflichten muss“, sagte Pistauer.

Aber man muss sich bewusst sein, dass der Börsengang kein Sprint ist, sondern ein Marathon. „Gerade in der Platzierungsphase stehen viele Meetings mit Analysten und Investoren an“, sagte Boschan und warnte vor einem typischen Fehler. „Wenn man den intensiven Prozess durchlaufen hat, fällt bei allen Beteiligten der Druck ab. Häufig kommt es zum Stillstand der Kommunikation.“ Diese Pause hat man sich zwar verdient, sie darf aber nicht zu lang werden. Boschan empfiehlt: „Man sollte sich einen Kommunikationsplan bereitstellen, der in den ersten Wochen des Listings intensiv begleitet, aber auch danach dauerhaft auf hohem Niveau gehalten wird. Nicht vergessen: Beim Floaten tritt man in einen neuen Wettbewerb um die öffentliche Investorenaufmerksamkeit ein.“ Apropos Floaten: Grohmann hob die Bedeutung des Streubesitz (Free Float) hervor: „Viele Privateigentümer wollen unbedingt die Mehrheit behalten, aus Angst, nicht mehr das Sagen zu haben.“ Als SBO an die Börse ging, hielt der Hauptaktionär 67 Prozent. Das wirkte sich negativ auf die Börsenkursentwicklung aus. „Den großen Sprung machten wir erst, als der Hauptaktionär auf rund 30 Prozent zurückgegangen ist und wir gleichzeitig eine Kapitalerhöhung durchführten. Innerhalb weniger Jahre steigerten wir die Liquidität der Aktie deutlich. Dafür braucht es ausreichend Free Float.“

Aus Erfahrung weiß Pistauer: „Der Börsengang ist keine Hexenkunst, aber viele Unternehmer greifen auf altbekannte Beraterstrukturen zurück, sodass es zu einem überbordenden Geschäftsmodell geworden ist und folgende Gefahr besteht: Hat man nicht den richtigen Berater zur Seite, der die Stolpersteine kennt, kann es passieren, dass man am Ende die Idee eines Fremden wiedergibt und nicht seine eigene Geschichte erzählt.“

Wiener Börse AG

Als zentrale Infrastrukturanbieterin der Region öffnet die Wiener Börse Tore zu globalen Märkten. Sie betreibt die Börsenplätze Wien und Prag. Notierte Unternehmen profitieren von maximaler Liquidität, Anlegern bietet sie als Marktführerin schnellen und günstigen Handel. Alle großen heimischen und internationalen Handelshäuser sind an den Wiener Handelsplatz angeschlossen. Über 85 Prozent des Aktienumsatzes stammen aus dem Ausland.

Christoph Boschan, CEO Wiener Börse AG
Christoph Boschan, CEO Wiener Börse AG Wiener Börse Alexander Felten

Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG

Die Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG (SBO) mit Sitz in Ternitz ist Spezialist in der Hoch-präzisionsfertigung von Edelstählen für Spezialkomponenten für die Oilfield-Service-Industrie. Die heimische SBO-Gruppe mit weltweit rund 1500 Mitarbeitern gilt als Weltmarkt-führer in der Herstellung hochlegierter, nicht-magnetisierbarer Edelstähle. Zudem erzeugt SBO Richtbohr-werkzeuge und Equipment für die Bohrlochkomplettierung. Der Umsatz 2022 lag über 500 Millionen Euro.

Gerald Grohmann, CEO Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG 
Gerald Grohmann, CEO Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG Christian Jungwirth

AUSTRIACARD HOLDINGS AG

Die AUSTRIACARD HOLDINGS, mit Sitz in Wien, kann auf eine 126-jährige Firmengeschichte zurückblicken und zählt zu den führenden B2B-Anbietern von Secure Digital Technology Solutions in Europa. Die Gesellschaft verfügt über eine sehr starke paneuropäische Präsenz, die vom Vereinigten Königreich bis nach Griechenland und in die Türkei reicht, mit sieben Produktionsstätten und sieben Personalisierungszentren in Europa sowie einem zusätzlichen Personalisierungszentrum in den USA.

Markus Kirchmayr, CFO AUSTRIACARD HOLDINGS AG
Markus Kirchmayr, CFO AUSTRIACARD HOLDINGS AGFoto Brejcha

Montana Aerospace AG

Die Montana Aerospace AG ist ein führender Hersteller von Systemkomponenten und komplexen Baugruppen für die weltweite Luft- und Raumfahrt- sowie E-Mobilityindustrie und für den Energiesektor. Ihre Division ASTA Energy Solutions AG bildet das Energy Segment in der Montana Aerospace AG und hat sich im Industrieverbund auf Kupferkomponenten für Generatoren, Transformatoren und E-Motoren spezialisiert, die für die Energiewende unerlässlich sind.

Michael Pistauer, Co-CEO/CFO Montana Aerospace AG 
Michael Pistauer, Co-CEO/CFO Montana Aerospace AG Montana Aerospace

Tipp

„Eigenkapitalfinanzierung durch Börsengang“
IPO-Seminar am 18. April 2024

Infos & Anmeldung:
wienerboerse.at/ipo-seminar

Information

Der Branchentalk „Kapitalmarkt Österreich“ fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von Wiener Börse AG.


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