Wissenschaft

Energiewende kostet Leben

Nicht nur Zugvögel wie Kraniche sind bedroht, weil sie das Gewirbel nicht sehen. Das Anstreichen eines Rotorblatts hilft.
Nicht nur Zugvögel wie Kraniche sind bedroht, weil sie das Gewirbel nicht sehen. Das Anstreichen eines Rotorblatts hilft. Picturedesk / Bernd Wüstneck / Dpa / Picturedesk.com
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Durch die Propeller von Windrädern kommen Hunderttausende Vögel und Fledermäuse zu Tode, Letzteren machen auch Solaranlagen zu schaffen.

Um fast ein Drittel ist die Zahl der Vögel in den USA seit 50 Jahren zurück gegangen – in absoluten Zahlen: um drei Milliarden –, das hat Kenneth Rosenberg (Cornell) erhoben und auf ähnliche Befunde in anderen Regionen der Erde hingewiesen (Science 366, S. 120). Die Gründe sind vielfältig –, sie reichen von Habitatverlust bis zu Agrarchemikalien –, weit oben bei den jährlichen Verlusten stehen allerdings beste Freunde mancher Menschen, Katzen, verwilderte oder periodisch ins Freie gelassene: Sie haben in den USA in einem Jahr 7,4 Milliarden Vögel erjagt, Gebäude kosteten 599 Millionen das Leben, Automobile 13,8, Stromleitungen 5,6, Windräder 573.093.

Die Zahlen hat Scott Loss (Oklahoma State University) zusammen getragen (Annual Review of Ecology, Evolution and Systematics 46, S. 99), sie stammen von 2013. Neuere sind nicht verfügbar, aber man darf unterstellen, dass der von Rosenberg konstatierte Rückgang nicht von den Katzen kommt, die haben immer schon unter Vögeln gehaust. Er dürfte – neben den genannten Gründen – eher damit zu tun haben, dass seit den 70er Jahren der Bau hoher und/oder verglaster Gebäude stark zugenommen hat, und dass seit einigen Jahren immer mehr Windräder hochgezogen werden.

Das Problem mit den Gebäuden fiel in den 1890er Jahren an einem Leuchtturm auf, dessen Licht Zugvögel ansteuerten und aus dem sie nicht mehr heraus fanden, sie flogen sich an dem Turm die Schädel ein oder umflatterten ihn bis zur Erschöpfung, „Die Vögel fielen herunter wie Regentropfen“, bedauerte 100 Jahre später der Hobbyornithologe Charles Kemper am Fuß eines 605 Meter hohen Fernsehturms, dessen Spitze zur Warnung für Flugzeuge beleuchtet war, Kemper sammelte die Opfer, er kam auf etwa zehntausend, in einer Nacht, an einem Turm.

573.093 Vögel kamen in den USA in einem Jahr an Windmühlen zu Tode

Was die Vögel zum Licht treibt, ist ungeklärt, immerhin wurde Einiges zum Entschärfen der „Lichtfallen“ unternommen: 1999 zog Chicago als erste Stadt ein „Lights Out Programm“ auf – bei dem die Innenbeleuchtung von Büro- und Wohntürmen während der Vogelzüge gedimmt wird –, inzwischen sind 48 Städte gefolgt. Zudem arbeiten Architekten an abschattenden Fassaden, und die Glasindustrie hat Fenster entwickelt, die für Vögel sichtbar sind. das alles hat bei einem besonders berüchtigten Gebäude, dem Konferenzzentrum McCormik PLace in Chicago, an dem David Willard vom Naturhistorischen Museum der Stadt seit 1982 160.000 Vögel eingesammelt hat, die Opferzahlen um 60 Prozent gesenkt, trotzdem musste er in einer Nacht Anfang Oktober wieder 966 Kadaver zählen (Yale Environment 360, 26. 10.).

Dem gegenüber nehmen sich die Opferzahlen der Windkraftanlagen bescheiden aus, aber dieses Segment der Energieerzeugung wird ausgebaut wie kaum ein Zweites. Und dass auch es mit Flugtieren in Kollisionen kommt – bzw. umgekehrt –, zeigte sich zunächst drastisch bei Gibraltar, wo Räder 100 Meter hoch in den Himmel ragen und mit bis zu 300 km/h rotieren: „Ich habe Geier gesehen, die einfach enthauptet wurden“, berichtete US-Wildökologe Marc Bechard (Nature 486, S. 310), er hat einen ornithologischen Dienst aufgezogen, der warnt, wenn Geier kommen – sie ziehen zu Tausenden –, die Windmühlen werden dann abgestellt.

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